Mafiaherrschaft

Hinter den Kulissen des Putin-Systems

Ausland
02.01.2015 18:00
Für meine Freunde alles, für meine Gegner das Gesetz... Auf diesen Punkt bringt das brisante Buch der US-Politprofessorin Karen Dawisha den Leitspruch des Systems von Russlands Präsidenten Wladimir Putin und seiner Kreml-Oligarchen. "Kleptocracy: Who owns Russia?" (Diebsherrschaft: Wer besitzt Russland?) lässt tief in die Abgründe der russischen Mafiaherrschaft blicken.

Auf 300 Seiten analysiert Politologin Dawisha wie die russische Mafiaherrschaft funktioniert, oder aktuell besser gesagt, nicht funktioniert, niemals hätte funktionieren können: nämlich als bizarrer Kreml-monopolistischer Staatskapitalismus fernab jeder modernen Marktwirtschaft. Ein mafiöses Zerrbild des Kapitalismus, Aussaugen statt Aufbauen. Transparency International etwa schätzt den jährlichen Korruptionsschaden für Russlands Wirtschaft auf 300 Milliarden Dollar. Das konnte bisher durch die Erdöleinnahmen kompensiert werden.

Stunde der Wahrheit für das Kartenhaus
Das Buch ist eine schauerliche Chronik von Raffgier, bei der auch Putin persönlich nicht ausgenommen ist. Alles begann schon mit dem Ende der DDR, als sich dort der KGB-Apparat - Putin war damals in Dresden stationiert - gemeinsam mit der Stasi an die "Privatisierung" des SED-Vermögens machte.

Das setzte sich wie ein roter Faden fort, als Putin eine Art Außenhandelsminister von Sankt Petersburg geworden war - mit erstaunlich bis heute immer den gleichen Leuten an seiner Seite, gleichsam ein verschworenes Team. Und es gipfelte zuletzt in dem milliardenschweren "Selbstbedienungsladen", genannt Olympische Spiele in Sotschi.

Noch über Jahre liefen - dokumentiert in dem Buch - Verfahren gegen dieses Firmengeflecht in Deutschland, bis sie unter Kanzler Gerhard Schröder "einschliefen". Heute ist Schröder beim Kreml-Konzern Gazprom tätig.

Ein besonders dunkles Kapitel sind die Jahre und die Methoden der ziemlich brutalen politischen Machtergreifung in Moskau, denn es mussten erst hartnäckige Oligarchen von Putins Vorgänger an der Staatsspitze, Boris Jelzin, ausgeschaltet werden. Auch allzu neugierige Journalisten mussten über die Klinge springen.

Wo Geld Macht und Macht Geld bedeutet
Der größte Oligarch unter Jelzin, Yukos-Chef Michail Chodorkowski, landete zur Abschreckung der anderen Oligarchen nach einem Schauprozess in Sibirien. Nur einer wollte sich nicht abschrecken lassen: Boris Beresowski, Oberhaupt des Jelzin-Klans, genannt: "die Familie". Beresowski wurde zu Putins gefährlichstem politischen Gegner. Da kam Hilfe - und die wurde dann fürstlich belohnt. So hat Roman Abramowitsch überlebt, denn er wurde zum Verräter an seinem "Paten" Beresowski und wechselte die Seiten.

Ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte
Das Finale des langen und gefährlichen Ringens Putins mit Beresowski fand bei einem Treffen im Kreml statt. Beresowski bekam dort ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte, trat sein Vermögen an Abramowitsch ab und floh über Nacht nach London. Von dort schrieb er später Bettelbriefe an Putin und verübte schließlich Selbstmord, weil er eher sterben wollte, als auf Luxus zu verzichten.

Wie hungrige Wölfe zerfleischten sie Yukos
"Das große Fressen" der Putin-Oligarchen begann mit der Zerschlagung des Yukos-Konzerns des Putin-Gegners Chodorkowski. Wie die hungrigen Wölfe zerfleischten sie den Ölkonzern und rissen als Belohnung die Beutestücke heraus. Die Methoden der Nach-Jelzin-Parvenu-Elite - heute alles Multimillionäre an der Spitze staatsnaher Unternehmen - sind in Dawishas Buch gut dokumentiert.

Von den USA wurde der harte Kern der Putin-Freunde schließlich auf die Einreiseverbotsliste gesetzt: die Rotenberg-Brüder oder Gennadi Timtschenko (als drittgrößter Ölhändler der Welt am 14.3. rechtzeitig aus dem Ölgeschäft ausgestiegen) oder Wladimir Jakunin (Russische Eisenbahn).

Eine Parasiten-Klasse saugt Russland aus
Das Buch ist das "Who is who" über die nicht mehr als 40 Personen, die an der Spitze einer gewaltigen Machtpyramide stehen, genannt "Präsidenten-Administration". Und immer wieder: Freunde und Kollegen aus frühen Tagen. Erstaunlich ist Putins Vermögensansammlung, obwohl ihm doch ohnehin ganz Russland gehört.

Auch Details über die großen Residenzanlagen - im Eigentum von Oligarchen-Firmen, aber mit Präsidentenwappen ausgestattet - listet das Buch auf. Nur so viel: Die 50-Millionen-Dollar-Jacht "Olympia" in Sotschi wurde von Abramowitsch gespendet. Als Betreiber-Management ist bei Lloyds in London eine Firma Unicom auf Zypern registriert und als der Eigentümer die Firma Sovcomflot.

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