"Krone"-Interview

Fanta 4: “Unser Tag hat ab jetzt 25 Stunden”

Musik
21.10.2014 17:00
Die Fantastischen Vier als Dinosaurer des deutschen Hip-Hop zu bezeichnen, wäre aufgrund ihrer Vorbildrolle für dieses Genre fast noch zu kurz gegriffen. 2014 feiern Thomas D, Smudo, Michi Beck und And.Ypsilon Silberhochzeit und feiern ihr 25-Jähriges mit dem brandneuen Studioalbum "Rekord". Grund genug, um kurz mit Smudo und Michi Beck über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu quatschen.
(Bild: kmm)

"Krone": Smudo, Michi - Die Fantastischen Vier gibt es mittlerweile 25 Jahre, also schon so lange, wie der Kalte Krieg beendet ist. In all dieser Zeit hattet ihr niemals eine Bad-Ass-Attitüde.
Smudo: "Ich lang deiner Alten von hinten an die Möse, ich bin Smudo - ich bin furchtbar böse." Dieser eine Satz im Song "Böse" von 1991 ist wohl die Ausnahme.
Michi Beck: Wir sind weder Gangsta-Rapper, noch Ghetto-Kids, sondern wir sind Prankster-Rapper. Wir haben Anstand, Stil und eine gute Kinderstube.

"Krone": Was war in diesen 25 Jahren für euch die anstrengendste Zeit?
Smudo: Ich glaube, die liegt genau vor uns. (lacht) Wir machen gerade die neue Platte fertig und die Festival- und Toursaison beginnt. Zudem sind wir zwei bei "The Voice" Jurymitglieder. Das ist schon eine ganze Menge, die nun über uns hereinbricht, und das Jahr ist schon sehr anstrengend. Die letzte anstrengende Zeit war beim letzten Album 2010.
Beck: Es kommt immer in Phasen. Alles rund um die Albumveröffentlichung ist großer Spaß. Musikmachen und auf Tour gehen sowieso. Nach 25 Jahren noch immer eine Band sein zu können, ist der allergrößte Spaß. Es ist mal mehr und mal weniger stressig. Wir haben meist drei Jahre keinen Stress und ein Jahr Vollstress. (lacht)

"Krone": Nun erscheint das Album "Rekord", in dessen Zuge ihr alle möglichen Rekorde aufstellen wollt. Was könnt ihr dazu sagen?
Smudo: Wir spielten ja schon beim Amadeus-Award 25 Titel in 250 Sekunden.

"Krone": Das habt ihr schon bei der Echo-Verleihung gemacht.
Smudo: Ja, aber du kannst Usain Bolt nicht sagen, diesen Weltrekord gibt es schon. Das ist, wie wenn jemand erstmals den 25-fachen Salto macht und dann eingeladen wird, ihn noch einmal zu zeigen. Als Beispiel. 25 Jahre an sich ist eigentlich der Rekord und alles, was wir machen, ist jetzt im Rekordfieber. Der Tag hat ab jetzt auch 25 Stunden für uns.
Beck: Unser Manager hat auch einen Anruf von einer namhaften Schweizer Uhrenfabrik bekommen, die am Genfer See angesiedelt ist. Die wollen eventuell eine Edition mit uns machen und diese Uhr hat natürlich 25 Stunden. Jetzt erst einmal die Platte nach vier Jahren fertig machen, ist ja auch eine Art von Rekord. (lacht) Dann fangen wir an mit einem Sprung vom 1.000-Meter-Brett.

"Krone": Wie lang habt ihr dafür gebraucht, diese 25 Songs in 250 Sekunden einzuproben?
Beck: Relativ lange. Das war schon ein harter Prozess, damit sich das nicht nach einem Radio-Jingle-Hitmix anhört. Es sollte auch nicht albern kommen. Zuerst mussten wir die passenden Songs raussuchen, dann das Tempo angleichen, was kannst du schneller oder langsamer spielen, ohne dass der Charakter flöten geht, und dann haben wir auch alles mit der Band umgesetzt. Es sind ja nicht nur zusammengeklebte Samples. Wir haben zuerst einzeln zu Hause versucht, alles zusammenzustückeln, und aus diesen Versuchen haben wir ein Best-of gemacht, das wir mit der Band umsetzten. Für die war das natürlich auch krass, weil alles so schnell und verändert war.

"Krone": Das für Dezember geplante Wien-Konzert ist aufgrund eurer Teilnahme bei "The Voice" jetzt auf Jänner verschoben worden. Was macht euch Freude an dieser Sendung?
Beck: Mittlerweile ist das ja so eine Art internationaler End-Ritterschlag. Wir haben uns mit unseren Kumpels Pharrell Williams und Chris Martin abgesprochen, die zeitgleich ihre Teilnahme in Amerika bekannt gegeben haben. Die haben auch gesagt, nur noch Platten zu machen, wäre wahnsinnig 90s. (lacht) Wenn du richtig geil sein willst, musst du auch "The Voice" machen.
Smudo: Als junger TV-Konsument sah ich die ganzen Gottschalks und Jauchs im Fernsehen sitzen, war aber erstaunt, wie nah diese Show an der Musik ist. Jetzt sind wir auch Teil dieser riesengroßen Musik-TV-Entertainment-Kultur. Die Frage ist also nicht, warum gehen wir da hin, sondern weshalb sind wir noch nicht da? Dass wir beide das machen, darauf kamen wir letztes Jahr. Alleine ist doch blöd, da wir auch für die Band stehen wollen. Wir hätten das gerne schon im letzten Jahr unter Dach und Fach gehabt, aber die Verhandlungen haben gedauert und irgendwann mussten wir auch unsere Tour klarmachen, weil diese Hallen auch reserviert sein müssen. Dann waren die Verhandlungen mit "The Voice" abgeschlossen und die Drehtage rutschten in die Tour rein – das war leider nicht anders lösbar. Das mussten wir mit dem blauen Auge lösen.
Beck: Castingshows wie "DSDS" waren für mich ein No-Go. Als dann "The Voice" um die Ecke kam, wusste ich, die machen alles richtig. Sie bedienen den Trash nicht und führen die Leute nicht vor. "The Voice" ist eine Art klassische Musikkarriere auf TV-Show geschrumpft. Wenn du ein Demotape von jemandem in einem Plattenladen findest und es dir gefällt, förderst du vielleicht seine Musikkarriere. Und genau so etwas ist "The Voice" als Musikshow. Ich finde das sehr reizvoll. Smudo und ich haben schon damals bei unserem Label Four Music die Künstler rausgesucht und wir kehren jetzt wieder vor der Kamera dorthin zurück.
Smudo: Wir sind ja nicht nur eine Band. Wir haben TV-Erfahrung, haben zehn Jahre lang ein Label betrieben und auch noch eine Booking-Firma. Wir haben auch immer mit anderen Musikern oder Talenten zu tun. Von dem her passt das ganz gut.

"Krone": Hat denn ein Sieger von "The Voice" mehr Beständigkeit als einer von "DSDS"?
Smudo: Das ist unwahrscheinlich. Mir ist außerhalb von "The Voice" aber keine Castingshow bekannt, in der das Musikalische so im Mittelpunkt steht und weniger das Schicksal des Protagonisten. Ich weiß nicht, warum, aber irgendwie schafft das in den all den Formaten nie eine Band länger als eine oder zwei Saisonen. Ich glaube, die No Angels waren das letzte Größere. Das hängt mit vielen Faktoren zusammen, aber vor allem mit Fernseh-Entertainment. Sollte jemand bereits vor Teilnahme dieser Sendung ein gewisses Publikum haben, wird er dieses Stammpublikum wohl auch nach einem etwaigen Erfolg und Hype noch haben.

"Krone": Seid ihr froh, dass ihr als Die Fantastischen Vier nicht in diese Zeit gerutscht seid?
Smudo: Es gibt ja abseits der Castingshows tatsächlich eine real existierende Musikwelt. Trotz der Probleme mit dem Musikmarkt.
Beck: Lustigerweise habe ich Thomas D und Smudo damals auch bei einer Art Castingshow kennengelernt. Wie hieß der Laden in Ditzingen noch gleich? Westminster Ditzingen – das war in einem Vorort von Stuttgart. Da waren Talentwettbewerbe, wo die Leute auch Popsongs nachgesungen haben. Im Kleinen war das tatsächlich eine Talent-Show. Unser Ziel ist es, das Ding zu gewinnen und einen Weltstar in der Größe von Michael Jackson hervorzubringen. Dazu 90 Prozent seiner Einnahmen zu verdienen und ihm zehn Prozent zu lassen. (lacht)

"Krone": Wie wird denn "Rekord" klingen?
Beck: Sehr gut. Im Grunde genommen ist es – wie alle Alben – ein Meilenstein der Musikgeschichte. (lacht) Von der Grundstruktur ist es nicht groß anders. Es ist immer noch Rap mit viel Gesang und Humor. Es ist eine eklektische Mischung aus Rap, Pop und auf die Fresse.

"Krone": Und die Texte behandeln verschiedenste Rekorde?
Beck: Nein, die behandeln alle Facetten des Lebens. Liebe, Trauer, Schmerz, Penis.

"Krone": Es gab eine Zeit, da hätte man euch nicht so eine lange Beständigkeit zugetraut. Tut das gut, es jetzt allen bewiesen zu haben?
Smudo: Der Retrospektiven-Blick ist für uns irgendwie unpassend – wir waren ja immer schon da. Was interessieren mich auch die Lorbeeren von gestern? Wenn man das nachverfolgt und wo lien auch sehr schön, aber es ist nicht reell existierend. Diesen Mechanismus kann sicher jeder in sich selbst beobachten.
Beck: Wir wollen uns auch nicht auf Lorbeeren ausruhen. Wir wollen es mit jeder Platte neu beweisen müssen. Einen Bonus, nur weil es uns so lange gibt, haben wir nicht. Es ist immer wieder ein Kampf und wir nehmen alles sehr ernst und wollen vorne mitspielen und am Puls der Zeit bleiben.

"Krone": Ihr habt sogar mal zu dritt jeder für sich eine Single herausgebracht und euch damit gebattelt. Wie ist das nach so vielen Jahren innerhalb der Band – wie viel Harmonie herrscht bei euch?
Smudo: Natürlich sind wir verschiedene Individueen. Das ist doch, wie wenn man ein altes Ehepaar befragt. Streiten die sich? Ja natürlich. Aber Streit ist vielleicht schon das falsche Wort. Wir kennen uns sehr gut und auch die Kompetenzen der Einzelnen. Das ist natürlich nicht immer harmonisch, aber 25 Jahre Zusammenarbeit sind ein gutes Zeichen, dass wir das ganz gut hingekriegt haben über die Konflikte.
Beck: Mal hängt der eine hinterher, mal der andere. Mal ist der stärker involviert, dann der andere – es gleicht sich alles immer gut aus in einer anderen Phase der Produktion. Wir fahren sehr gut damit, dass wir seit Anfang an alles brüderlich teilen. Die Fantas sind eine amorphe Gestalt.

"Krone": Wenn jemand ein Soloprojekt starten will, sind die anderen dann auch gleich so tolerant und lassen ihn ohne Probleme daran werken?
Smudo: Du kannst ja ohnehin kein Soloalbum machen, wenn du gerade eines mit den Fantas machst. Thomas war mit seinem letzten wirklich knapp dran, aber am Ende fiel bei Thomas schon viel Arbeit an, die jetzt auch in die Fantas reinfallen. Manchmal reden wir darüber, aber es ist ganz klar, dass jedes Ding seine Zeit hat. Wenn es um die Fantas geht, wird keiner sagen, dass es ihm egal ist und er jetzt sein Soloalbum macht.
Beck: Als Band brauchst du längere Pausen und wenn jemand Lust hat, darin was zu machen, ist das völlig in Ordnung. Das geht sich schon aus.

"Krone": Werdet ihr nach den Konzertterminen in Deutschland und Wien Anfang Jänner noch weiter mit dem neuen Album touren?
Beck: Wir werden bestimmt ein paar Festivals spielen, aber die stehen noch nicht fest.

"Krone": Hattet ihr einst nach dem Riesenerfolg von "Die da" Angst, dass ihr in dieser Schleife hängenbleiben würdet, nicht weiter ernstgenommen werdet?
Beck: Dass wir selbst hängenbleiben, davor hatten wir keine Angst. Aber wir hatten Angst davor, dass man uns in diese Schiene einordnen würde. Wir haben echt alles dafür getan, um dem entgegenzuwirken. Deswegen ist auch "Die vierte Dimension" so geworden, wie sie eben ist. Wir wollten weg von den "Bravo"-Cover-Posterboys. Das hat uns schon Antrieb gegeben. Wir hatten einen Konsens für die musikalische Ausrichtung gefunden, wollten zeigen, dass wir eben nicht so sind. Unsere Plattenfirma war anfangs vor dem Kopf gestoßen, aber die "Vier gewinnt" ist ja auch nicht nur "Die da". Da war schon mehr, auch wenn es eine unserer schwächeren Platten war.
Smudo: Wir hatten ein paar wirklich lustige Gags drauf und man merkt den bekifften Fanta-Style schon heraus. (lacht) Man muss das aber wirklich im Kontext sehen. Wir haben 1991 die erste  deutschsprachige Rap-Platte gemacht, was unglaublich exotisch war. Die Kollegen, die bis dahin etwas in die Richtung machten, hatten noch einen Gutteil englischsprachiges Repertoire. Außerdem waren wir eine alternative Band. Graffitisprühen und Breakdancen fanden wir eher altmodisch und waren auf der Suche nach einem eigenen kulturellen Kontext. Zudem hatten wir Anfang der 90er-Jahre ein Aufkommen der Privatradios. Die haben natürlich etwas gesucht, was für sie ein Thema ist, was anders ist als alles, was der Öffentlich-Rechtliche spielte. Das war für uns natürlich gut. Im Zuge dessen fingen wir an, ein bisschen in die Situation zu kommen, vielleicht doch eine größere Band zu werden, als es diverse Plattenfirmen vielleicht dachten. Wir hatten damals ein, zwei Songs, wo wir dachten, die könnten poppig genug für einen Radiohit sein. Die haben wir mit der damaligen Naivität noch poppiger gemacht und dementsprechend klebrig-poppig ist das ganze Album geworden. Wir hatten damals keine Angst davor, weil wir nicht wussten, was da schiefgehen könnte. Erst nach dem unfassbaren Erfolg von "Die da" wurde uns klar, dass es auch jenseits der von uns überschrittenen Grenze von Pop Regeln von Geschmack und persönlichen Interessen gibt. Es war eine Art Entjungferung, die so auch nicht zu wiederholen war. Deswegen ist "Vier gewinnt" so, wie es ist. Eigentlich ist das Album gar nicht mehr einreihbar – ab "Vier gewinnt" war alles anders und ab da waren die Fantas auch mit wirklich interessanten Alben unterwegs. Das erste war eine Verschlimmbesserung unserer Demo-Phase, dann kam der Hit. Aber ab dann ging's erst so richtig los.

So richtig los geht es live jedenfalls am 9. Jänner in der Wiener Stadthalle, wo die Fantas neben Material ihres neuen Albums "Rekord" auch ihre größten Hits präsentieren werden. Karten für das Konzert erhalten Sie unter 01/960 96 999 oder im "Krone"-Ticketshop.

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