"Krone"-Interview

The Preatures: “Langeweile ist der kreative Tod”

Musik
23.03.2015 11:44
Aus dem fernen Australien kommend ist es gar nicht so einfach, in Nordamerika oder Europa eine gewichtige Rolle in der Pop-Musik-Landschaft zu spielen. The Preatures hatten mit der Erfolgssingle "Is This How You Feel?", dem Debütalbum "Blue Planet Eyes" und einer ersten ausgedehnteren Europa-Tour, die sie auch ins Wiener Chelsea führte, zumindest schon eine Wagenladung Vorschusslorbeeren mit an Bord. Vor dem Gig trafen wir die sympathische Band zum entspannten Gespräch, das sich nicht nur um den großartigen Indie-Pop ihres Albums, sondern auch um den Gott des Bieres, die Verbundheit zur australischen Heimat und das Schloss Schönbrunn drehte.
(Bild: kmm)

"Krone": Hallo Leute. Schön, euch erstmals in Wien zu sehen.
Isabella Manfredi: Fast zum ersten Mal. (lacht) Jack war schon hier, als er 15 war.

"Krone": Blieb dir von diesem Aufenthalt noch etwas in Erinnerung?
Jack Moffitt: Auf jeden Fall, ich habe echt viel gesehen. Das Schloss Schönbrunn könnte ich niemals vergessen, auch die Ringstraße habe ich noch genau vor mir.

"Krone": In diesem Fall seid ihr aber nicht auf Sightseeing-, sondern auf Konzert-Tour. The Preatures leitet sich von The Preachers ab – ein Name, den ihr aufgrund vieler Gleichheiten aufgeben musstet. Wurden euch damals auch rechtliche Konsequenzen angedroht?
Gideon Benson: Wir waren da selber wohl noch schnell genug. Hätten wir schon ein Album unter dem alten Namen veröffentlicht, hätte es wohl spätestens dann rechtliche Probleme gegeben.
Moffitt: Wenn du "The Preachers" im Internet googelst, würdest du auch nie zu uns finden. Das Christentum hat da ja schon alles reserviert. Da gibt es Millionen von Einträgen und wohl auch Bands. Ich denke da zum Beispiel an eine kalifornische Band aus den 60er-Jahren. Wir haben also ganz am Anfang nicht wirklich mitgedacht und diese Scharte selber früh genug ausgewetzt. Zudem gibt es bei uns in Australien eine Brauerei namens "Little Creatures". Auch davon ist unser Bandname abgewandelt, schließlich mögen wir das Bier ziemlich gerne.

"Krone": Euer Bandname transportiert also eine Mischung aus Bier und Religion?
Moffitt: (lacht) Die zwei großen Heiligtümer.

"Krone": Seid ihr auch ernsthaft an Religion interessiert?
Manfredi: Auf jeden Fall, wir sind jetzt nicht selbst praktizierend, aber wenn wir eine Kirche betreten, dann haben wir schon einen gewissen Respekt. Gideon ist außerdem jüdisch, wir erfahren also auch viel voneinander.
Thomas Champion: Wir sind eher vom kulturellen als vom traditionellen Standpunkt aus an Religion interessiert. Es ist ziemlich individualistisch, jeder hat so seine eigenen Vorlieben, wie er Religion sieht und damit umgeht.

"Krone": Aber keiner von euch betet vor dem Auftritt?
Moffitt:(lacht) Zu bestimmten Göttern. Den Gott des Bieres zum Beispiel. Aber das gilt auch nur wieder für mich und nicht für alle.

"Krone": Die Texte auf eurem Debütalbum "Blue Planet Eyes" drehen sich aber weniger um Religion, sondern stark um Beziehungen. Fließen da ausschließlich erlebte Erfahrungen ein?
Manfredi: Durchaus, es ist aber nicht alles autobiografisch. Manchmal habe ich einfach einen Text geschrieben, um den Song fertig zu kriegen. Da geht es dann eher um Vorstellungskraft und ein bisschen Fantasie.

"Krone": Fühlst du dich nicht nackt, wenn du deine eigenen Beziehungsprobleme für alle Hörer da draußen aufs Tablett legst?
Manfredi: Nein, ich bin eine Songwriterin, das ist einfach mein Job. Außerdem ist das Album nicht so persönlich, wie du das jetzt vielleicht vermutest. Es gibt natürlich Nummern, die für mich persönlich sehr wichtig sind, aber genauso gibt es Songs, die einfach nur dastehen, ohne einen tieferen Sinn zu besitzen. Ich bin aber grundsätzlich der Meinung, dass ein großartiger Song nicht zwingend eigene Erlebnisse behandeln muss. Aber natürlich "Business, Yeah", wo ich das Musikbusiness abhandle, bedeutet mir natürlich viel.

"Krone": Wann habt ihr eigentlich damit begonnen, an diesem Album zu arbeiten?
Manfredi: Bevor wir in Austin begannen, die Songs aufzunehmen hatten wir etwa die Hälfte des Albums fertig. Begonnen haben wir damit wohl schon indirekt mit Gründung der Band 2010. Jedenfalls bestand die andere Hälfte des Albums nur aus kleinen Stücken. Wir haben die neuen Songs dann bei diversen Liveshows probiert und auf die Rezeption der Zuseher gewartet. "Somebody's Talking" war zum Beispiel nur eine Überschrift ohne Hintergrund – bis daraus ein ganzer Song wurde. Richtig aktiv habe wir ab etwa Jänner 2010 an den Songs gefeilt.

"Krone": Was bedeutet euch der Titel "Blue Planet Eyes"?
Manfredi: Ich mag einfach die Wörter und den Klang, wenn man sie verbindet. Jack schnappte sich einmal im Studio den Bass und hat eine halbe Stunde darauf herumgeklimpert. Ich habe mir das angehört, bin spontan eingestiegen und mir kam "Blue Planet Eyes" in den Sinn. Die Kombination dieser Wörter klang einfach schön. Es ging um den Vibe und nicht um eine kosmische Botschaft oder so etwas. (lacht) Gideon hat zudem ziemlich große Augen – das hat damit aber nichts zu tun.

"Krone": In eurer Heimat Australien seid ihr mit der Single "Is This How You Feel?" groß durchgestartet und vom "GQ-Magazine" etwa zur Band des Jahres gewählt worden. Wie überraschend war der Erfolg und was hat sich seither verändert?
Benson: Das war schon überraschend und mit diesem Song assoziieren uns auch die Menschen. Wir mögen den Song auch sehr gerne.
Manfredi: Viele Bands, die man schnell als "One-Hit-Wonder" abstempelt, fühlen sich mit ihrem bekanntesten Song nicht wohl. Wir stehen aber total drauf und freuen uns jedes Mal, ihn live spielen zu können.
Moffitt: Mit diesem Song haben wir auch gute persönliche Erfahrungen. Wir haben uns damit musikalisch emanzipiert und es war so ein Startschuss zu unserem aktuellen Songwriting. Wir waren sehr stark von Brooklyn-Musik wie Roxy Music oder den Talking Heads beeinflusst – es gab in New York einige Sub-Labels, bei denen wir viele tolle Bands und Sounds entdeckten, die uns unweigerlich inspirierten. Da war auch viel Prince dabei. Es hat uns daraufhin wie magnetisch in diese Richtung gezogen und mitunter auch unseren Stil definiert. Oftmals hast du auf einer Tour Ideen, die du dann wegwirfst, weil dir gerade was anderes wichtiger ist. Dann kommt diese Idee aber nie mehr zurück. Wir haben uns immer darauf konzentriert, nichts zu verschenken und darauf achtzugeben.

"Krone": Auffallend auf eurem Album ist die ziemlich große Stilvielfalt. Fällt es euch da manchmal schwer, all diese Ideen zu einem guten Song zu bündeln?
Moffitt: Mitunter schon, aber genau das macht die Sache doch aufregend. Es geht nicht um persönliche Geschmäcker und Befindlichkeiten, weil das Ergebnis für The Preatures einfach passen muss. Wenn eine Idee gut ist, ist es auch völlig egal, woher sie kommt. Es ist gut, wenn man immer ein bisschen aufgewühlt oder kribbelig ist, weil man dann oft sehr gute Einfälle hat. Langeweile ist der kreative Tod.

"Krone": Wie würdet ihr die Essenz eines Preatures-Songs charakterisieren?
Benson: Wir fünf. Die fünf unterschiedlichen individuellen Charaktere, bei denen jeder einzelne seinen Stempel draufgibt. Einer muss einfach die Grundstruktur präsentieren und die Magie setzt dann ein, wenn plötzlich alle von uns verschiedene Ideen dazu haben und daraus ein Song entsteht. Es klingt verrückt, aber genau so funktioniert es.
Moffitt: Es ist durchaus verrückt, überhaupt in einer Band zu sein. Das kennt jeder Musiker, dass er mal glaubt, er hätte die ultimative Idee, spielt sie allen anderen vor und erntet nur ungläubiges, schockiertes Kopfschütteln. Daraus lernst du am meisten, aber es ist auch eigenartig. Je mehr Zeit in einer Band vergeht und je öfter man live auf der Bühne steht, umso feiner und austarierter wird aber auch der Ideenprozess. Man lernt, auch mit Kleinigkeiten zufrieden zu sein, weil man dafür das Beste gegeben hat. So würde ich auch unseren Sound definieren. Es ist diese einsetzende Klarheit einer Idee. Das klingt wohl ein bisschen lahm, aber genau so ist das bei uns. (lacht)

"Krone": Bricht einitt: Ich glaube nicht. Das würde einfach nicht klappen.

"Krone": Ungewöhnlich für die heutige Zeit – ihr habt bei Mercury Records unlängst einen Deal für fünf Alben unterschrieben. Und das, obwohl Alben heute ja gar nicht mehr zeitgemäß sind.
Manfredi: Fünf Leute, fünf Alben. (lacht) Da darf dann jeder einmal seinen Kopf durchsetzen und so wird es mal ein Americana-Album geben, genauso wie ein Bass-Solo-Album. (lacht)
Moffitt: Warum glauben eigentlich alle, dass niemand mehr ganze Alben anhört? Ich sage hiermit: Das stimmt nicht. Natürlich gibt es die ganzen Top-40-Charts, an denen sich die Leute orientieren, um dann eben jene Single auf iTunes zu kaufen, aber es gibt noch genug Leute, die Alben kaufen und auch hören.
Manfredi: Es geht um die richtige Präferenz. Das fertige Album ist einfach die Spitze einer Kunstform im Popmusik-Bereich. Wenn Menschen von einer Art "Single-Markt" sprechen, erinnert mich das eher an die 40er- bis 60er-Jahre, wo Alben wirklich nichts zählten. Die Beach Boys und die Beatles haben zu Beginn der Popkultur auch auf Singles gesetzt, das Album aber trotzdem in den Mittelpunkt gestellt. Es geht einfach darum, dass sie ihr Handwerk beweisen müssen. Das muss jede Musik. Egal ob John Cage 4:33 Minuten der Stille präsentiert oder die Beatles Pop machen. Die Konsumenten lieben Singles, weil sie daraus wählen können, in welche Richtung sie sich orientieren, aber für den Künstler zählt am Ende nur das Album. Durch die steigende Single-Kultur wird das Pop-Geschäft wieder wegwerfbar.
Moffitt: Das hat natürlich auch mit dem Alter zu tun. Wir alle sind noch mit vollen Alben aufgewachsen. Wenn du heute ein Kid bist, dass von klein auf mit Streaming-Diensten zu tun hat, dann interessiert dich das nicht. Du kannst weiterskippen oder eine Zufallswiedergabe einstellen – was immer du willst. Und das mit einem Knopfdruck. Ich bin noch mit Limewire aufgewachsen – klar, dort konnte ich auch schon Songs downloaden. Aber dass ich sie nicht mal mehr downloaden muss, das ist schon heftig heute. Für uns ist es daher umso wichtiger, die Kraft in ein Album zu stecken, denn erstens sind dort Teile von uns allen fünf vorhanden und zweitens ist es eine Herausforderung, "Singles-Hörer" eben doch abzuholen und mit unserem Album zu überzeugen.
Manfredi: Ich will einfach sagen, dass Alben so lange zeitgemäß sind, so lange Künstler die Lust haben, welche zu machen. So lange wird das Ganze sich auch weiterdrehen.

"Krone": Australien ist für eine Weltkarriere doch recht weit weg. Überlegt ihr, eventuell in die USA oder nach Europa zu ziehen?
Manfredi: Nein, das war noch nie ein Thema. Warum auch? In Australien gibt es viele coole Plätze, vor allem in Sydney gibt es eine wirklich starke Musikszene. Außerdem wird es dort niemals wirklich kalt. (lacht) Ich glaube nicht, dass wir in Übersee irgendwas finden würden, was uns elementar verändert. Sydney ist die Stadt, die uns anders und einzigartig macht, und daher sehe ich keinen Grund, von dort wegzuziehen.
Moffitt: Auch wenn ich das jetzt einem Österreicher sage und das wohl sonderbar klingt – aber du musst auch mal den Kaffee bei uns probieren. Der ist einfach unglaublich. (lacht)

"Krone": Vor den Preatures habt ihr eigentlich als Rolling-Stones-Coverband angefangen. Wo sind all die Einflüsse hin? Ich finde keine.
Manfredi: Das ist sehr gut. Übrigens ist das ein typischer Wikipedia-Fehler, dass wir als "Bad Rolling Stones Covers" gestartet wären. Naja, vielleicht habe ich das einmal in einem Interview gesagt, aber es stimmt nicht wirklich. Das hat einfach irgendjemand vorschnell übernommen. Da sind wir vielleicht ein bisschen selber schuld. Wir haben nur einen Stones-Song gecovert und sonst einige von vielen anderen Bands. Zum Beispiel von Patti Smith, Bob Dylan oder The Band.

"Krone": Aber ihr habt die Stones 2014 auf ihrer Australien-Tour begleitet?
Manfredi: Das stimmt. Es war einfach unglaublich. Es war nur eine Show, aber unvergesslich. Wir haben sie sogar getroffen, Fotos gemacht und kurz mit ihnen gequatscht. Das sind absolut nette Kerle, da war nichts zu sehen von irgendwelchen Starallüren. Es war eine einmalige Erfahrung.

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