Klimt & Freud

“Rock in Vienna”: Eine Bühne der Superlative

Musik
01.06.2015 19:30
In wenigen Tagen beginnt die erste Auflage des "Rock in Vienna"-Festivals auf der Wiener Donauinsel. Schon bevor Metallica, KISS und Co. für Begeisterung sorgen, lässt sich die einzigartige Bühne bestaunen. Mit 110 Metern Breite ist sie die größte bisher da gewesene in Österreich. Wir haben mit Designer und Mastermind Joachim Luetke die Details abgeklärt.
(Bild: kmm)

"Soulstage" und "Mindstage" weisen beim "Rock in Vienna" ein einzigartiges Design auf und sind Sigmund Freud und Gustav Klimt nachempfunden. Verantwortlich dafür zeichnete der in Schlöglmühl bei Payerbach wohnhafte, bekannte Designer Joachim Luetke, der seit geraumer Zeit besonders im Heavy-Metal-Bereich, aber auch in der Filmwelt und der bildenden Kunst für Furore sorgt. Wir haben mit ihm hinter die Kulissen des "Rock in Vienna"-Designs geblickt und auch seine künstlerische Person genauer beleuchtet.

"Krone": Joachim, wie kam es dazu, dass du für das Bühnendesign des "Rock in Vienna" ausgewählt wurdest?
Joachim Luetke: Werner Stockinger und ich sind alte Weggefährten im Musikbusiness. Vor ein paar Wochen ist er auf mich zugekommen und hat mir seine Vision von einem Festival erklärt. Es sollte anders sein als die bereits bekannten Festivals. Er wolle optisch ganz neue Wege gehen, die Bühnen, das Eingangsportal sollen designt sein, sich einem gemeinsamen Thema unterordnen. Es solle eine eigene Atmosphäre einstehen. Und ob ich Lust hätte, das alles umzusetzen - in sehr kurzer Zeit, versteht sich. Klar hatte ich Lust. Ich liebe "aussichtslose" Herausforderungen (lacht). Nein, Scherz beiseite. Ich bin seit mehr als 20 Jahren im Bereich harter Musik international als Designer tätig und weiß, was geht und was nicht - und was nicht geht, geht trotzdem. So habe ich nicht nur die beiden Bühnen gestaltet, sondern viele weitere Dinge bis hin zu den LKW-Parkgenehmigungen - alles ist einer durchgehenden Corporate Identity unterworfen.

"Krone": Die beiden Bühnen folgen bestimmten thematischen Visionen - welche wären das genau?
Luetke: Unsere Adele (Gustav Klimt) war bereits explodiert, als wir die ersten Aufnahmen von Conchita als ebendiese sahen. Nach kurzem Überlegen haben wir uns dann doch entschlossen, unser Konzept beizubehalten und die Adele-Fragmente wie geplant vor einer "Industrial-Wall" explodieren zu lassen. Das Gegenstück – Sigmund Freud – sollte sich eher aus industriellen Versatzstücken wie Maschinenteilen und Rolltoren herausschälen. Diese symbolisieren die Vielschichtigkeit des Unbewussten, die Ratio, die wissenschaftliche Analyse. Dennoch ist auch er fragmentiert, gleichsam zerrissen, aber auch durchdrungen von Bruchstücken aus Adeles Jungendstil-Ornamenten. Strukturierte Analyse trifft auf überbordende, grenzenlose künstlerische Schöpfungskraft: auf Leidenschaft! Genau das soll "Rock in Vienna" sein! Ob wir zu viel von unserem Publikum erwarten? Nein. Leidenschaft teilt sich mit. Die Liebe zu unserer Musik spiegelt sich im ganzen Design wider und unser Publikum wird das verstehen. Ganz sicher.

"Krone": Präzisiere doch bitte noch einmal kurz, warum Gustav Klimt und Sigmund Freud?
Luetke: Wir haben keine "Blue"- oder "Red"-Stage, sondern eine "Soul"- und eine "Mind"-Stage. Die diesjährigen Protagonisten sind Klimt (Soulstage) und Freud (Mindstage). Wir werden dieses Spannungsfeld jedes Jahr mit anderen österreichischen Protagonisten besetzen und entsprechend wird sich die Festival-Corporate-Identity ändern, anpassen.

"Krone": War es deine Idee, diese zwei Personen dafür auszuwählen und wie viel Zeit hattest du für die Umsetzung?
Luetke: Nein, die Grundidee stammt von Werner Stockinger. Ich hatte ca. vier Wochen Zeit für alles. Das war sehr, sehr knapp und es mussten schnelle Entscheidungen getroffen werden. Nun, "Rock in Vienna" ist ein Festival "from scratch" und wir sammeln noch Erfahrungen - auch bezüglich Vorbereitungszeit. Viele zusätzliche Ideen sind während des Designprozesses entstanden, konnten aber nicht mehr berücksichtigt werden. Dann eben nächstes Jahr. Somit sind noch einige Steigerungen möglich. (lacht)

"Krone": So gut und ausgereift das auch klingt, kann man sich jetzt natürlich die Frage stellen - wozu die ganze Mühe? Reicht dem durchschnittlichen Festivalbesucher nicht der Blick auf Metallica mit einem kalten Bier in der Hand?
Luetke: Nein, eben nicht. Es gibt inflationär viele Festivals und fast alle laufen nach Schema X ab. Viele davon werden nicht überleben. Wir wollen eine eigene Qualitäts-Trademark entwickeln, herausragen aus dem Festivalbrei. Die Bands sollen gerne herkommen, das Publikum soll jedes Mal auf das Angenehmste überrascht sein. Das fängt bei WCs mit Wasserspülung an - anstelle von siffigen Dixies!

"Krone": Welchen Zugang hast du persönlich zu den thematischen Bühnenfiguren Klimt und Freud? Und welchen Zugang hast du allgemein zu den Bands, die auf dem Festival zu sehen sein werden?
Luetke: Ich habe in Wien bildende Kunst studiert. Bei Rudolf Hausner, einem meiner ganz großen künstlerischen Vorbilder. Sollte man nicht meinen, gell? (lacht) Während dieser Zeit habe ich den Einfluss von Klimt und Freud auf die bildende Kunst begriffen. Phantastischer Realismus (Hausner), Surrealismus - beides nicht denkbar ohne die Psychoanalyse. Klimt wiederum hat eine eigene Formensprache innerhalb der gegenständlichen Kunst entwickelt, hat zu seiner Zeit stark polarisiert - was mir sehr entgegenkommt. Zu den diesjährigen Bands: Ich habe natürlich meine Favoriten, aber am meisten freue ich mich auf Faith No More. Diese Band hat mich in den 90er-Jahren sehr geprägt.

"Krone": Erfährst du die Inspiration für deine umgesetzten Ideen aus der Musik? Ursprünglich wolltest du meines Wissens Grafiker werden – wie wurde dann aus dir ein international renommierter Künstler, der vorwiegend mit Heavy-Metal-Bands zusammenarbeitet?
Luetke: Ich hatte kurz nach meinem Studium damit begonnen, das handwerklich Erlernte mit meinen eigenen, eher düsteren Visionen zu verbinden. HR Giger war da mein Vorbild, was sich in meinen Arbeiten auch widerspiegelt. Allerdings habe ich im Laufe der Zeit daraus meine eigene Bildsprache entwickelt. Das musikalische Äquivalent zu meinen Bildwelten war von Anfang an Heavy Metal. Dort hörte ich die gleiche rohe, ungestüme Power, die ich bildnerisch festhalten wollte. Metal wurde quasi zum Soundtrack meiner Kunst. Somit war es nur noch ein kleiner Schritt, meine Kunst mit der Musik zu verbinden und direkt für die Bands zu arbeiten.

"Krone": Du hast später einmal gemeint, dass nur ein visuelles, haptisches Gesamtpaket von einem Album die Menschen heutzutage noch davon abhalten kann, Musik nur runterzuladen. Stehst du noch immer dazu? Hattest du damit messbaren Erfolg?
Luetke: Ja. Die "Limited Editions" werden trotz legaler/illegaler Downloads eines Albums noch immer gekauft. Zumindest in der Metalwelt. Metalfans sind im positivsten Sinne konservativ, was ihr Kaufverhalten angeht. Sie wollen noch immer Haptik und "value for money". Metalfans halten ihren Bands sehr lange die Treue. Das gilt für den Pop-Bereich überhaupt nicht.

"Krone": Du kommst ursprünglich aus dem Phantastischen Realismus, bist dann über die Jahre immer stärker in Richtung Skulpturen oder – wie jetzt bald deutlich sichtbar – Bühnendesign gegangen. Wurde dir die Welt der Malerei schlichtweg zu klein?
Luetke: Absolut! Meine größte Schwäche - oder Stärke - ist, dass mir Dinge nach einer gewissen Zeit langweilig werden. Ich liebe es, mir immer neue Disziplinen zu erobern. Zu lernen, was man dafür können muss. Aber wenn das Erreichte dann zur Routine wird, macht es keinen Spaß mehr und ich suche eine neue Herausforderung. So habe ich in der Vergangenheit ja bereits das Metalcamp-Festival designt sowie diverse Bühnen für Dimmu Borgir und Kreator. Vom Bühnendesign bin ich bereits mit großen Schritten Richtung Filmdesign unterwegs. Wir sind gerade dabei, eine eigene Horrorfilm-Produktion aufzubauen, die englischsprachige Filme entwickelt.

"Krone": Woher kommt diese dunkle Seite an dir? Was fasziniert dich so am Thema Horror?
Luetke: Auf einem Wacken-Bierbnever understand!" Das trifft's irgendwie genau. Ich kann es nicht erklären. Ich wurde so geboren. Oder vielleicht so: Was fasziniert uns an "Star Wars"? Diese stinklangweiligen Rebellen-Waschlappen? Nein! Darth Vader! "Der Herr der Ringe"? Hobbits? Nein! Die Nazgul! Die Reihe kannst du beliebig fortsetzen. Es sind die dunklen Gegenspieler, die wir lieben, die uns in ihren Bann ziehen. Wir heucheln Sympathien für die "positiven Helden", aber das stimmt nicht! In Wirklichkeit wollen wir die Nazgul sehen! Es ist die Faszination des Grenzen-Überschreitens, des Regeln-Brechens. Hier liegt der Erfolg von nahezu allen Kunstformen begründet.

"Krone": Nun wieder auf das "Rock in Vienna" umgemünzt – wie weit konntest du dort beim designen Regeln brechen und Grenzen überschreiten? Mit den schauerlichsten Horrorfantasien musstest du hier doch sicher haushalten?
Luetke: Die durfte ich nicht verwenden. (lacht) Ich bin Profi genug, um einzuschätzen, was geht und was nicht. "Rock in Vienna" soll zwar meinen Look erhalten, aber natürlich sehr gemäßigt. Es geht hier um ein Festival und nicht um einen Horrorfilm. Der Spaß soll hier im Vordergrund stehen - allerdings Spaß mit einem gewissen Tiefgang.

"Krone": Das "Rock in Vienna" hängt auch mit dem "Rockavaria" in München und dem "Rock im Revier" in Gelsenkirchen zusammen. War es kein Thema, dich auch bei den anderen Festivals einzubeziehen?
Luetke: Das ist leicht zu beantworten: "Rock in Vienna" wird von Werner durchgeführt. (lacht)
Das macht den Unterschied. Ich bin aber sehr gespannt auf die Reaktionen der Veranstalter. Sie werden zu ersten Mal ein Rock-Festival mit einem durchgehenden optischen Konzept sehen.

"Krone": Siehst du darin die Zukunft von Rock-Festivals oder Musik-Festivals im Allgemeinen? Es scheint ja doch so, dass sich der Festivalmarkt derzeit rundum übersättigen würde. Immer größer, weiter, mehr. Aber neue Bands und Headliner lassen sich auch nicht erfinden...
Luetke: Optik ist ein wichtiger Faktor, aber es geht um mehr. Das Rundum-Service muss passen. Die Besucher müssen sich wirklich wohlfühlen können und somit gerne wiederkommen. Kurz: Das Qualitätskriterium wird in Zukunft entscheiden, welche Festivals überleben und welche nicht. "Rock in Vienna" hat diesbezüglich einen weiteren, einmaligen Vorteil: Das Festival liegt in Wien! Ein Rockfestival in Verbindung zum Angebot dieser wunderbaren Stadt. Wer bitte soll das toppen?

"Krone": Wien ist ein gutes Stichwort: Du bist in Deutschland geboren, hast dann in der Schweiz studiert und schlussendlich auch in Wien, wo du eben "picken geblieben" bist. Hat dir diese Stadt etwas gegeben, was du sonst nirgends hattest?
Luetke: Ja. Eine sehr hohe Lebensqualität. Und die berühmte morbide Grundfrequenz. Die ist mir natürlich sehr entgegengekommen. Das kann dir keine deutsche Großstadt bieten.

"Krone": Dann bleibt mir abschließend nur mehr zu fragen - welches Feedback erhoffst du dir, wenn dein Bühnenoutfit schlussendlich bald wirklich im Einsatz ist?
Luetke: Ich hoffe einfach, dass die Sachen mit dazu beitragen werden, den Besuchern einen möglichst positiven Eindruck mit nach Hause geben zu können. Damit sie nächstes Jahr wiederkommen - und ihre Freunde mitbringen. (lacht)

Festivalpässe und Tagestickets für das "Rock in Vienna" erhalten Sie unter 01/2530666 oder im "Krone"-Ticketshop.

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