Hypo-U-Ausschuss

Kulterer: “Halte auch für Haider den Kopf hin”

Österreich
16.07.2015 17:16
Der frühere Hypo-Chef Wolfgang Kulterer hat am Donnerstag im parlamentarischen U-Ausschuss tiefe persönliche Einblicke über mehrere Phasen des Hypo-Skandals gegeben. Ihm sei "nichts als das nackte Leben geblieben". Angetan könne ihm nichts mehr werden. "Mir ist klar, dass ich für viele den Kopf hinhalte, auch für Haider", sagte Kulterer, der bei sich selbst zwar "Fehler und Fehlleistungen" sieht, sich strafrechtlich - obwohl mehrmals rechtskräftig verurteilt - aber nichts vorzuwerfen habe. Nach Kulterer wurde dessen ehemaliger Hypo-Vorstandskollege Günter Striedinger befragt, der schwere Vorwürfe gegen Ex-Vizekanzler Josef Pröll erhob.

"Verfehlungen ja, Fehlleistungen ja, aber kein kriminelles Handeln. Eine Schädigung der Bank habe ich nie auch nur im Entferntesten zugelassen", sagte Kulterer. "Die Aufklärungsarbeit des U-Ausschusses ist nicht nur im staatlichen Interesse, sondern ganz intensiv auch in meinem eigenen", so Kulterer, der sich auch für Dinge verantwortlich gemacht fühlt, die lange nach seiner Zeit geschehen sind. Oft werde so getan, als hätte er über jeden vergebenen Kredit Bescheid gewusst. Über seinen Tisch seien aber lediglich zehn Prozent aller Konzernkreditfälle gegangen. Nach der Bankspaltung 2004 habe es zahlreiche Töchter in zehn Ländern gegeben, "mit mehr als 30 eigenverantwortlichen Managern", so der frühere Konzernchef.

Schon "ab dem Jahr 2000" sei Kulterer "persönlich klar gewesen, dass es enorme Wachstumschancen gibt und Änderungen im Unternehmen nötig sind". 2004 wurden dann auch die Landeshaftungen neu beschlossen, die man als Bank nutzen habe müssen. So habe man sich Refinanzierungskosten von zehn bis 35 Millionen Euro pro Jahr erspart. Im selben Jahr habe es zwei weitere "massive Events" gegeben: Der frühere Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider habe den damaligen Hypo-Aufsichtsratschef Herbert Koch aufgefordert, seine Funktion zurückzulegen, und Klaus Bussfeld sei dann als "Mann des Vertrauens von Haider" gekommen.

Bei Swaps von Banken über den Tisch gezogen
Sechs Monate später seien die Swapverluste aufgetaucht, von denen Kulterer nichts gewusst haben will. Der damals verantwortliche Finanzmanager Christian Rauscher habe sich "von den Investmentbanken über den Tisch ziehen lassen", so Kulterer. Fünf Investmentbanken hätten der Hypo die gleiche Dollar-Währungswette verkauft. Wenn alle fünf Banken das gleiche Produkt verkaufen, dann stimme etwas nicht. Rauscher sei leider "so naiv" gewesen. "Diese Produkte hätte er nie kaufen dürfen." Nachdem er durch den Risikomanager Ende Oktober 2004 von den Verlusten informiert worden sei, habe er "sofort eingegriffen". Der Verlust belief sich letztlich auf 330 Millionen Euro.

"Von diesem Schlag hat sich die Hypo nie mehr erholt"
Wesentlich sei dann 2006 die "entscheidende Schlacht mit der Finanzmarktaufsicht (FMA) in Abstimmung mit dem damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser" gewesen, dass die Bilanzierung der Swaps so nicht in Ordnung war. Das Testat für die Bilanzen sei von den Wirtschaftsprüfern von Deloitte ohne Info an den Vorstand erfolgt. Die FMA habe danach darauf bestanden, dass bei der Neubilanzierung die negativste Variante anzuwenden sei. 400 Millionen Euro an Eigenmitteln seien so in der Bilanz 2004 entzogen worden. "Von diesem Schlag hat sich die Hypo nie mehr erholt."

"Für das idiotische Fußballstadion ist auch kein Euro geflossen"
In seinem Statement wies Kulterer auch darauf hin, dass sich verschiedene Bereicherungsvorwürfe "nie erhärtet" hätten. Es habe sich um eine "PR-Strategie der Eigentümervertreter oder der Finanzprokuratur" gehandelt, drehte Kulterer das Rad der Zeit weiter in jene Phase, nachdem die Hypo "kurzfristig verstaatlicht" worden war. In der Kärntner Zeit der Bank habe es auch den viel zitierten Selbstbedienungsladen nicht gegeben. "Ja, die Politik war da, man hat sich arrangieren müssen, wie jeder, der eine Bank leitet, die im Mehrheitseigentum eines Landes steht. Das bedeutet aber nicht, dass man sich deswegen von der Politik vergewaltigen lassen muss", sagte Kulterer.

"Die Projekte gibt es nicht, die auf Wunsch Haiders einen Milliardenschaden angerichtet haben. Man hat sich alle vorgeschlagenen Projekte angeschaut, wenn es Anfragen gab, diese zu finanzieren - und abgelehnt, wenn sie nicht in Ordnung waren", so Kulterer. Nur einige Projekte seien "im Sinne des Landes" erfolgt, wie beispielsweise Seebühne Klagenfurt und Schlosshotel Velden. "Für das idiotische Fußballstadion ist auch kein Euro geflossen." Ein späteres Sponsoring des Stadionnamens habe die spätere Hypo-Eignerin BayernLB zu verantworten.

"Das nackte Leben ist mir geblieben"
Beim Einstieg der Bayern habe er gedacht, es handle sich um "eine Hilfe" für die Hypo. Nach dem Bekanntwerden der Verluste habe er gewusst, dass seine Zeit in der Bank vorbei sei, sagte Kulterer. Er habe sich aber noch bemüht und auch den Bayern-Einstieg mitorganisiert. Als er am 13. und 14. August 2010 wegen der Swapverluste zuerst verhört und letztlich in U-Haft genommen wurde, fühlte sich Kulterer "wie ein Schwerverbrecher. In den ersten 48 Stunden hatte ich eine Zelle mit einer Gummimatte am Boden - sonst nix." Selbst sei er insolvent, habe drei Millionen Euro für seine Verteidiger und das Gericht ausgegeben - "dafür habe ich mein Vermögen verkauft und habe nichts mehr. Das nackte Leben ist mir geblieben - es ist egal, was mir noch angetan wird. Ex post sind alle Besserwisser."

Striedinger-Attacke gegen Josef Pröll
Nach Kulterers Auftritt vor dem U-Ausschuss erhob dann sein Ex-Kollege Striedinger in seiner Aussage schwere Vorwürfe gegen den ehemaligen Vizekanzler Pröll. Dieser habe "auf Teufel komm raus" verstaatlicht und anschließend die Bank mit "unwahren, verleugnerischen Anschuldigungen" geschädigt, sagte Striedinger. Pröll habe "inkompetent" agiert und von "verschwundenen Booten" und faulen Krediten gesprochen. Er, Striedinger, sei grundsätzlich auch für Aufklärung - man solle dann aber alles aufklären, auch die Jahre vor der Verstaatlichung. Die BayernLB, der Hypo-Mehrheitseigentümer vor der Verstaatlichung, habe einen expansiven Wachstumskurs gefahren und sei in neue Märkte gegangen. Österreich habe dem "Wunschszenario" der Bayern voll entsprochen.

Nach der "für mich nicht nachvollziehbaren Verstaatlichung" im Dezember 2009 sei eine Sonderstaatsanwaltschaft, die CSI Hypo, eingesetzt worden, so Striedinger. "Es wurde eine regelrechte Armada von Verfolgungseinrichtungen geschaffen", die Aufarbeitung habe aber die Jahre der Bank im Eigentum der BayernLB einfach ausgelassen. Die CSI Hypo habe "Skandalisierung" betrieben und das neue Management "behindert und eingeschüchtert". So seien wichtige Entscheidungen unterblieben und die durch die Finanzkrise "ohnehin schon extrem geschwächten Werte" weiter geschwächt und "vernichtet" worden.

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