"Krone"-Interview

Sebastian und Wolfgang: Best Friends!

Österreich
20.09.2014 16:54
Wolfgang und Sebastian: Die beiden könnten Vater und Sohn sein, aber sie sind Freunde. Begonnen hat alles im Waldviertel, lange bevor sie Minister wurden. Mit Conny Bischofberger sprechen sie über SMS nach Fernsehauftritten, verpasste Flüge und Nächte in Albanien.

Der Justizminister trifft als Erster ein am Wiener Schmerlingplatz. Dort sieht ein Grüppchen von Demonstranten – zwei haben sich Puppen wie Babys um den Leib gebunden, sie vermuten einen Kinderpornoring in höchsten Justizkreisen – ihre große Chance. Aber schwupp! Wolfgang Brandstetter nimmt die ganz rechte Tür zum Justizpalast und verschwindet im Lift. "Der Sebastian wird sicher zu spät sein." Es klingt, als hätte er bereits Erfahrung mit diesem Thema.

Das "Justizcafe" im sechsten Stock gibt einen 180-Grad-Blick auf Hofburg, Rathaus, Kuppeln und Dachgärten frei. Küchenchef Ivo Brnjic, der gerne cremige Brotsuppe und Schulterscherzl mit Kürbisgemüse aufgetischt hätte, muss umdisponieren. Der Justizminister wünscht nur eine Fritattensuppe ("Ich muss abnehmen!"), der Außenminister eigentlich gar nichts, aber sein Büro weiß, dass er faschierte Laibchen mag. Ivo lässt es sich nicht nehmen, das Erdäpfelpüree mit Trüffeln zu verfeinern, die Kurz eigentlich gar nicht mag.

Dann kommt der Außenminister. Brandstetter blickt auf die Uhr: Sieben Minuten zu spät, das verzeiht man gern. Die beiden nehmen auf der roten Lederbank Platz, rechts der 56-jährige Brillenträger mit der Einhorn-Krawatte aus dem Museum of Modern Art in New York, links der 28-jährige Jungstar der Regierung im blauen Anzug, dazu trägt er ein weißes Hemd. Keine Krawatte (aber das soll sich im Laufe dieses Treffens vielleicht noch ändern).

"Krone": Wie haben Sie einander kennengelernt?
Brandstetter: Das war vor fünf, sechs Jahren in Eggenburg. Das ist ein kleines Städtchen an der Grenze vom Weinviertel zum Waldviertel. Ich lebe dort seit meiner Volksschulzeit.
Kurz: Und ich habe meine Verwandtschaft dort (die Mutter des Außenminister stammt von einem Bauernhof bei Eggenburg). Wolfgang war Hochschullehrer, ich bei der Jungen ÖVP. Ich habe Input von außen immer geschätzt. Und natürlich die Schriftenreihe der politischen Akademie gelesen, wo er damals publiziert hat.

Ihr bevorzugter Treffpunkt: das Stadthotel Eggenburg. Dort sitzen die beiden dann in Jeans und Pullover. Manchmal kommen sie mit dem Rad.

"Krone": Was ist das für eine Freundschaft, die Sie haben?
Brandstetter: Aus meiner Sicht ist es etwas ganz Besonderes. Ich habe den Weg von Sebastian von Anfang an mit viel Sympathie und Wohlwollen verfolgt und natürlich nie damit gerechnet, dass wir einmal gemeinsam in der Regierung sitzen würden. Ich meine, das klingt vielleicht ein bisserl übertrieben jetzt, aber ich meine, es gibt ja so etwas wie eine väterliche Freundschaft... Einerseits habe ich den Kontakt mit ihm genossen, weil uns immerhin eine Generation trennt und weil man mit ihm offen über alles diskutieren kann, eben weil er selber auch so offen ist. Dass er in jungen Jahren so weit gekommen ist, hat in mir auch die väterliche Sorge aktiviert.

Sebastian Kurz betrachtet ihn von der Seite und lächelt.

"Krone": Wie klingt väterlich für Sie?
Kurz: Das ist wohl auch eine Altersfrage und ich würde jetzt nicht sagen, dass man es ihm ansieht... Aber ich habe das immer sehr geschätzt, dass ich mit ihm über rechtsphilosophische Fragen diskutieren konnte.
Brandstetter: Dabei habe ich mich oft an den Satz erinnert, der mir schon in meiner Jugendzeit gut gefallen hat: Jugend schützt vor Weisheit nicht. Den Sebastian interessieren die Dinge wirklich persönlich und er bringt sich mit seiner ganzen Persönlichkeit ein.

Das Thema "Geilomobil" kommt nicht zur Sprache... Es ist – neben der Tatsache, dass Sebastian Kurz sein Jusstudium noch nicht abgeschlossen hat –, ein kleiner wunder Punkt in seiner Biographie.

"Krone": Ist Jus also etwas, das Sie verbindet?
Brandstetter: Ich darf dazu eine kleine Geschichte erzählen. Am Tag der Angelobung, das war der 16. Dezember, waren wir unmittelbar nacheinander beim Schminktisch des ORF dran. Sie haben dort mit meinen wenigen Haaren gekämpft. Um die Zeit zu überbrücken, hab' ich gefragt: "Sag, Sebastian, kannst mir nicht die Hälfte deiner Haare geben?" Darauf er: "Gern, wenn du mir dafür einen deiner Titel gibst!"

Brandstetter ist Magister, Doktor und Uni-Professor, Kurz fehlen noch ein paar Prüfungen. Brandstetter streicht sich triumphierend über seine Glatze.

Brandstetter: Okay, Sebastian, hab' ich gesagt. Aber du lieferst zuerst! Das ist ein uneingelöstes Versprechen.
Kurz: Nachtragend ist er anscheinend auch!

"Krone": Ist es Brandstetter wichtig, dass Kurz sein Jus-Studium beendet?
Brandstetter: Das ist keine große Sache und eigentlich nur eine Frage des Timings. Wann er wirklich die Zeit und die Ruhe findet.
Kurz: Das ist jetzt aber schon sehr privat...

"Krone": Und was trennt sie?
Brandstetter: Eigentlich nur 28 Jahre...

Als Sebastian Kurz am 27. August 1986 in Wien auf die Welt kam, war Wolfgang Brandstetter als Assistent am Institut für Strafrecht und Kriminologie an der Uni Wien tätig – dort studierte auch Michael Spindelegger.

... ich war Zeitzeuge, als der Eiserne Vorhang fiel. Seine Generation kennt das nur aus den Geschichtsbüchern. Ich habe selber erlebt, wie ich als zehnjähriger Bub beim Fischen an der Thaya auf tschechisches Gebiet geraten bin und plötzlich Soldaten mit Maschinengewehren vor mir standen. Das hat mich geprägt.
Kurz: Er ist deshalb auch zum Begräbnis von Schewardnadse nach Tiflis geflogen.

"Krone": Apropos Fliegen: Wie kommt es, dass der Außenminister Holzklasse und der Justisminister Business Class fliegt? (Kurz lacht.)
Brandstetter: Ich erinnere mich an unsere Albanien-Reise, wir haben gemeinsam Initiativen gesetzt, um die Rechtsstaatlichkeit in Reformstaaten zu stärken. Die Planung der Reise habe ich Sebastian überlassen und das war aus heutiger Sicht vielleicht nicht ganz optimal. Es wurden die billigsten Flüge gebucht, wir mussten früher weg, als notwendig gewesen wäre, und ich habe dadurch meine Karte für das Rolling-Stones-Konzert weitergeben müssen. Das war ein schweres Opfer für mich. Aber dann haben wir auch noch den Anschlussflug verpasst.
Kurz: Das stimmt nicht. Der Flieger war verspätet.
Brandstetter: Na, der Flieger war verspätet, warum? Weil ihr eine Linie gewählt habt, die ich ausgeschieden hätte. Aber egal. Es kam, wie es kommen musste, wir mussten sogar eine Nacht in Albanien verbringen.
Kurz: Da haben wir sehr viel diskutieren können. (lacht.)
Brandstetter: Jaja, erzähl nur. Er ist eh geständig. (lacht.)
Kurz: Wir konnten einige albanische Gesprächspartner noch zum Abendessen einladen.

Der Flug nach Albanien war sogar Thema im deutschen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel": "Gleich zum Amtsantritt ordnete er an, dass er und seine Leute künftig Linie fliegen und in der Economy reisen", schreibt er über Sebastian Kurz, den er zuvor als "Wunderwuzzi" tituliert hatte. "Von seinem Sitz aus (9D) kann er den Kopf des Justizministers in der Businessclass sehen."

"Krone": Wie das?
Brandstetter: Ich soll aus gesundheitlichen Gründen immer Business fliegen, weil ich Probleme mit den Venen habe und Blutverdünnung brauche. Sebastian besteht in seinem Alter und mit seiner Kondition natürlich auf der Economy. Das imponiert mir auch, nur ich kann da nicht mit, und insofern ist es immer sehr anstrengend, mit ihm unterwegs zu sein.

Rechtsstaatlichkeit in Reformländern, der gemeinsame Kampf gegen den Islamischen Staat: Die beiden Minister haben viele gemeinsame politische Anliegen.

"Krone": David Cameron hat über IS gesagt: "Dan Menschen abgeschlachtet, geköpft, lebendig begraben, vergewaltigt werden, dann ist das barbarisch. Und egal welches Wort man dafür wählt, es sind Schwerstverbrecher.
Brandstetter: Das hat mit dem Islam als Glaubensgemeinschaft überhaupt nichts zu tun, das sind terroristische Aktivitäten. Also: Wir müssen mit aller Schärfe und Strenge des Gesetzes reinfahren, wenn bei uns Jugendliche verleitet werden, in den Heiligen Krieg zu ziehen. Stichwort Vorratsdatenspeicherung.
Kurz: Und wir müssen den Jugendlichen klarmachen, dass die Opfer der IS-Terroristen vorwiegend Muslime sind. Also: Prävention wird ganz wichtig sein, und wir müssen die Islamische Glaubensgemeinschaft in die Pflicht nehmen. Sie tragen die Verantwortung für die Imame in den Moscheen, für den islamischen Religionsunterricht, und wir müssen die islamischen Kindergärten ansprechen und zum Thema machen.

"Krone": Wird Ihre Freundschaft die Politik überstehen?
Brandstetter: Das ist bei echten Freundschaften keine Frage. Die Verbindung war vor der Politik da und wird es auch nachher sein.

"Krone": Gibt es noch andere Freunde dieser Art in der Politik?
Kurz: Das soll er beantworten.
Brandstetter: Ist eh klar, die happigen Sachen soll der Alte sagen.
Kurz: Johanna Mikl-Leitner bin ich besonders dankbar, sie hat mich in den drei Jahren im Staatssekretariat immer total unterstützt und super zusammengearbeitet. Wir verstehen uns gut.
Brandstetter: Und bei mir den Michael Spindelegger. Ich bin erleichtert zu sehen, dass er eine große Belastung losgeworden ist.

"Krone": Verfolgen Sie die gegenseitigen Medienauftritte?
Kurz: Ja, sicher. Da schreib' ich ihm immer ein SMS.
Brandstetter: Und ich gratuliere ihm. Man lebt und fiebert und freut sich einfach mit. Deshalb hab' ich mich ja so geärgert, dass am Anfang alle gesagt haben, der ist viel zu jung. Auch diese Mascheks haben mich geärgert... Den Sebastian als jungen Bua darzustellen, der sich in der EU nur lächerlich macht! Egal, heute kommt keiner mehr auf die Idee. (Kurze Nachdenkpause.) Aber ich hab's schon damals gewusst!

Der Moment des Abschieds ist gekommen. Brandstetter zieht ein schwarzes Sackerl hervor.

Brandstetter: Sebastian, ich habe dir ein Geschenk mitgebracht. Ein höchst unpassendes. Aber ich riskier' es. Eine wunderschöne Krawatte, extra ausgewählt zu deinen Anzügen. Du wärst damit auch ein Botschafter österreichischer Kultur!

Kurz' Begeisterung hält sich etwas in Grenzen, obwohl – oder vielleicht weil es ein Klimt-Motiv ist. Schnell bringt er das Sackerl vor dem Fotografen unterm Tisch in Sicherheit. Kurz fragt seinen Sprecher, wie spät es sei. "Was, schon 10 vor eins? Ich muss um eins beim Bundespräsidenten sein." Die zwei verabschieden sich sehr herzlich, Brandstetter bleibt noch kurz sitzen und trinkt ein Glas Grünen Veltliner. Und weil es so nett war, verschiebt er das Abnehmen auf morgen und bestellt noch eine Pana cotta.

"Krone": Wo wird Sebastians Karriere enden?
Brandstetter: Er hat das Zeug, eine internationale Karriere zu machen. Er will auch an internationalen Maßstäben gemessen werden. Als väterlicher Freund würde ich ihm auch gar nichts anderes raten, ganz ehrlich.

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