"Krone"-Interview

Sarah Connor: “Kunst muss polarisieren”

Musik
30.05.2015 17:00
Nach fünfjähriger künstlerischer Pause kehrt Sarah Connor nun ins musikalische Rampenlicht zurück und hat die "Muttersprache" - so auch der Titel ihres Comeback-Albums - für sich gefunden. Wir haben die sympathische Sängerin zum entspannten Gespräch getroffen und mit ihr nicht nur über das neue Album, sondern auch über die lange Auszeit, die Liebe zu ihrer Familie und die Probleme einer öffentlichen Person gesprochen.
(Bild: kmm)

"Krone": Sarah, die offensichtlichste Frage stelle ich dir gleich zu Beginn. Nach fünfjähriger Auszeit kehrst du mit "Muttersprache" ins Musikgeschäft zurück und singst erstmals auf Deutsch. Warum?
Sarah Connor: Die Prämisse des Albums war es, das Offensichtliche anzusprechen. Das ist auch Popmusik: ein allgemeines Gefühl aufzugreifen, sich mit der Situation auseinanderzusetzen, genau hinzuhören, welche Stimmungen sich in der Gesellschaft entwickeln und das dann in Musik verwandeln. Ich habe im Studio immer nach der lyrischen Essenz gesucht. Keine Füllworte und wenig Metaphern – ich arbeite nicht gerne damit, weil mir das zu blumig und verklausuliert wird. Ich wollte Dinge direkt beim Namen nennen und viele Zeilen in den Songs sind natürlich von meiner Familie und speziell meinen Kindern inspiriert. Ängste, Freude, Wut, Trauer, Neugier, Verzweiflung, Lust und Liebe – all das spielt natürlich eine Rolle. Das ist die Zweideutigkeit im Titel "Muttersprache".

"Krone": Vielen Menschen fällt das Singen in ihrer Muttersprache schwerer, weil man die Inhalte dann gewissermaßen "ehrlicher" transportiert.
Connor: Ich fand es ehrlich gesagt genau umgekehrt. Man kann sich als deutscher Künstler natürlich gut hinter Englisch verstecken, wenn man will. Es gibt aber nicht so viele deutsche Künstler, die auf Englisch funktionieren, und die Botschaft versteht man auf Deutsch viel klarer. Ich habe erstmals meine Texte selbst geschrieben und zu Themen Haltung bezogen. Ich habe mir zugesprochen, dass ich die Texte genau so vermitteln wollte. Das ist für mich die größere Premiere als die Tatsache, dass es auf Deutsch ist. Die Geschichten in der Muttersprache erzählt kommen natürlich schneller auf den Punkt.

"Krone": Fällt es dir leicht, dass du die persönlichen, teilweise privaten Geschichten der Öffentlichkeit relativ direkt preisgibst?
Connor: Zum Beispiel?

"Krone": Den Song "Bedingungslos" definiere ich beispielsweise als bedingungslose Liebe zu deinen Kindern.
Connor: Absolut, das stimmt schon. Aber warum sollte ich das nicht teilen wollen? Das fühlt wohl jede Mutter und ich erzähle einfach meine persönliche Geschichte. Vor allem im Vers, wo ich davon spreche, dass ich mit 16 ausgezogen bin und mit 23 immer noch dachte, ich weiß alles, aber eigentlich keinen Plan hatte. Das Zitat meines Lieblingsphilosophen lautet auch: "Ich weiß, dass ich eigentlich nichts weiß." Im Deutschen geht es nicht anders. Du musst ein Anliegen haben und aus einer persönlichen Dringlichkeit texten.

"Krone": Bist du der Meinung, dass du Anfang des Jahrtausends vielleicht zu früh und zu jung berühmt geworden bist?
Connor: Nein. Bist du dieser Meinung? (lacht)

"Krone": Das kann ich dir nicht sagen, ich weiß ja nicht, wie sich das plötzliche Rampenlicht für dich angefühlt hat.
Connor: Ich war schon sehr jung und manchmal ungeschützt. Ich musste einige Dinge relativ schnell lernen und viel funktionierte durch "learning by doing". Ich hatte zudem eine große Klappe und habe immer polarisiert. Viele Leute fanden mich ganz toll, viele aber auch ganz schrecklich. Vor allen Dingen war ich aber erst einmal Sängerin. Ich durfte wunderschöne große Songs singen und war der Name auf der Platte. Aber als meine Kinder älter wurden und anfingen, Fragen zu stellen, merkte ich, dass inhaltlich einfach mehr passieren musste. Ich bin nicht blöd und nicht auf den Mund gefallen. Ich schreibe gerne Briefe und warum also schreibe ich nicht meine eigenen Texte? Natürlich plagten mich dann wahnsinnig viele Selbstzweifel und die Plattenfirma sagte auch, sie hätten tolle Leute, die das machen könnten, nach dem Prinzip: "Bitte mach das nicht selbst." (lacht) Es liegt aber in meinem Naturell, dass ich etwas umso mehr machen muss, je mehr man mich von etwas abhalten möchte. Das ist wie ein Zwang. Ich hatte viel Ehrgeiz aber auch eine wahnsinnige Unsicherheit und wollte auch mal alles hinschmeißen. Mein Mann hat mich aber immer aufgesammelt und mir gesagt, ich soll einfach jeden Tag einen Song schreiben. Egal, ob er gut oder schlecht ist. Damit entwickelt man auch ein Selbstbewusstsein und eine Selbstverständlichkeit.

"Krone": Eigentlich hast du deine ersten Songs aber auf Englisch geschrieben.
Connor: Das macht für mich keinen großen Unterschied, weil es trotzdem meine Texte sind.

"Krone": Hattest du bei gewissen Texten schon das Gefühl, dass die genau perfekt passen?
Connor: Ja, bei "Augen auf" zum Beispiel. Der Song wuchs schon lange in mir und ich habe mit Ulf Sommer und Peter Plate viele Songs zusammen gemacht. Auch alleine und mit befreundeten Musikern. Bei gewissen Texten siehst du schon, was sie mit dir machen, wenn du sie liest. Da freue ich mich total, wenn ich sie dann gleich singen kann und sie zum Leben erwecken kann. Ich kenne das Gefühl vom Songtext selbst und wollte es genau einfangen. Manchmal komme ich ja auch schlecht gelaunt von der Arbeit heim und dann kriegt es der ab, der gar nichts dafür kann. (lacht) Aber so kann das Leben mit einem Künstler sein.

"Krone": Der Abschlusssong, "Das Leben ist schön", handelt von deiner eigenen Beerdigung. Ein doch sehr unübliches Thema.
Connor: Es gibt viele unübliche Themen. Bei "Augen auf" geht es auch um mein größtes Anliegen, die Flüchtlingssituation in Europa. "Kommst du mit ihr", wo ich so wütend bin und Dinge direkt anspreche und eben auch "Das Leben ist schön". Ich habe mir gar nicht viel dabei gedacht. Was würde eigentlich auf meiner Beerdigung laufen? Was passiert mit meinen Kindern, wie läuft die Familie weiter, ist alles abgesichert? Gleichzeitig schreibe ich aber nicht mein Testament, sondern lebe zu stark im Jetzt. Das ist so eine abstruse Auseinandersetzung, die wir in Europa oder den westlichen Ländern haben. Bei anderen Völkern gehört der Tod zum Leben dazu – bei uns setzt sich niemand damit auseinander, bis wir an Krebs erkranken, irgendwo stürzen oder jemand in unserem Umfeld stirbt. Uns ist das Thema zu unheimlich. "Das Leben ist schön" ist meine Botschaft an die Menschen, die ich hinterlasse.

"Krone": Bist du ein Mensch, der immer weit vorausplant?
Connor: Da ist ein großer Widerspruch in mir. Einerseits denke ich darüber nach, andererseits lebe ich aber total im Jetzt. Meine Kinder sind kluge und intelligente Menschen, die würden schon zurechtkommen, aber der Gedanke an den Tod ist schrecklich. Ich liebe das Leben und will noch viele schöne Momente erleben. Ich weiß aber nicht, was mich erwartet. Vielleicht stehe ich bei meiner eigenen Beerdigung als Geist daneben und rege mich über die Scheißmusik auf und darüber, dass alle weinen, anstatt mich noch einmal zu feiern. Darum musste dieser Song sein.

"Krone": Deine Kinder waren sicher ein Hauptgrund dafür, dass du dich vor fünf Jahren aus dem Rampenlicht zurückgezogen hast. Wann reifte der Entschluss, wieder dorthin zurück zu wollen?
Connor: Ich hätte auch noch weitere fünf Jahre so weitermachen können. Ich entwickelte ein gewisses Selbstbewusstsein und als die Songs immer besser wurden, wurde das ganze Thema konkreter. Es fühlte sich einfach alles gut und authentisch an. Nach meiner Teilnahme bei "Sing meinen Song" wurde auch meine Plattenfirma etwas dränglich und wollte einen neuen Deal machen. (lacht) Irgendwann kam mein Sohn aus der Schule und fragte mich, wann ich denn endlich ein neues Album machen würde, weil ich doch schon so viele Songs hatte. Kinder stellen manchmal die einfachsten, aber coolsten Fragen. Eigentlich hatte er recht und so habe ich es dann mit den deutschen Songs probiert. Ich fand das wirklich süß, weil er erstmals auch Teil an meinem Leben nahm. Irgendwann mischten sich dann die Leute von außen ein und m. Sie wollten Euphorie, es sollte verliebt klingen. Für einen Moment dachte ich dann, dass das nicht ich sei. Ich ließ mich dann auch nicht überreden, die große Euphorie mit vielen Regenbögen kam nicht. Meine Songs haben heute nicht ausschließlich etwas Lebensbejahendes. Man kann das Gute nur genießen, wenn man das Schlechte kennt. Ich kann keine leichten Katy-Perry-Songs schreiben. Mit ein bisschen Abstand fand auch die Plattenfirma alles großartig und hat mein Konzept verstanden.

"Krone": Es ist ja schön, wenn man bei den Songs öfter hinhören muss.
Connor: Genau. Bei "Halt mich" haben sie sich über den Inhalt gestritten und genau deshalb musste der Song so bleiben, wie er war. Kunst ist erst Kunst, wenn sie polarisiert und wenn es viele Arten der Interpretation gibt.

"Krone": Mit dem Album kommen jetzt auch zahlreiche Interviewtermine und zig andere Dinge, die dir nicht so gefallen. Würdest du bestimmte Dinge anders machen als früher, in deiner "ersten Phase" der großen Berühmtheit?
Connor: Ich mache schon seit fünf Jahren viele Dinge anders. Ich denke eher darüber nach, was ich mache. Mir ist wichtig, dass sich alles total auf die Musik konzentriert, dass ich immer alles, was ich mache, verantworten kann und damit glücklich bin. Ich möchte bei Interviews nicht, dass man mir über mein Umfeld oder meine Familie allzu private Fragen stellt, aber natürlich rede ich gerne über meine Kinder und die Liebe zu ihnen, weil sie die größte Inspiration zu meinen Songs sind. Ich bin einfach bewusster als früher.

"Krone": Du hattest damals das große Glück, dass die ganzen Social-Media-Kanäle noch in ihren Kinderschuhen steckten.
Connor: In der Beziehung bin ich aber Profi. Für mich ist das ein Luxus, weil ich es selbst kontrollieren kann. Nicht wie bei einem Interview, wo du darauf angewiesen bist, dass der Leser seinen Tonfall richtig aufgreift und nicht den Beistrich versetzt, wodurch du ganz anders klingst. Oder die Zitate aus dem Zusammenhang gerissen und daraus Überschriften gemacht werden. Das ist der Job der Zeitungen, aber bei Facebook oder Twitter ist es schon toll, dass wir direkt kommunizieren können. Bei jüngeren Künstlern, vor allem aus den USA, ist die Hemmschwelle niedriger – diese Generation bin ich aber nicht mehr. Hätte ich von Anfang an Facebook gehabt – wäre ich da auch so Miley-Cyrus-mäßig unterwegs gewesen? Wahrscheinlich schon. Du musst das erst einmal machen, das mit 19 oder 20 so durchzuziehen. Du holst dir damit ja die verletzendsten und übelsten Beschimpfungen bei deinen Kommentaren ein, wenn du deine Brüste zeigst. Wenn sich Miley mal entblößt, gibt es viele, die sie für ihren Mut bewundern und dass sie so rebellisch ist, aber auch ganz viele, die sie medial verhauen. In den USA durch die prüde Doppelmoral gibt es schon viel Dresche. Mit 20 hatte ich in einer Fernsehsendung mal das falsche Kleid an und bezog dafür mediale Prügel. Das war meine erste Erfahrung überhaupt. So etwas möchte ich in dem Alter nicht noch mal erleben. Heute haben die Leute anscheinend eine andere, dickere Haut.

"Krone": Du konntest in deiner Auszeit in Ruhe firm mit den sozialen Netzwerken werden.
Connor: Genau, und ich finde es schön, dass ich mit der Community direkt kommunizieren kann. Ich kann Songs posten, Witze machen oder auch mal einen Witz verlangen, wenn ich allein bin. Ich lache mich dann kaputt, weil ich viele tolle Reaktionen bekomme. Ich habe einfach keine Lust, heute noch so stark Popstar zu sein und mich so zu exponieren. Ich genieße es, zu verreisen und nette Gespräche zu führen. Ich kommuniziere gerne, aber ich mache mir keine Sorgen mehr, ob meine Fingernägel passen oder meine Haare immer perfekt sitzen. Ich bin viel entspannter als früher. Das war früher auch ein Zeichen meiner Unsicherheit.

"Krone": Das Tolle daran ist ja, dass du als Person der Öffentlichkeit auch deinen Kindern einen vernünftigen Umgang mit der Social-Media-Welt lehren kannst.
Connor: Die wachsen natürlich ganz anders auf und halten mit acht oder nun schon PowerPoint-Präsentationen, können mit iPads umgehen, arbeiten mit Touchscreen und machen Shortcuts. So schnell wie mein Sohn mit elf am Computer ist, da kann ich ihm gar nicht folgen. Wir haben zu Hause aber klare Regeln, was die Nutzung von Computern, Fernsehen und Medien im Allgemeinen angeht. Mein Sohn wollte auch einmal einen YouTube-Channel, aber ich sagte nein. Das braucht er mit elf Jahren noch nicht. Er kann gerne Videos machen und sie via Whatsapp teilen, aber ich will nicht, dass er öffentlich so zugänglich ist. Das ist zu früh. Es ist wichtig, das Bewusstsein über die Risiken zu schärfen, und da sind meine Kids schon ganz gut. Aber die Verlockung ist natürlich groß und wenn sie wollen, können sie sich alles ansehen. Klar sind Horrorfilme spannend und Filme ab 16 aufregend, aber überlege dir vorher, was es mit deinem eigenen Kopf macht. Dann entscheide selbst. Ich kann ihnen nicht alles verbieten und immer aufpassen. Einige Erfahrungen müssen sie selbst machen. Etwas Verstörendes zu sehen, wodurch man sich dann nicht mehr in den Keller traut und nicht mehr ruhig schlafen kann. Mit drei Kids im Schulalter gibt es solche Situationen natürlich öfter.

"Krone": Was machst du jetzt eigentlich mit deinen vielen englischen Songs, die du geschrieben hast? Wird es Sarah Connor nur mehr auf Deutsch zu hören geben?
Connor: Die werde ich schon noch rausbringen. Irgendwie und irgendwo. Ich liebe diese Songs und ich werde nicht zwanghaft auf der deutschen Schiene bleiben. Ich wollte aber als Erstes zeigen, dass bei mir eine Entwicklung stattgefunden hat. Da war es ganz klar, das auf Deutsch zu machen. Ich bin nicht mehr nur eine Pop-Stimme, die ebendiese großen Songs leiht, sondern es sind Geschichten, die ich selbst erzähle.

"Krone": Du hast dich auch stark für die Produktion und das ganze Drumherum interessiert.
Connor: Ich wollte alles selber machen. Ulf, Peter und Co. haben mich aber wirklich gut unterstützt und aufgefangen.

"Krone": Die sind in ihren Bereichen auch absolute Genies. Kann man von ihnen viel lernen?
Connor: Sie sind total intuitiv, so wie ich. Natürlich sind sie viel erfahrener, weil sie Platten schon öfter produzierten. Ich kann selber auch gar nicht beurteilen, ob man deshalb hier und dort einen Rosenstolz-Einfluss bei mir hört. Es ist mir auch egal. Solange sich alles für mich authentisch anfühlt, kann es gern auch wie Rosenstolz oder Bob Dylan klingen.

"Krone": Wer ist denn der König im Song "Mein König"?
Connor: Mein Mann natürlich. Den Song habe ich ihm zum Geburtstag geschenkt und der war gar nicht für das Album bestimmt. Dazu habe ich einen kleinen Videoclip gemacht, wo alle seine besten Freunde, die Kids, die Familie, aber auch Rastafari und Polizisten aus Berlin mitsingen. Ich habe ihm das dann geschenkt und er durfte natürlich entscheiden, ob der Song auf die Platte kommt oder nicht. Er war aber total stolz darauf und wollte ihn schon darauf hören. (lacht)

"Krone": Im September hast du schon einige Deutschland-Dates fixiert und kommst mit dem neuen Material doch sicher auch nach Österreich?
Connor: Bestimmt, aber die Planung überlasse ich natürlich meiner Konzertagentur, deshalb kann ich dir noch nichts Genaues dazu sagen. Ich bin aber auch bei der "Starnacht am Wörthersee", darauf freue ich mich sehr. Da nehme ich auch meine Kinder mit und werde ein paar Tage Urlaub dranhängen. Ich war lange nicht mehr am Wörthersee.

"Krone": Was hättest du gerne das die Leute sagen, wenn sie "Muttersprache" hören?
Connor: Ich hoffe, dass es die Menschen bewegt und ich ihre Gefühle und ihr Empfinden treffe. Dass sie sich auch denken, dass es ihnen genauso gehchöneres könnte ich mir gar nicht wünschen.

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