Lokalaugenschein

Den skrupellosen Schleppern auf der Spur

Österreich
15.08.2015 12:53
Sie sind in Schrottautos gepfercht oder irren auf Autobahnen umher - täglich werden Hunderte Flüchtlinge auf unseren Straßen aufgegriffen. Die Polizei ist am Limit. Die "Krone" begleitete eine Streife beim Dienst.

Morgengrauen. Während der Tag noch schläft, haben wir bereits unseren ersten Einsatz auf der Ostautobahn im Burgenland. "Bezirksleitstelle an Sektorstreife, Gruppe von Flüchtlingen auf A4 Höhe Mönchhof gesichtet" - so der Funkspruch aus der Polizeizentrale in Neusiedl am See. "Das ist erst der Anfang - gewöhnlich läuten bei uns ab etwa 4 Uhr die Telefone pausenlos. Mindestens alle zwei Minuten rufen uns Zeugen an, die irgendwo Flüchtlinge gesehen haben. Ob auf der Autobahn oder in Ortschaften - die Leute sind mittlerweile besonders sensibilisiert", wie uns der in der Leitstelle diensthabende Beamte schildert. An diesem Tag sollten es allein zwischen 6 und 7 Uhr 30 Anrufe sein. Heuer wurden bislang 20.369 Flüchtlinge von der Exekutive aufgegriffen - und 341 Schlepper.

Umgehend machen wir uns auf den Weg. Seelenruhig spazieren bei Kilometer 55 Richtung Wien insgesamt neun Menschen im Gänsemarsch entlang der rechten Fahrspur. Allesamt junge Männer, "offensichtlich Pakistaner bzw. Afghanen", wie einer der Polizisten vermutet. Fluchtversuche? Im Gegenteil: Die Burschen wirkten erleichtert, als ob sie auf diese Amtshandlung gewartet hätten. Noch vor Ort folgt die erste oberflächliche Registrierung. Dokumente haben Seltenheitswert, und so wurde ein Ziffernsystem eingeführt.

Nummer, Name und Fluchtgrund
Jeder Flüchtling erhält ein Armband mit Nummer, Name und Fluchtgrund. Ob überhaupt ein berechtigter Grund vorliegt, ein Asylverfahren in Österreich einzuleiten, wird erst später mithilfe von Dolmetschern eruiert. "Es gibt auch viele, die das Wort Asyl tunlichst vermeiden. Jene, die eigentlich ein anderes Land als Ziel hatten. Sie laufen davon, wenn sie uns sehen", erklärt ein Uniformierter.

In derselben Sekunde ertönt bereits die nächste Meldung aus dem Funkgerät: "Flüchtlinge im Ortsgebiet von Neudorf gesichtet." Während die Amtshandlung auf der "Ost" noch voll im Gange ist, wechseln wir den Ort. Auf halbem Weg zum wenige Kilometer entfernten Aufgriffspunkt ein unerwarteter neuer Schauplatz: Mitten im Nirgendwo erleuchtet das Blaulicht eines Polizeiautos die Landstraße. Ein Unfall? Weit gefehlt. Eine Gruppe von Flüchtlingen wurde "nebenbei" entdeckt - zwischen Äckern und Windrädern marschieren sie unaufgefordert, beinahe zielstrebig Richtung Streifenwagen.

Sammelstelle Nickelsdorf: "Ein Kommen und Gehen"
Wir fahren weiter und kommen wenig später am Ziel, einem Parkplatz vor einem Bauernhaus, an. Kleine Kinder, Frauen, Männer - allesamt (angeblich) aus Syrien - wurden hier nach zehntägiger Reise ausgesetzt. "Wir waren insgesamt 30 Personen im Wagen, aber die Afghanen sind davongerannt", erzählt uns ein junger Student in gebrochenem Englisch. Nachdem die Personen und deren Gepäck kontrolliert sind - in einem Rucksack entdecken Beamte einen als Taschenlampe getarnten Elektroschocker -, werden sie in den Bus gesetzt und nach Nickelsdorf gebracht.

Dort werden sie auf dem zur Sammelstelle umfunktionierten Grenzübergang mit Essen, Trinken und ärztlicher Betreuung durch das Rote Kreuz erstversorgt, können sich auf aufgestellten Campingbetten von den Strapazen erholen - und auf ihr weiteres Schicksal warten. Entweder geht es in eines der überfüllten Erstaufnahmezentren oder direkt zurück nach Ungarn. "Das ist hier ein Kommen und Gehen - leer war es aber bis dato noch nie. Im Schnitt treffen täglich zwischen 150 und 200 Flüchtlinge ein", so ein Beamter vor Ort. "Es gibt auch viele, die sich herbringen und verpflegen lassen, dann die Bänder von der Hand reißen und davonlaufen."

Schlepper nutzen Berufsverkehr
Fast ein Dutzend weitere Aufgriffe später kehrt am späten Vormittag die gewohnte vorübergehende "Flüchtlingsruhe" ein. "Die Schleuser nutzen üblicherweise den Pendler-Berufsverkehr. Ab 10, 11 Uhr können wir uns meist wieder auf unsere normalen Aufgaben konzentrieren", so ein Uniformierter, während er uns nach der Rückkehr in die Zentrale in Neusiedl einen Blick in einen sichergestellten Schlepper-Kastenwagen mit ungarischem Kennzeichen werfen lässt. Dass der "Normaldienst" unter der Flüchtlingsbelastung leidet, will er nicht direkt bestätigen. Die sinkende Aufklärungsquote der vergangenen Monate bei der Alltagskriminalität tut dies aber leider doch.

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