EU optimistisch

Faymann sieht “Chance auf Einigung” mit Griechen

Ausland
11.07.2015 08:15
Nach monatelanger Hinhaltepolitik kann es der griechischen Regierung plötzlich nicht schnell genug gehen. Sie hat quasi im letzten Moment den Geldgebern ein neues Angebot vorgelegt - teils mit Punkten, die Premier Alexis Tsipras vor seinem Referendum noch als "erpresserisch" abgelehnt hatte. Vertreter der Euroländer fanden am Freitag jedenfalls lobende Worte: Frankreichs Präsident Francois Hollande etwa bezeichnete die jüngsten Vorschläge als "seriös und glaubwürdig". Und Kanzler Werner Faymann betonte, es gebe die "Chance auf eine Einigung". Auch die Gläubiger-Institutionen sind grundsätzlich mit den Athener Sparplänen einverstanden.

Am Freitagmittag hatten sich Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem, EZB-Präsident Mario Draghi, IWF-Chefin Christine Lagarde und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in einer Telefonkonferenz beraten. Die Institutionen sollten sowohl die griechischen Reformvorschläge als auch den Antrag aus Athen für ein Hilfsprogramm beim Euro-Rettungsfonds ESM prüfen. Auf Grundlage dieser Analyse beraten die Euro-Finanzminister bei ihrem Sondertreffen am Samstagnachmittag in Brüssel darüber, ob sie die Aufnahme von Verhandlungen über das ESM-Programm empfehlen.

Die griechische Regierung hatte das 13-seitige Papier kurz vor Abgabeschluss am späten Donnerstagabend der EU übermittelt. Die Griechen hätten ihre Entschlossenheit gezeigt, in der Eurozone zu bleiben, gab sich Hollande angesichts der neuesten Reformliste am Freitag optimistisch. Er nannte die kommenden Stunden "entscheidend". Laut Berichten griechischer Medien hatten Experten des Finanzministeriums in Athen bei der Erstellung des Reformpapiers eng mit französischen Beratern zusammengearbeitet.

Auch Faymann und Renzi optimistisch
"Es gibt noch kein Ergebnis, aber die Chance auf eine Einigung besteht und diese Chance muss auch ernsthaft genutzt werden", gab sich auch Faymann leicht optimistisch. "Die konstruktiven Kräfte müssen jetzt stärker sein als jene, die unter keinen Umständen eine Lösung wollen", unterstrich der Kanzler. Nach dem positiven Echo in den EU-Hauptstädten sprach Italiens Regierungschef Matteo Renzi gar davon, dass der für Sonntagnachmittag angesetzte Sondergipfel der Euroländer nun überflüssig wäre.

Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem äußerte sich unterdessen noch zurückhaltend: Athen habe einen "umfassenden Text" vorgelegt, "aber dessen Qualität muss sich erst noch erweisen". Er warte darauf, dass die Institutionen die Vorschläge evaluieren.

Die Bewertung der drei Geldgeber-Institutionen EU-Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds soll nun so rasch wie möglich an die Eurogruppe übermittelt werden, die dann am Samstag bei einem Sondertreffen darüber beraten wird. Wenn die Euro-Finanzminister grünes Licht für die griechischen Vorschläge geben, könnte der geplante Gipfel der Euroländer am Sonntagnachmittag tatsächlich, wie von Renzi in Aussicht gestellt, hinfällig werden. Dann reicht das Treffen der 28 Staats- und Regierungschefs der EU am Sonntagabend in Brüssel.

Parlament erteilte Regierung Vollmacht
Einen wesentlichen Schritt für eine Einigung im Schuldendrama hat das griechische Parlament in der Nacht auf Samstag getan. Dieses erteilte Tsipras die Vollmacht, über weitere Spar- und Reformmaßnahmen zu verhandeln und eine Einigung zu erzielen. Insgesamt billigten 251 Abgeordnete das Paket, wie das Parlamentspräsidium in der Nacht auf Samstag mitteilte. Demnach stimmten 32 Parlamentarier dagegen. Acht enthielten sich der Stimme. Allerdings standen nicht alle Parlamentarier der Regierungskoalition hinter Regierungschef Tsipras.

Österreich und fünf weitere Euroländer am Zug
Im Falle einer Einigung mit Griechenland am Wochenende müssen dann Österreich und fünf weitere Euroländer sofort, also bereits am Montag oder Dienstag, ihre nationalen Parlamente befassen, um ein Mandat für Verhandlungen mit Athen über ein neues Hilfsprogramm im Rahmen des Euro-Rettungsschirms ESM zu geben. Neben Österreich sind dies Deutschland, die Niederlande, die Slowakei, Estland und Finnland. Zu einem späteren Zeitpunkt müssten die Länder dann noch einmal ihre Parlamente befassen, um den ausgehandelten Vertrag zu billigen.

Banken wohl noch bis Ende nächster Woche geschlossen
Somit bleibt vorerst nur offen, ob das Vertrauen der Geldgeber groß genug ist, dass Griechenland nicht nur Papiere unterschreibt, sondern auch erfüllt. Für die Griechen wird die Lage jedenfalls immer düsterer: Die Banken des Krisenlandes dürften auch im Falle einer Einigung mit den internationalen Gläubigern noch die gesamte nächste Woche geschlossen, hieß es am Freitagabend. Ihnen fehle schlicht das nötige Geld, um aufzusperren. Den Finanzinstituten verbleibe bis Montagabend noch ein Finanzpolster von schätzungsweise 750 Millionen Euro, sagte ein ranghoher Bankenvertreter, der anonym bleiben wollte. Von 10 bis 14 Milliarden Euro zur Rekapitalisierung ist die Rede.

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