"Krone"-Rezension

Imagine Dragons halten dem großen Druck stand

Musik
23.02.2015 08:00
Mit dem Debütalbum "Night Visions" und den Single-Auskoppelungen "Radioactive", "Demons" und "Top Of The World" spielten sich die Imagine Dragons weltweit an die Spitze der Mainstream-Charts. Überrumpelt vom plötzlichen Erfolg, hat sich das US-Quartett dennoch genug Zeit und Muse gelassen, um den Nachfolger nicht voreilig abzufeuern. So ist "Smoke + Mirrors" ein überraschend gelungenes Werk, das zur Sicherheit aber Netz und doppelten Boden verwendet.
(Bild: kmm)

Der Aufstieg war kometenhaft. Innerhalb von nur wenigen Monaten verwandelten sich die Imagine Dragons von einer Las-Vegas-Casinoband in eine internationale Top-Truppe. Für Frontmann und Hauptsongwriter Dan Reynolds keine leichte Sache, denn mit dem aufkommenden Ruhm war auch die Anonymität passé. Plötzlich befand er sich in Gesellschaft illustrer Namen wie Ringo Starr oder Lionel Richie – Sir Paul McCartney, Beatles-Legende und einer der größten noch lebenden Pop-Musiker schrieb ihm erst Brief und umarmte ihn später auch noch. Das muss erst mal verdaut werden.

Weltweite Erfolgsstory
Verantwortlich für den plötzlichen Erfolg war nicht zuletzt das Computerspiel "Assassin's Creed III", ein internationaler Top-Seller, der den wuchtigen, mit elektronischen Elementen verzierten Indie-Stampfer "Radioactive" als Titellied hatte. Rund um den Globus ließen sich immer größere Heerscharen von Fans von Reynolds' intensiver Stimme und der wuchtigen Instrumentierung des Songs überzeugen – in Schweden landeten die Imagine Dragons damit sogar einen Nummer-1-Hit. Das dazugehörige Debütalbum "Night Visions" ging global durch die Decke, erreichte in den beiden Top-Märkten USA und Großbritannien je Platz zwei und siedelte sich auch im restlichen Europa durchweg in den Top-10 an.

In ihrer glitzernden Heimatstadt stehen und fallen die Imagine Dragons auch noch heute. So hat man das langersehnte, aber mit unheimlichen Druck belastete Nachfolgeralbum "Smoke + Mirrors" zwar auf Tour geschrieben, aber im heimatlichen Las Vegas eingespielt. Eine Verbindung, die Reynolds nicht kappen will. "Wir verdanken Las Vegas einfach alles", sagte er unlängst in einem Interview. Die Liebe zur Heimat ist so stark ausgeprägt, dass sich die Imagine Dragons sogar zur Teilnahme an einem Imagevideo für die Stadt überreden ließen. Bislang ein absolutes Novum für das eigenständige Quartett, das sich mit gut vier Millionen verkauften Alben und Hits wie "Demons" oder "On Top Of The World" über die Formatradios in die Herzen jugendlicher und juveniler Fans spielte.

Freischwimmen unter Druck
Mit dem stark veränderten Lebensstil hat sich natürlich auch der Sound der Imagine Dragons gewandelt. Von den eher unreflektierten medialen Kommentaren, die Band sei bloß ein Abklatsch der Killers, konnten sich Reynolds und Co. schon musikalisch freischwimmen – "Smoke + Mirrors" ist nun der schwierige Versuch, sich von allen Erwartungshaltungen zu lösen und endgültig als eigenständige und vor allem beständige Band wahrgenommen zu werden. Zumindest am ersten Ziel schrammen die US-Amerikaner doch eindeutig vorbei, denn eine musikalische Revolution treten die Burschen auf ihrem Zweitling nicht los.

Vielmehr suhlen sich die Drachen gemächlich in bekannten Gefilden und verlassen ihren gewohnten Kokon nur im Notfall. Das bedeutet, dass die Imagine Dragons sich hauptsächlich auf breitwandigen Stadionrock konzentrieren und diesen mit hippen Electro-Sounds anreichern. So sind Songs wie der Opener "Shots", der Titeltrack oder die Single "I Bet My Life" allesamt hervorragend austarierte Indie-Pop-Stücke, denen aber allen der Mut zur Eigenwilligkeit fehlt. Diesen beweisen die Imagine Dragons auf einem Track wie "Gold", der sich mit viel Soul und wuchtigen Bass- und Drumläufen in die Gehörgänge schmeichelt.

Lebensbejahend und versatil
Genau diese Momente sind es, welche die Imagine Dragons aus dem Sumpf der Beliebigkeit ziehen - davon haben sie glücklicherweise noch einige. Weitere Highlights gefällig? Das rhytmische "Polaroid" ist mit seinem lebensbejahenden Groove schon jetzt ein frühes Highlight für künftige Livekonzerte, die rührige Piano-Ballade "Dream" zeigt Reynolds mit versatilem Stimmeinsatz und das mit rockiger 80er-Jahre-Leadgitarre ausgestatte "Hopeless Opus" überrascht mit dem Mut zur Andersartigkeit. Man glaubt es Reynolds zu jeder Zeit, wenn er in Interviews gebetsmühlenartig betont, dass er auf "Smoke + Mirrors" die Extreme der letzten Jahre einfangen wollte. Ein derartiger Karriere-Durchbruch muss schließlich erst einmal verarbeitet werden.

Die Imagine Dragons versuchen auf ihrem Zweitwerk das große Ganze zu ummanteln und haben damit durchaus Erfolg. Hier eine Dosis The XX, dort eine Prise Harmlosigkeit à la Take That und zu guter Letzt noch unverkennbare Anleihen bei Bastille, The Prodigy oder auch Hurts. Auf "Smoke + Mirrors" gelingt den Amerikanern vielleicht nicht das endgültige Freischwimmen aus der eigenen Vergangenheit, doch sie halten dem Druck stand und führen ihre Erfolgsformel ohne peinliche Wiederholungen oder innovationslose Kopien fort. Wer sich nicht an der völlig überladenen Produktion stört, kann eine talentierte Band beim Erwachsenwerden beobachten. So kann aus der Sternschnuppe ein beständiger Komet gedeihen. Zumindest, wenn der Geschmack der Zielgruppe keine Haken schlägt.

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