"Kannte die Gefahr"

Nachbarin: Libyen-Geisel “ein Bär von einem Mann”

Österreich
10.03.2015 11:54
Eine Nachbarin jenes 39-jährigen Linzers, der nach einem Angriff der Terrormiliz Islamischer Staat auf ein Ölfeld in Libyen gemeinsam mit mehreren anderen Personen vermisst wird, sagt über den Verschleppten: "Er kannte die Gefahr." Sie hoffe, dass der Mann mit seinen Entführern "diplomatisch" umgeht, meinte die Frau am Dienstag, denn: "Er nimmt sich nie ein Blatt vor den Mund, er fühlt sich unverletzbar. Er ist ja auch ein Bär von einem Mann."

Unbestätigten Medienberichten zufolge ist der Linzer ein Ex-UNO-Soldat, der für das maltesisch-österreichische Unternehmen VAOS (Value Added Oilfield Services) in Libyen tätig ist. VAOS ist als eine von wenigen ausländischen Firmen in Libyen noch auf mehreren Ölfeldern tätig und liefert Fachkräfte, Catering und Infrastruktur.

"Möge dieses Haus Platz für Frieden und Erholung sein"
Der Mann wohnt im Süden von Linz in einer schmucken Reihenhaussiedlung. Die Jalousien an den Fenstern sind fast alle heruntergelassen, im kleinen Garten steht ein gemauerter Griller. An der Eingangstür hängt ein Schild mit der Aufschrift "Möge dieses Haus für jeden Gast Platz für Frieden und Erholung sein". Am Boden liegt eine Fußmatte von VAOS, daneben Schlapfen und Sportschuhe, als hätte sie ihr Besitzer nur kurz ausgezogen.

In der Siedlung sind tagsüber nicht viele Menschen anzutreffen. Die meisten sind berufstätig, die Kinder sind in der Schule. Die Nachbarin schildert ihren vermissten Anrainer als "sehr nett, aber doch zurückhaltend. Er ist nicht der Nachbar, mit dem man sich öfter auf einen Kaffee zusammensetzt. Er ist ja auch nicht viel daheim." Wenn das doch der Fall war, habe er sich liebevoll um seine beiden Kinder gekümmert, die ihm sichtlich viel bedeuten würden.

Krisenstab tagt, bisher keine Lösegeldforderung eingelangt
Laut Außenminister Sebastian Kurz gibt es weiterhin keinen Kontakt zu dem Oberösterreicher, auch noch kein Lebenszeichen. Der im Ministerium eingerichtete Krisenstab tage weiter. Man wisse, dass am Freitag ein Angriff auf ein Ölfeld in Libyen stattgefunden hat und dabei der Österreicher sowie acht weitere Personen von IS-Terroristen verschleppt wurden, sagte Kurz. Alle bisher vorhandenen Informationen seien an die Presse weitergegeben worden, "sobald es neue Entwicklungen gibt, werden wir Sie informieren", so Kurz.

Bundeskanzler Werner Faymann wollte indes nicht über etwaige Lösegeldforderungen spekulieren, eine solche "steht zur Stunde nicht an". Faymann erklärte Dienstagmittag nach dem Ministerrat, dass von österreichischer Seite alles unternommen werde, um Hilfestellung zu leisten. In der Regierungssitzung habe man "mit Sorge" über den Fall gesprochen. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner sprach von einem abgestimmten und einvernehmlichen Vorgehen. Er hoffe auf "positivere Nachrichten", auch wenn derzeit nichts darauf hindeute.

Experte: Propagandawert geringer als bei einem Amerikaner
Für den Terrorexperten Peter Neumann ist es nicht unwahrscheinlich, dass der 39-Jährige noch am Leben ist. Er gehe davon aus, dass die Dschihadisten am ehesten auf Lösegeld aus sind, sagte Neumann am Montag in der "ZiB 2". Die beiden anderen naheliegenden Motive für eine solche Entführung - ein Gefangenenaustausch oder eine Propagandaaktion - hält der Experte für nicht wahrscheinlich. "Ich denke, dass der Österreicher keinen so großen Propagandawert hat wie zum Beispiel ein Amerikaner. Es gibt auch keine Gefangenen zum Austauschen." Daher denke er, "dass der Islamische Staat in Libyen wirklich nach dem Geld sucht".

Der am King's College in London tätige Experte verwies darauf, dass europäische Staaten - "auch zum Teil Österreich" - in der Vergangenheit in ähnlichen Entführungsfällen Lösegeld gezahlt hätten, um Entführte freizubekommen. Das sei aber "nicht unbedingt einfach gemacht" worden, "das heißt, man hat dann schon zwei, drei, vier Jahre verhandelt". Oft seien die Verhandlungen aber nicht direkt gelaufen, sondern über Mittelsmänner, und hätten Jahre gedauert. Zunächst gelte es einmal, einen Kommunikationskanal zu den Entführern aufzubauen, so Neumann.

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