"Krone"-Interview

Nazar: “Habe als Kind zu Haider aufgeschaut”

Musik
23.08.2014 17:00
Mit seinem brandneuen Album "Camouflage" hat es der Wiener Rapper nicht nur endlich zu einem Major-Label, sondern auch zu landesweiter Aufmerksamkeit gebracht. Die durchaus persönlichen und ehrlichen Texte und so manch musikalische Überraschung strafen die Bushido-Vergleiche Lügen. Im ausführlichen Gespräch mit der "Krone" sprach Nazar bereitwillig über die SPÖ, Heinz-Christian Strache, weshalb Migration ein landesweites Problem und Österreich das beste Land der Welt ist.
(Bild: kmm)

"Krone": Nazar, mit deinem neuen Album "Camouflage" startest du jetzt den Großangriff auf die Charts und hast bei Branchenriese Universal unterschrieben. Deine letzten Alben "Narkose" (2012) und "Fakker Lifestyle" (2013) waren auch ohne große Unterstützung sehr erfolgreich. Warum nun diese Veränderung?
Nazar: Allein schon deshalb, dass wir beide hier zusammensitzen. Ich habe vorher den Schritt nicht geschafft, bei dem ich in Österreich mit großen Medien zusammenarbeiten konnte. Das war sehr wichtig, denn irgendwann wird es nach dem siebenten Album sehr anstrengend, nicht in den Mainstream-Bereich zu kommen – auch wenn du verkaufstechnisch immer größer wirst.

"Krone": In Deutschland wurdest du auch medial schon viel früher wahrgenommen. Zählt am Beispiel Österreich der Prophet im eigenen Land noch immer nichts?
Nazar: Auf jeden Fall ist das so. Falco hatte schon vor seinem Tod gewusst, dass der Hype um ihn dann viel größer werden würde als er vorher war, und Christoph Waltz ist auch ein gutes Beispiel. Nur Leute, die es international schaffen, werden zu Lieblingen in unserem Land. Ich denke aber, dass das bei mir nie so wirklich der Fall sein wird, weil ich einfach für den Großteil der österreichischen Medien und Menschen nicht der Prototyp Österreicher bin, den sie gerne hätten. Alleine schon vom Aussehen her. Würde ich optisch mehr in das Bild eines Österreichers passen, wären wohl mehr Menschen stolz auf Nazar. Wir leben aber zum Glück im Zeitalter des Internets, wo jeder selbst die Möglichkeit hat, sich aufzubauen und das war auch der einzige Grund, warum ich überhaupt die letzten sieben Jahre überlebt habe.

"Krone": Was ist deiner Meinung nach der Grund, warum sich in Österreich viele Menschen oft sehr schwer tun, Toleranz zu zeigen?
Nazar: Die Österreicher sind ein sehr stolzes Volk. Sie haben auch genug Grund dazu. Österreich ist nicht nur mein Land, sondern auch das beste Land auf der Welt. Ich bin wirklich viel herumgekommen und es gibt in Europa tatsächlich zigtausend Städte und Plätze, die wunderschön sind. Aber selbst als ich in mein Vaterland, den Iran, flog, wusste ich bei der Rückkehr, ich komme in Österreich nach Hause. Das wissen die Österreicher natürlich auch – sie wissen, was sie an diesem Land haben und haben mit der Monarchie auch eine sehr stolze Vergangenheit. Ich glaube aber, dass ihnen diese Habsburger-Zeit noch ein bisschen im Wege steht. In den Schulen wird immer noch sehr stark darüber geredet, das war auch bei mir so. Da schwingt dann immer mit, dass die slawischen Länder immer ein bisschen die Untertanen von uns waren. Ich finde es erschreckend, dass Österreich eines der wenigen Länder ist, das einen so erniedrigenden Slang gegenüber anderen Kulturen hat. Der Neger, der Tschusch, der Jugo, der Türk, der Polak – ich kenne das nur aus Österreich. Viele Menschen meinen das auch gar nicht rassistisch und es ist im Alltag verwurzelt, aber das hilft auch nichts. Diese Meldungen helfen nicht, darüber hinwegzukommen. Ich bin bei jedem Länderspiel der Österreicher mit voller Fanmontur im Stadion und höre oft schon vorne draußen "scheiß Neger" oder "scheiß Türk".

"Krone": Was eigentlich absurd ist, wenn man bedenkt, dass mehr als die Hälfte des ÖFB-Teams direkten Migrationshintergrund hat.
Nazar: Absolut. Und plötzlich, wenn es läuft, ist es aber ihr David (Alaba - Anm. d. Verf.) und ihr Kavlak. Die Politik unterstützt dieses Problem leider nicht sonderlich und die Menschen nehmen auch selten die Initiative in die Hand. Aber wenn wir das noch unter Kontrolle bekommen, wenn wir es schaffen, ein offenes Land zu werden und das Fremdenfeindliche zu entfernen, dann sind wir hundertprozentig das beste Land dieser Welt.

"Krone": Vor einigen Jahren hast du die SPÖ musikalisch im Wahlkampf unterstützt, und mit HC Strache hast du schon seit Längerem deine Privatfehde. Ist es gut und recht, sich als Künstler so stark in das politische Geschehen zu werfen?
Nazar: Vielleicht kam es so rüber, aber ich habe mich definitiv nicht für die SPÖ starkgemacht. Meine Intention war nur, mich gegen die FPÖ zu stellen. Das hat mir auch viele Probleme eingebracht. Die Polizei in Österreich ist nun einmal zu 99 Prozent blau-lastig. Wenn Polizisten mich erkennen, werde ich sehr oft einfach aufgehalten, provoziert und dann wird mir das ganze Auto zerlegt. Die FPÖ hat auch schon zwei- oder dreimal versucht, mich wegen Ehrenbeleidigung und Volksverhetzung anzuzeigen. Ob das alles klug von mir ist, ist die eine Sache, aber die andere ist, dass ich am Ende des Tages mit den Konsequenzen leben muss. Es ist aber meine Verpflichtung, denn kein Jugendlicher von der Straße, keine alte Frau und kein alter Mann, die sich von der FPÖ angegriffen fühlen, haben die Möglichkeit, sich zu äußern. Diese Menschen finden kein Gehör.

"Krone": In der Politik ist es in den letzten Jahren Usus geworden zu rappen. Was sagst du dazu?
Nazar: Das ist eine Katastrophe. In Deutschland haben sie ja auch schon den Rapper Haftbefehl bzw. einen Song von ihm dafür instrumentiert. Daran sieht man, dass die Politiker in Wahrheit zu 100 Prozent keine Ahnung von der Jugend haben, aber unbedingt ihre Stimmen haben wollen. Sie denken dann, dass sie in diesem Moment sehr kreativ sind. Strache rappen zu sehen ist wirklich Fremdschämen hoch Tausend. Auch diese Eskapaden, die er sich immer wieder erlaubt, indem er vollbesoffen in Klubs mit irgendwelchen Proletenweibern abhängt. Das ist aber ihm selber überlassen. Diese Dinge sind mir auch voll egal, denn damit tut er niemandem weh. Er kann tun, was er will, aber für mich wird es dann kritisch, wenn er beginnt, einen Glauben, eine Rasse oder eine Herkunft zu beleidigen. Strache ist eine richtig schlechte Kopie von Haider. Haider war noch ein bisschen intelligent und hatte etwas Klasse. Als Kind habe ich sogar noch zu ihm aufgeschaut und hatte Respekt, weil er ein krasser Politiker war.

Strache ist einfach nur eine Witzfigur. Mit diesem Kickl im Hintergrund, den auch schon Haider hatte, sind sie einfach eine schlechte Kopie von etwas bereits Dagewesenem. Oder dieser Vilimsky. Da braucht man gar nichts dazu sagen, dieser Mensch spricht total für sich selbst. Was war dann, als Haider an der Macht war? Gar nichts hat sich getan. Und wir baden noch heute mit unseren Steuern all die Verfehlungen dieser Regierung aus. Allerdings war damals auch nichts von dieser Fremden- und Hasspolitik dabei. Ich gehe auch davon aus, dass die FPÖ nächstes Jahr an die Macht kommt, wenn es so weitergeht. Hoffentlich ist das so. Dann wird man sehen, was passiert. Dann können all die FPÖ-Wähler sehen, was sich ändert und ihre bzw. meine Kinder dürfen diese Verfehlungen dann in 30 Jahren wieder ausbaden.

"Krone": Ist dein Album "Camouflage" politisch angehaucht?
Nazar: Gar nicht.

"Krone": Du hast vorher schon Falco angesprochen. Auf dem Song "Zwischen Zeit & Raum" hast du ihn gesampelt, was man dir ja als Kalkül für höhere Verkaufszahlen auslegen könnte. Oder bist du einfach so ein großer Hardcore-Fan des Falken?
Nazar. Hardcore-Fan bin ich sowieso. Schau mal – es hätte auch die Möglichkeit gegeben, einen Falco-Song wie "Amadeus" oder "Junge Römer" zu covern, also einfach zu sampeln und einen Hip-Hop-Beat drüberzulegen. Warum kam nun diese Version zustande? Ich habe Thomas Rabitsch kennengelernt und gehört, dass es Songs gibt, die noch nie auf einem Album drauf waren. Wir konnten daraus einen komplett neuen Song machen. Ich will auch dazusagen, dass ich durch diesen Song keinen einzigen Cent Geld verdiene. Ich musste alle meine Rechte dafür abgeben, was auch nicht ganz normal ist. Ich wollte nicht einmal eifür mich etwas wie mein leiblicher Vater, weil er mich von klein auf als seinen eigenen Sohn betrachtet hat. Durch ihn bin ich schon sehr früh an die österreichische Kultur gekommen. An Danzer, Fendrich oder Falco zum Beispiel – das waren meine Kindheitshelden. Mit diesem Song wollte ich hauptsächlich meinem Vater etwas schenken. Das Video haben wir nur gedreht, weil die ganze Sache sowieso so teuer war und das Label das komplette Programm durchziehen wollte. Wenn mich die Leute kritisieren wollen, machen sie das sowieso. Egal ob mit oder ohne Video.

"Krone": Im Video-Intro zu deinem Album gibst du einen Krieger in Camouflage-Kleidung. Wogegen kämpfst du an?
Nazar: Gegen die Industrie. Ich wollte in dem Video zeigen, dass mir vieles in meiner Karriere und meinem Leben passiert ist. Man sieht, wie ich in Richtung einer Hütte renne, weil ich meine Ruhe haben will. Dieses Kommando-Team, das mich verfolgt, sollte die Industrie, die Politik und alles Negative in meinem Leben darstellen, das mich selbst auf diesem Berg wieder einholt und versucht mich zurückzuholen.

"Krone": Du bist in Deutschland nicht nur schon sehr erfolgreich, sondern hast auch Sido oder Mark Forster als Gäste auf dem Album. Wäre es nicht der logische Schritt, ins größere Nachbarland zu siedeln, um die Karriere stärker voranzutreiben?
Nazar: Doch, ich habe auch schon vor Jahren Angebote bekommen, dorthin zu gehen. Ich bin aber der erste österreichische Rapper der es aus Österreich geschafft hat, erfolgreich zu sein. Ich liebe dieses Land über alles und für mich kam es nie in Frage, diese Option in Anspruch zu nehmen. Warum auch? Ich bin für die Jugend hier ein großes Vorbild, weil ich ihnen gezeigt habe, dass es auch machbar ist, aus Österreich Erfolg zu haben. Ich bin zehnmal so stolz darauf, dass ich das geschafft habe, und zudem kann ich in der für mich besten Stadt der Welt leben – viel besser geht es ja nicht.

"Krone": Ist dir Patriotismus wichtig?
Nazar: Patriotismus schon, Nationalismus ist es, vor dem ich richtig Angst habe. Jeder sollte das Recht haben, auf sein Land und seine Herkunft stolz zu sein, wenn es aber so weit kommt, dass man das zu stark zur Schau stellt und nach außen trägt, dann wird es zu viel. Vielleicht noch auf so lächerliche Themen wie Bundeshymne und Flaggen kommt – davon halte ich nicht viel. Für mich ist Patriotismus im Sport okay. Aber jetzt läuft nach dem WM-Titel der Deutschen gerade die Diskussion, warum sie nicht Flagge zeigen dürfen. Ganz ehrlich? Wen interessiert deine scheiß Flagge? Und was hat deine Flagge ganz privat mit deinem eigenen Leben zu tun? Das machen die Serben, Türken und Albaner schon die ganze Zeit und ich finde das sehr gefährlich. So etwas hat in der Gesellschaft nichts verloren.

"Krone": Wie viel Favoritner steckt noch in dir?
Nazar: 100 Prozent, ich wohne ja noch immer in Favoriten. Ich habe mir zwar ein Grundstück in Baden gekauft und vor zwei Jahren die Idee gehabt, dort zu bauen. Da hab ich so eine Art Dschungel niedergemäht, dann nichts mehr gemacht und jetzt ist er wieder nachgewachsen. Alles nur, weil ich es noch immer nicht über das Herz gebracht habe, Favoriten zu verlassen.

"Krone": Ein Song auf deinem Album nennt sich "Ibrahimovic". Dreht sich der tatsächlich um den Fußballer?
Nazar: Ja klar. Für mich gibt es zwei Legenden im Fußball. Die eine ist Ronaldinho, für mich der beste Fußballer aller Zeiten.

"Krone": Kein Messi und kein Pelé?
Nazar. Nein, da kommen die auch nicht ran. Und die zweite ist Ibrahimovic. Er ist einfach eine Persönlichkeit und ist der charismatischste Fußballer, den wir je hatten. Ich habe Ibrahimovic in vielen Bereichen auch in meinem Leben gesehen. Diese Unterschiede eben – wie du als Mensch eigentlich bist, aber wie du auf der anderen Seite dargestellt wirst. Du versuchst trotzdem das Beste herauszuholen. "Fakker" ist ja mein Slogan, mein Wort und Ibrahimovic ist der Ober-"Fakker", der Anführer von den "Fakkern". "Fakker" ist ein Begriff, der dafür steht, dass du selbstbewusst bist und tust, was du für richtig hältst – egal was die anderen sagen oder denken.

"Krone": Vor einigen Jahren wurde ein Album von dir im Internet geleaked, nachdem du wahnsinnig viel Arbeit reingesteckt hast. War das so ein Moment, wo du ans Aufhören gedacht hast?
Nazar: Klar, das war damals eine Katastrophe. Es war alles selbst finanziert, ich musste für die Produktion einen Kredit aufnehmen, und dann war das Album sechs Wochen vor der Veröffentlichung im Internet, weil der Praktikant meines Anwaltes, der eigentlich dafür sorgen sollte, dass das Album eben nicht im Internet landet, es hochgeladen hat. Der war zu jung, um ihn zu verklagen, und das hätte mich finanziell fast in den Ruin gebracht. Ich habe dann einfach Glück gehabt, dass das Album am Ende des Tages trotzdem fast ausverkauft war.

"Krone": Abschließend – findest du, dass du – auch textlich – eine Vorbildwirkung auf die Jugend haben musst?
Nazar: Nein, ich versuche es zwar trotzdem, aber ein Musiker muss das definitiv nicht.

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