„Lennon“-Box

Eine geballte Ladung John Lennon auf 8 Vinyl-LPs

Musik
03.08.2015 10:00

Am 9. Oktober hätte John Lennon seinen 75. Geburtstag gefeiert, am 8. Dezember jährt sich zum bereits 35. Mal sein Todestag. Aus diesem Anlass haben Universal Music und Yoko Ono das (fast) komplette Solo-Werk des 1980 ermordeten Ex-Beatles auf Vinyl wiederveröffentlicht - in Form einer acht Alben enthaltenden, limitierten Box mit dem schlichten Titel "Lennon".

(Bild: kmm)

Da die meisten Lennon-Alben auf Langspielplatte schon länger vergriffen sind, dürfte die Veröffentlichung vor allem jene Vinyl-Aficionados freuen, für die die Abkürzung CD (Compact Disc) ohnehin seit jeher für "complete disaster" steht. Und der Plattenfirma ist wohl auch nicht verborgen geblieben, dass sich die schwarzen Scheiben seit Jahren wieder besser verkaufen. So ist beispielsweise der Umsatz von Vinyl in den USA im Vorjahr um 52 Prozent im Vergleich zu 2013 gestiegen, während der Absatz von CDs weiterhin stagniert.

Sämtliche Songs 2010 neu remastert
Die 3,2 Kilogramm schwere Box, die in einer limitierten Auflage erschienen ist, enthält in einem Schuber jene acht Studioalben Lennons, die nach der Trennung der Beatles zwischen 1970 und 1980 entstanden sind. Die 180-Gramm-Vinyl-Longplayer basieren auf den 2010 von Yoko Ono und einem Team von  Toningenieure um Allan Rouse in den legendären Abbey Road Studios in London und von George Marino in den Avatar Studios in New York neu gemasterten Originalmixen.

Jede der acht LPs ist - sowohl was das Cover als auch die Innenhülle betrifft - optisch eine originalgetreue Reproduktion der jeweiligen englischen Vinyl-Ausgaben und enthält auch Reproduktionen der Beilagen - bei "Imagine" etwa die zwei Postkarten und das Poster bzw. die aufwendige Klapphülle und das Booklet bei "Walls and Bridges".

"Plastic Ono Band" (1970)
"Ich glaube, es ist das Beste, was ich je gemacht habe, sagte Lennon in einem Interview mit dem US-Musikmagazin "Rolling Stone" über die minimalistisch aufgenommene Platte. Eine Meinung, die viele Kritiker teilen: Das britische Magazin "Q" zählte das sehr persönliche Album im Juni 2003 zu den 100 besten britischen Platten aller Zeit und der "Rolling Stone" listete es drei Jahre später auf Platz 22 seiner "500 besten Alben aller Zeiten".

Über das praktisch zu dritt - John Lennon (Gitarre und Klavier), Klaus Voormann (Bass) und Ringo Starr (Schlagzeug) - aufgenommene Album schwärmte erst kürzlich auch Letzterer. Eine seiner besten musikalischen Erfahrungen habe er 1970 bei den Sessions zu "Plastic Ono Band" gemacht, erinnerte sich der heute 75-jährige Beatles-Drummer. Sie seien eines der feinsten Trios gewesen. "Bloß mit John im Studio zu sein, so wie er war, kreischend, schreiend und singend - das war ein unglaublicher Moment", sagte er dem britischen Magazin "Uncut".

Nicht zuletzt wegen Songs wie "Mother" (siehe Video), in dem Lennon seinen ganz persönlichen Liebesentzug als Kind beschreibt, "God", "Isolation", "Working Class Hero" (siehe Video) und "Love" (bei dem Phil Spector am Piano saß) wurde das Album von manchen Kritikern zum Zeitpunkt seines Erscheinens als das "ehrlichste Rockalbum aller Zeiten" bezeichnet. Auch für viele Fans gilt "Plastic Ono Band" bis heute als die beste und bewegendste Arbeit des Ex-Beatles.

"Imagine" (1971)
Nach der weniger massentauglichen LP "Plastic Ono Band" schob sich John Lennon im Herbst 1971 mit dem Album "Imagine" - seinem bekanntesten - wieder ins kommerzielle Rampenlicht. Er selbst hat es in Interviews als "'Plastic Ono Band' mit Zuckerguss" bezeichnet, ein Hinweis darauf, dass die deutlich gefälligere Produktion wohl eine Antwort auf die eher schwachen Verkaufszahlen seines ersten Solo-Studioalbums war.

Die Aufnahmen für die Platte, bei der Lennon von zahlreichen namhaften Musikern - darunter auch Ex-Beatles-Mitstreiter George Harrison - unterstützt wurde, fanden im Studio seines Anwesens Tittenhurst Park statt. Das Titelstück "Imagine", die Vision einer besseren und gerechteren Welt, gehört inzwischen zu seinen bekanntesten und am häufigsten gecoverten Songs Lennons.

Die Platte, auf der auch Songperlen wie "Jealous Guy", "Crippled Inside" oder "Oh My Love" enthalten sind, war ein großer künstlerischer und kommerzieller Erfolg und erreichte sowohl in den USA als auch in Lennons Heimat England Platz eins in den Charts.

„Some Time In New York City“ (1972)
Nach dem produktiontechnisch ausgefeilte „Imagine“ folgte - Lennon war inzwischen in den Big Apple übersiedelt - mit „Some Time In New York City“ purer linker Aktionismus. Vermutlich mit ein Grund, warum die Platte von Vielen als seine schwächste bezeichnet wird. Das mit Ehefrau Yoko Ono und der bis dahin wenig bekannten New Yorker Band Elephant‘s Memory aufgenommene Doppel-Album behandelt eine Vielzahl von politischen Themen.

In "The Luck Of The Irish" und "Sunday Bloody Sunday" (nicht zu verwechseln mit dem U2-Song gleichen Titels) thematisierte Lennon den blutigen Bürgerkrieg in Irland, "Born In A Prison" und "Attica State" wiederum handeln vom unmenschlichen Strafvollzug. In "John Sinclair" setzte sich Lennon für den wegen einer kleinen Menge Marihuana zu lebenslanger Haft verurteilten MC-5-Manager John Sinclair ein und erreichte wenig später tatsächlich dessen Freilassung. Und mit "Woman Is The Nigger Of The World" - laut Yoko Ono "das erste feministische Lied, das ein Kerl gemacht hat" - kritisiert er nach der Lektüre des Buches "The First Sex" von Elisabeth Gould Davis die Rolle der Frau in der Gesellschaft.

"Mind Games" (1973)
Für viele ist "Mind Games" jene Platte von John Lennon, die musikalisch am meisten an die Musik der Beatles erinnert. Obwohl oder (vielleicht) gerade weil die Beziehung mit Yoko Ono zum Zeitpunkt der Entstehung und Veröffentlichung kriselte und sich das Paar sogar vorübergehend trennte - eine Zeit, die er später als sein "Lost Weekend" bezeichnen sollte - sind auf dem Album zahlreiche Liebeslieder ("Out The Blue", "You Are Here", "One Day At A Time") und Entschuldigungen ("Aisumasen", "I Know") an Ono enthalten.

"Es ist Rock 'n' Roll in unterschiedlichen Geschwindigkeiten, es hat keine tiefergehenden Aussagen. Ich habe das Album nur gemacht, weil alle ein Album von mir wollten", sollte Lennon Jahre später über die Platte sagen, die er mit einer Reihe großartiger Studiomusiker in New York aufgenommen hat.

"Walls And Bridges" (1974)
Im Herbst 1973 trennt sich Lennon und Ono. Während der Trennung, die 16 Monate dauern sollte, entstanden zwei Alben - "Rock 'n' Roll" und "Walls And Bridges". Letzteres nahm Lennon im Sommer 1974 in New York auf und fungierte auch als Produzent. Bei zwei Songs - dem als Single ausgekoppelten "Whatever Gets You Thru' The Night" (Platz eins in den USA) sowie "Surprise, Surprise (Sweet Bird Of Paradox)" wurde er bei den Sessions gesanglich von Elton John unterstützt.

Auch wenn Lennon selbst das Album kurz vor seinem Tod als das Werk "eines halbkranken Handwerkes" abkanzelte - "Walls And Bridges" ist wohl seine beste Platte nach "Plastic Ono Band" und "Imagine". Der Ex-Beatles verarbeitet in den auf ihr enthaltenen Songs erneut seine Beziehung zu Yoko Ono ("What You Got" und "Bless You") und schrieb großartige Stücke wie "#9 Dream", "Old Dirt Road" (mit Harry Nilsson) oder etwa "Steel And Glass". Auch kommerziell war die Platte ein voller Erfolg und kam in den Vereinigten Staaten auf Platz eins der Charts.

"Rock 'n' Roll" (1975)
Bereits Ende 1973 begann Lennon in Los Angeles mit Phil Spektor an einem Album mit "Oldies But Goldies" zu arbeiten, das er aber erst ein Jahr später in den Record Plant Studios in New York City fertigstellte. Für der Platte, die schließlich im Februar 1975 erschien, fröhnte er dem Rock 'n' Roll und sang jene Songs ein, die ihn in seiner Jugend begleitet hatten. Darunter den Ben-E.-King-Klassiker "Stand By Me" (der auch als Single veröffentlicht wurde), Gene Vincents "Be-Bop-A-Lula", Buddy Hollys "Peggy Sue" oder "Slippin' and Slidin'" (siehe Video).

Leider ist bei der Pressung der Platte der "Lennon"-Box ein Lapsus passiert: Auf der A-Seite fehlt nämlich die Chuck-Berry-Coverversion "You Can't Catch Me", dafür ist das ebenfalls von ihm geschriebene "Sweet Little Sixteen" gleich zweimal vorhanden. Universal Music hat bereits darauf reagiert und eine Webseite eingerichtet, auf der man eine - wie es heißt - "korrigierte Kopie" der Platte anzufordern kann.

"Double Fantasy" (1980)
Nach der Geburt seines Sohnes Sean Ono Lennon am 9. Oktober 1975 zog sich Lennon aus dem Musikbusiness zurück, spielte Hausmann und sah seinem Sohn knapp fünf Jahre lang beim Aufwachsen zu. Das im Sommer 1980 aufgenommene Album "Double Fantasy", das zur Hälfte auch Songs von Ehefrau Yoko Ono enthält, erschien zu einem Zeitpunkt, als die Punkbewegung der Rockmusik neue Impulse gab. Die auf Lennons Comeback-Album enthaltene Balladen "Woman" oder "Beautiful Boy" (das er seinem Sohn gewidmet hat) hoben sich vom musikalischen Trend dieser Zeit ebenso ab, wie die erste Single-Auskopplung, die - passend zu seiner Rückkehr ins Musikbusiness nach fünf Jahren Pause - den Titel "(Just Like) Starting Over" trug.

"Milk And Honey" (1984)
Die etwas mehr als drei Jahre nach Lennons Tod veröffentlicht Platte war das noch zu Lebzeiten der Beatles-Legende geplante Folgeprojekt zu "Double Fantasy". Der Opener "I'm Stepping Out" war sogar der erste Titel den Lennon aufnahm, als er - nach fünf Jahren Pause - Anfang August 1980 wieder ins Studio ging, um Songs aufzunehmen. "Milk And Honey" enthält starke Tracks wie "Nobody Told Me", eine zynische gesellschaftspolitische Analyse, "I Don't Wanna Face it" und "Borrowed Time" (siehe Video), in dem er von den Vorteilen des Älterwerdens singt.

Schade, dass die von Lennon selbst zusammengestellte und im Herbst 1975 veröffentlichte LP "Shaved Fish" nicht in der Box enthalten ist, denn auf ihr sind auch all jene Singles zu finden, die nie auf einem Album erschienen sind. Dazu gehören die populäre Friedenshymne "Give Peace A Chance" ebenso wie der Weihnachtsklassiker "Happy Xmas (War Is Over)", das politische "Power To The People", "Instant Karma! (We All Shine On)" und "Cold Turkey" - von letzterem Song abgesehen allesamt bei ihrem Erscheinen Top-Ten-Hits.

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