Karzai-Nachfolge

Afghanistan: Gewalt überschattete Präsidentenwahl

Ausland
05.04.2014 15:25
Überschattet von Anschlägen hat am Samstag in Afghanistan die mit Spannung erwartete Präsidentenwahl stattgefunden. Die Bürger des Landes bestimmten einen Nachfolger für Staatschef Hamid Karzai, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten darf. Die radikal-islamischen Taliban hatten bereits im Vorfeld des Urnengangs angekündigt, die Abstimmung mit Anschlägen zu torpedieren.

Bei einem Bombenanschlag in der Nähe eines Wahllokals in der südlichen Kleinstadt Kalat wurden den Behörden zufolge zwei Polizisten getötet und zwei weitere verletzt. In der nordwestlichen Provinz Badghis sei dagegen ein Wähler getötet worden. Bei einer Explosion in der südöstlichen Provinz Logar wurden außerdem vier Menschen teils schwer verletzt. Vize-Innenminister Mohammad Ayub Salangi sagte: "Landesweit wurden Dutzende Aufständische durch afghanische Sicherheitskräfte getötet."

Stichwahl am 28. Mai sehr wahrscheinlich
Für Afghanistan ist es der erste demokratische Machtwechsel. Experten gehen davon aus, dass in der ersten Runde kein Kandidat eine Mehrheit von über 50 Prozent bekommt und damit eine Stichwahl am 28. Mai nötig wird. Das Endergebnis der ersten Runde soll am 7. Mai verkündet werden. Wegen der schwierigen Machtverhältnisse könnte es nach Einschätzung von Diplomaten aber bis Oktober dauern, ehe der neue Präsident sein Amt antritt. Als Favoriten gelten die früheren Minister Abdullah Abdullah, Ashraf Ghani und Salmai Rassul. Nach zwölf Jahren im Amt dürfte Karzai aber auch künftig noch großen Einfluss haben, weil viele Politiker loyal zu ihm sind.

Taliban kündigten Anschläge an – prekäre Sicherheitslage
Die Taliban hatten bereits im Vorfeld der Wahl versucht, die Abstimmung mit Anschlägen zu verhindern. Dies zeigt, wie prekär die Lage auch 13 Jahre nach dem Einmarsch der US-geführten Truppen und dem Sturz der Taliban noch ist. Am Freitag wurde bei einem Angriff im Osten des Landes eine renommierte deutsche Kriegsfotografin getötet (siehe Infobox).

Mehr als 350.000 Soldaten und Sicherheitskräfte waren während der Wahl im Einsatz, um Anschläge zu verhindern. Rund um die Hauptstadt Kabul gab es Absperrungen und Verkehrskontrollen. Die meisten ausländischen Beobachter hatten das Land verlassen.

"Ich bin hier, um zu wählen - und habe keine Angst"
Von den 30 Millionen Afghanen waren zwölf Millionen wahlberechtigt. Es sollen allerdings bis zu 18 Millionen Wahlscheine im Umlauf gewesen sein. Der Vorsitzende der Unabhängigen Wahlkommission, Yusaf Nuristani, rief seine Landsleute trotz der Gewalt zu einer regen Wahlbeteiligung auf. Das afghanische Volk solle den Feinden des Landes die Stirn bieten und mit der Wahl beweisen, dass nichts es aufhalten könne. Ähnlich äußerten sich viele Bürger. "Ich bin hier, um zu wählen - und habe keine Angst vor Anschlägen", sagte etwa Haji Ramasan aus Kabul. "Das ist mein Recht, und niemand kann mich davon abhalten."

SMS-Dienste wurden während der Wahl abgestellt
Die Telekommunikationsbehörde in Afghanistan hat unterdessen die SMS-Kurznachrichtendienste während der Präsidentenwahl abgestellt. Der Schritt sei am Samstag auf Bitte der Wahlbeschwerdekommission (ECC) unternommen worden, sagte der Chef der Regulierungsbehörde ATRA, Scherbas Wakil. Die ECC, die für die Untersuchung von Wahlbetrug zuständig ist, wies das allerdings zurück. "Wir haben nie eine solche Anforderung gestellt", sagte ECC-Chef Sattar Sadaat. Er kritisierte, dass das SMS-Verbot "einen transparenten Wahlprozess und Beobachtungsprozess verhindern könnte". Sadaat forderte ATRA auf, die SMS-Dienste wieder zu aktivieren.

Gewaltige Herausforderungen für neuen Präsidenten
Der neue Präsident des Landes steht vor gewaltigen Herausforderungen. Denn die Verhandlungen mit den Taliban über eine Einbindung in den Friedenprozess liegen seit Längerem auf Eis. Außerdem blüht die Korruption, auch der Drogenanbau ist auf dem Vormarsch. Wirtschaftlich kommt das Land nicht auf die Füße, Investoren halten sich dementsprechend zurück.

Offen ist, ob nach dem Jahreswechsel noch ausländische Truppen am Hindukusch sein werden, um die einheimischen Soldaten auszubilden und das Land zu stabilisieren. Der Kampfeinsatz der ISAF endet dieses Jahr. Ein Folgeauftrag für 8.000 bis 12.000 internationale Soldaten zur weiteren Ausbildung und Beratung der afghanischen Sicherheitskräfte steht auf der Kippe, da Karzai bisher ein Stationierungsabkommen nicht unterschrieben hat.

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