"Krone"-Interview

Die Seer: Das heimatliche Naturereignis

Musik
16.08.2014 17:00
Ihre Musik klingt nach sprudelnden Gebirgsbächen und klarer Luft. Wie keine andere Band stehen die Seer für die Liebe zur Heimat und die Sehnsucht nach der Schönheit der Natur. Ihr Riesenerfolg gibt ihnen recht und es sieht nicht danach aus, als ob sie zu bremsen wären.
(Bild: kmm)

Kalt war es damals vor 16 Jahren. Da zelebrierten die Seer ihr erstes Open Air – als fröhliche Après-Ski-Party am Rande einer Piste im Ausseerland. Das Fest im Schnee war Seer-Gründer und Bandleader Fred Jaklitsch (54) ein bisschen zu kühl – und so verlegte er im Jahr darauf das Musizieren unter freiem Himmel einfach in den Sommer.  "Mit unseren Verwandten, unseren Freunden und einer Handvoll Fans  haben wir uns quasi ums Lagerfeuer versammelt und unsere Lieder gespielt", erinnert sich Jaklitsch an den unspektakulären Anfang österreichischer Musikgeschichte.

Fakten eines Phänomens
15 Jahre später, 2. August 2014: 25.000 Fans, so viele wie nie zuvor,  strömen an den Grundlsee – manche sind sogar von Norddeutschland bis zur Zloam gepilgert, der Wiese, die einmal im Jahr zur spektakulären Naturarena wird. Der Zustrom zu ihrem Open Air spiegelt den Erfolg der Seer wider. Die Après-Ski-Party war der Anfang einer beispiellosen Karriere – sieben Nummer-eins-Alben in Österreich, ein Dutzend CDs wurden mit Platin ausgezeichnet, fast jährliche Nominierungen bei den Austrian Amadeus Awards und zwei eingeheimste Preise, Chartrekorde und eine "Dancing Stars"-Queen (Sängerin Astrid Wirtenberger gewann die sechste Staffel der Tanzshow) – das sind die Fakten eines echten Phänomens.

Hunderttausende treue Fans, unverwüstliche Lieder wie "Wilds Wossa", "Junischnee", "Aufwind" und "Über'n Berg" die künstlerische Bilanz. Die einzigartige Truppe hat sich ihren Erfolg hart erspielt – und  sich wie ein "Wilds Wossa" ihre Spur unermüdlich und unauslöschlich  in die heimische Musiklandschaft gegraben.

Kein großes Absahnen
"Bei uns gab es eigentlich nie den klassischen Durchbruch. Wir sind ganz langsam gewachsen", so Jaklitsch. "Die ersten Jahre waren sehr hart. Wir hatten Auftritte, bei denen wir nur geduldet waren. Konzerte mit kaum Besuchern. Die Radios haben unsere Lieder überhaupt nicht gespielt, aber irgendwie waren wir uns immer sicher, dass wir es schaffen werden." Mittlerweile schätzen Branchenkenner Jaklitschs jährliches Einkommen auf ca. 750.000 Euro. Nicht mehr ganz so viel, wie der Austropop einst zu bieten hatte – das große Absahnen ist vorbei, manche Streaming-Dienste zahlen weniger als 0,1 Cent pro    gehörtem Song. "Da muss man schon Madonna sein, um prassen zu können", meint Jaklitsch.

1996 gründete er die Seer. Da hatte der einstige Geschichtslehrer  schon den ersten musikalischen Höhenflug hinter sich – als wirklich großer Bube in der Boyband Joy, die mit "Lost In Hongkong" einen echten Hit landete. "Man hat uns damals als Sechs-Meter-Musiker bezeichnet – jeder von uns dreien brachte es auf fast zwei Meter",  lacht er. "Aber immerhin waren wir die erfolgreichste Boyband Österreichs. Doch mit dem Erfolg war es plötzlich wieder vorbei."

Tradition in den Charts
Und auch mit der reinen Popmusik im Leben von Fred Jaklitsch. "Bei uns im Ausseerland kommt man an Volksmusik nicht vorbei. Aber ich war auch schon immer ein Fan von medidativen Klängen." "Nachbar" Hubert von Goisern machte es damals schon vor, wie man Tradition modern in die Charts bringen kann. Also versammelte Fred motiviert eine neue Band um sich - allen voran die beiden prägnanten Stimmen: Freunde hatten ihn auf die Kinokassiererin Sabine "Sassy" Holzinger (48) und die Musiklehrerin Astrid Wirtenberger (45) aufmerksam gemacht, die nur nebenher als Sängerinnen auftraten.

Die Erfolge mit den Seern sind den beiden nie zu Kopf gestiegen - Astrid lebt mit ihren drei Kindern in St. Valentin und arbeitet nebenher immer noch als Lehrerin, Sassy führt mit ihrem Sohn in Altmünster ein bescheidenes Leben und hat sich als Vocal-Coach einen Namen gemacht. "Die beiden ergänzen sich wie Pech und Schwefel. Es war Karma, dass ich sie gefunden habe. Auch der Rest der Band, wie zum Beispiel Jürgen, der dank seines Aussehens unser Womanizer ist,  passt perfekt zusammen. Es ist, als ob ich sie bei einem wirklich guten Casting gefunden hätte. Aber bei uns war einfach das Leben die Castingshow."

Etwas nie Dagewesenes
Und mit dieser perfekten Band begann Jaklitsch, seinen ganz eigenen Klang zu kreieren. "Ich habe schon immer aus jedem Dorf einen musikalischen Hund mitgenommen", beschreibt er den Mix. Und immer nahm er die österreichische Seele mit, packte die Schönheit des Landes mit poetischen, berührenden Texten in die Lieder der Seer. "Sie haben etwas ganz Besonderes geschaffen, das es vorher noch nicht gegeben hat", streut Austropop-Legende Reinhard Fendrich seinen Kollegen rot-weiß-rote Rosen.

Bevor sich die Seer nach ihrem Jubiläums-Open-Air an die nächsten 15 Jahre machen, gönnt sich Mastermind Fred Jaklitsch eine Pause. Wer dort wohnt, wo andere Urlaub machen, der muss eben auch einmal in die Ferne schweifen. An der Goldküste Bulgariens gibt er der "Krone"  ein Interview – und sinniert mit Blick aufs Meer über die Heimat.

"Krone": Wie geht es dir nach dem großen Erfolg des Jubiläums-Open-Airs?
Fred Jaklitsch: Der Druck war diesmal schon sehr groß, das ganze Konzert wurde für eine ORF-Sendung aufgezeichnet. Aber die Freude darauf hat alles überwogen. Jetzt gönne ich mir mit meiner Familie   zehn Tage am Meer. Danach geht's schon wieder weiter mit Auftritten.

"Krone": Trotz aller Erfolge bist du Bad Aussee immer treu geblieben – hast du nie überlegt, wegzuziehen?
Jaklitsch: Na, das ist meine Heimat – da muss man mich irgendwann mal raustragen. Ich habe meine ganze Karriere von Bad Aussee aufgebaut, immer alles von hier gemacht. Vielleicht habe ich deswegen auch einiges nicht erreicht, aber ich bin nie in die Versuchung geraten, von hier wegzugehen.

"Krone": Heimat ist ein wichtiges Schlagwort bei den Seern. Was bedeutet Heimat für dich?
Jaklitsch: Die äußere Heimat ist eben das Ausseerland, die innere Heimat ist für mich die Musik. Wir haben immer schon das Heimatgefühl ohne politische Gedanken transportiert. Der Wunsch nach Heimat und Geborgenheit wird ja immer größer. Rund um uns bricht alles zusammen, Kriege, Unsicherheit, es liegt eine ständige Angst in der Luft, da wird die Heimat besonders wichtig.

"Krone": Wie du bereits erwähnt hast: Der Begriff Heimat wird auch
gerne politisch eingesetzt...
Jaklitsch: Deswegen war es mir immer extrem wichtig, nicht ins rechte Eck abgedrängt zu werden. Mit Blut und Erde will ich nichts zu tun haben. Ich war Geschichtslehrer, ich weiß ganz genau, wie viel Leid und Elend das hervor gebracht hat. Aber es gibt ja nicht nur die politische Seite von Heimat – sie ist ein Teil unserer Identität, da kum i her, da ghör i hin. Sie ist der Lebensmittelpunkt, und davon hat man nur einen.

"Krone": Wenn man euch nächstes Jahr zum Formel-1-Rennen nach Zeltweg einladen würdet, um die Hymne zu singen, kämen bei euch die Töchter vor?
Jaklitsch: Die Bevölkerung teilt sich eben zu je 50 Prozent in weibliche und männliche Bewohner. Und es gibt leider immer noch zahlreiche Bereiche, in denen Frauen massiv benachteiligt werden – beim Gehalt zum Beispiel. Die Hymne ist da eigentlich nur ein Nebenschauplatz. Aber wenn dadurch die Diskussion um Gleichberechtigung wieder angefacht wird, ist es gut.

"Krone": Also würdest du die Töchter in den Text aufnehmen?
Jaklitsch: Ja, wahrscheinlich schon – zumindest würde ich mich nicht auf meine Volksschulbildung berufen.

"Krone": Und schon sind wir bei Andreas Gabalier. Was hältst du von ihm und seiner erfolgreichen Verjüngung der volkstümlichen Musik?
Jaklitsch: Er macht das wirklich gut – und ist absolut der richtige Mann zur richtigen Zeit. Außerdem beweist er wieder einmal, wie groß das Bedürfnis der Menschen nach österreichischer Musik ist – und das ist auf jeden Fall immer wichtigotenregelung – mit ihr soll gesetzlich bestimmt werden, wie viel österreichische Musik in den heimischen Radios gespielt werden muss. Was denkst du darüber?
Jaklitsch: Seitdem ich Musik mache, ist das immer schon ein Thema gewesen. Mal ist der Hubert von Goisern aus Protest auf den Stufen des Parlaments gesessen, mal wird auf Facebook diskutiert. Tatsache ist, das Land hat ein Recht auf österreichische Musik. Und wenn es nicht anders geht, dann muss man das eben mit einer Quote regeln. Die Radiostationen richten sich dauernd nach bestimmten Formaten im ständigen Bemühen, eine junge Zielgruppe anzusprechen. Aber andere Gruppen sind doch auch wichtige Wirtschaftsfaktoren, auf die wird gerne vergessen. Und es ist eigentlich furchtbar, dass wir die meisten Tantiemen nur nach Übersee überweisen.

"Krone": Kann man als Musiker in Österreich reich werden?
Jaklitsch: Jeder kann gerne bei mir zu Hause vorbeikommen und sich ein Bild davon machen. Ich wohne in einem ganz normalen Haus und schwelge nicht im Luxus. Ich habe ein Auto, das ganz ordentlich fährt, aber das war's auch schon. Für mich ist es schon ein Privileg, dass wir von der Musik leben können. Und dass meine Familie nicht darunter leidet. Ich kenne viele großartige Musiker, die quasi im Keller dahinvegetieren.

"Krone": Auf dem heimischen Society-Parkett seid ihr trotz aller Erfolge selten anzutreffen oder?
Jaklitsch: Wir haben sicher einen hohen Bekanntheitsgrad – aber ich würde uns nicht als berühmt bezeichnen. Ich kann immer noch problemlos einkaufen gehen. (lacht) Wir haben in Bad Aussee schon auch eine Society-Szene, aber sicher nicht so eine Hautevolee wie in Wien. Aber ich bin an sich ein Eigenbrötler, kein Partytiger – ich ziehe mich gerne zurück. Bei den Fanwanderungen mische ich mich allerdings sehr gerne unter die Leute und plaudere mit ihnen. Ich  spiele auf der Bühne ja keine Rolle, so bin ich wirklich – ich muss mich dann auch nicht abseits vom Rampenlicht verstellen.

"Krone": Nächstes Jahr kommt der Song Contest nach Österreich. Wäre es für eine heimatverbundene Band wie euch nicht interessant, da teilzunehmen?
Jaklitsch: Mich hat der Song Contest immer schon fasziniert, und ich schaue ihn mir immer gerne an. Es ist schade, dass so viele Künstler bei uns mit dem Song Contest ihr Karriereende eingeläutet haben.  Und leider ist der Contest auch zu einem Kuriositätenkabinett  geworden. Man muss etwas Freakiges wie alte Omas hinstellen, um beachtet zu werden. Wir passen da nicht hin – uns geht es einfach um Musik und Emotionen.

"Krone": Stellst du auch unsere Conchita Wurst in dieses Kuriositätenkabinett?
Jaklitsch: Nein, die macht das schon wirklich gut. Bei ihr geht es ja nicht nur um Musik und Show, sondern sie ist ein Symbol für Toleranz. Wenn sich Leute so spüren, dann sollen sie auch so leben dürfen.

"Krone": Du bist ja mit deiner Familie auf Urlaub – spielst du deiner Frau und den beiden Kindern vielleicht schon neue Songs vor, um sie vor intimem Publikum zu testen?
Jaklitsch: Ich selbst bin mein strengster Kritiker. Es würde für mich gar keinen Sinn machen, andere nach ihrer Meinung zu fragen. Ich vertraue seit jeher auf mein Bauchgefühl.

Die Seer sind im Herbst und Winter 2014 auch noch auf großer Österreich-Tour. Sämtliche Termine und Karten erhalten Sie unter 01/960 96 999 oder im "Krone"-Ticketshop.

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