Aus für Freemium?

Richtungskampf in Musikbranche um Gratis-Streaming

Web
16.05.2015 08:00
Die arg gebeutelte Musikindustrie wittert nach Jahren des Schrumpfens die Aussicht auf Wachstum. Hoffnungsträger sind die neuen Streamingdienste, doch in der Branche tobt ein Richtungsstreit, den die Kunden direkt zu spüren bekommen könnten: Denn wenn es nach dem Willen einiger Musikkonzern geht, sollen Gratis-Angebote im Netz abgeschafft oder zumindest eingeschränkt werden.

Gestritten wird vor allem darum, wie umfangreich das kostenlose Angebot sein darf. Der Chef des weltgrößten Musikkonzerns Universal Music, Lucien Grainge, macht Druck, stärker auf kostenpflichtige monatliche Abos zu setzen. Andere mahnen zur Vorsicht und sehen das heutige Freemium-Modell mit einem Gratis-Angebot auf der einen und bezahltem Premium-Service auf der anderen Seite als Lösung im Kampf gegen Internetpiraterie.

Bedeutet das Ende von Gratis-Musik mehr Raubkopien?
Eine warnende Stimme kommt direkt aus der Chefetage eines der drei übriggebliebenen großen Musikkonzerne. "Ich denke, bevor Leute beschließen, dass Freemium auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden sollte, müssen wir sehr gründlich über die Konsequenzen nachdenken", sagte Warner-Music-Chef Stephen Cooper. Wenn man versuchen würde, die Menschen durch das Austrocknen des Gratis-Angebots in Abo-Modelle zu zwingen, würde das nur zur Folge haben, dass sie wieder mehr raubkopierte Musik aus dem Internet saugen werden, argumentierte er.

Ähnlich sieht man es beim französischen Musikdienst Deezer. "Aktive Nutzer eines kostenlosen Streamingdienstes wechseln irgendwann zur Premium-Variante, das sehen wir ganz genau an den Zahlen", sagte Michael Krause, der bei Deezer für das Geschäft im deutschsprachigen Raum zuständig ist. Das könne zwar lange dauern - "aber das passiert irgendwann". Auch Krause sieht die Gefahr, den Wandel im Nutzerverhalten abzuwürgen: "Wenn es diese werbefinanzierte Gratis-Nutzung nicht gäbe - wie viele Nutzer würden notgedrungen ein Premium-Abo abschließen und wie viele würden erst wieder auf Piraterie zurückgreifen?"

Streaming wächst, aber wirft nur wenig ab
Die aktuellen Zahlen aus der Musikbranche zeigen eine wachsende Rolle der Streamingdienste. Im vergangenen Jahr hatten sie nach Schätzung des Branchenverbandes IFPI einen Anteil von 14,6 Prozent am weltweit insgesamt knapp 15 Milliarden Dollar großen Musikmarkt. Die Gratis-Angebote sorgen zwar für den Zustrom der Nutzer, den Großteil des Geldes in dem neuen Geschäft bringen allerdings die Abo-Einnahmen von den zahlenden Kunden, und die sind bei den Streamingdiensten klar in der Minderheit.

Beim Marktführer Spotify etwa hat nur jeder Vierte der 60 Millionen Nutzer ein kostenpflichtiges Abonnement, bei Deezer sind es sechs von 16 Millionen. Aber laut IFPI-Zahlen brachten rund 41 Millionen Abo-Kunden weltweit der Industrie 1,6 Milliarden Dollar ein. Das wären 10,6 Prozent der Gesamteinnahmen und ein Löwenanteil der Erlöse aus dem Streaming von Musik.

"Gratis-Angebote werden Künstler nicht nachhaltig aufrechterhalten können"
Insgesamt hat das sogenannte digitale Geschäft gerade erst die Umsätze mit physischen Tonträgern wie der CD überholt. Und den Großteil davon macht nach wie vor der Verkauf von Downloads aus. Doch inzwischen werden von Jahr zu Jahr weniger Songs heruntergeladen. Und die Abo-Erlöse gehen um 39 Prozent hoch. Kein Wunder, dass Universal-Music-Chef Grainge diese Welle reiten will. Zugleich befürchtet er ein Wegbrechen der Einnahmen, wenn alle Welt auf Gratis-Streaming umsteigt.

"Werbefinanzierte Abruf-Angebote werden nicht das Ökosystem aus Künstlern und Investoren nachhaltig aufrechterhalten können", sagte er beim Auftritt auf einer Konferenz des Technologieblogs "Recode" im Februar. Der Umstieg auf das Modell müsse beschleunigt werden, lautet seine Lösung.

Berichten zufolge gibt es aus der Musikbranche Druck auf Spotify, das Gratis-Angebot in Zukunft stärker einzuschränken, etwa bei der Zahl der Songs. Bereits jetzt gibt es in der kostenlosen Version des schwedischen Dienstes Werbe-Unterbrechungen, der Nutzer kann die Abfolge der Songs nicht bestimmen und nur wenige Male zum nächsten Titel weiterspringen.

Freiwillige Gratis-Spenden für YouTube
Zugleich schneide sich die Musikindustrie aber ins eigene Fleisch, weil sie die meisten Neuveröffentlichungen auf Videoplattformen wie Googles YouTube gratis und werbefinanziert verfügbar mache, kritisiert Deezer-Manager Krause. "Wenn man schon darüber diskutiert, muss man diese Streams auch mit einbeziehen."

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