Februarkämpfe 1934

“Skandalöser” Sager vor dem gemeinsamen Gedenken

Österreich
11.02.2014 21:58
Regierungsmitglieder von SPÖ und ÖVP haben am Dienstag gemeinsam des Bürgerkriegsbeginns am 12. Februar 1934 gedacht. Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger legten einen Kranz beim Mahnmal der Opfer für ein freies Österreich am Wiener Zentralfriedhof nieder. Opferverbände hatten diesen Schritt, der erstmalig seit 1964 war, im Vorfeld begrüßt. Doch am Tag des Gedenkens selbst sorgte der niederösterreichische SPÖ-Chef Matthias Stadler mit einem verkürzt dargestellten "Ständestaat"-Sager für Aufregung.

Stadler sagte laut einer Presseaussendung der SPÖ Niederösterreich bei einer Pressekonferenz im Vorfeld der Gedenkveranstaltung, gerade unter der "rechtsgerichteten schwarz-blauen Regierung" von 2000 bis 2006 seien ständestaatliche Ziele gelebt worden. Er verwies in der Aussendung auf die "Vertreibung" der Sozialdemokratie und die Zerschlagung aller Strukturen, die die SPÖ vor allem in Zeiten der Alleinregierung von Bruno Kreisky aufgebaut habe.

Blümel: "Gleichsetzung ist skandalös"
ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel wertete dies als "völlige Entgleisung". "Die Gleichsetzung des Ständestaates mit der schwarz-blauen Regierung in den 2000er-Jahren ist skandalös. Eine rasche Entschuldigung und das Zurücknehmen dieser Entgleisung sind das Mindeste, das SPÖ-Landesparteiobmann Stadler nun tun sollte." Gerade angesichts des gemeinsamen Gedenkens am Dienstag sei dies "eine Taktlosigkeit und völlige Missachtung der Geschichte".

Landes-SPÖ nimmt Ständestaat-Vergleich zurück
Am Abend ruderte die Landes-SPÖ zurück. Der Landsparteichef habe den in einer Parteiaussendung genannten Vergleich der schwarz-blauen Bundesregierung der Jahre 2000 bis 2006 mit dem Ständestaat im besagten Pressegespräch gar nicht verwendet, erklärte SPÖ-Landesgeschäftsführer Robert Laimer. Es habe sich um eine "überspitzte und sinnverkürzte Formulierung durch den SPÖ-NÖ-Pressedienst, wie es keinesfalls beabsichtigt wurde", gehandelt, so Laimer.

Fast alle Regierungsmitglieder, die Klubobleute von SPÖ wie ÖVP sowie Vertreter von Opferverbänden und Religionsgemeinschaften hatten sich am Vormittag am Zentralfriedhof eingefunden, um der gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen sozialdemokratischem Schutzbund und dem Verband aus Bundesheer, Polizei und den teils faschistischen, regierungstreuen Heimwehren zu gedenken.

Kranzniederlegung als "Mahnung für die Zukunft"
Eine "Mahnung für die Zukunft" sah dementsprechend Vizekanzler Spindelegger nach der Kranzniederlegung. "Wir gedenken heute aller Opfer, die für ein freies Österreich gekämpft haben." SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder sprach von einem Zeichen, dass ganz bewusst die Gräben zwischen beiden Parteien überbrückt werden. Und sein ÖVP-Gegenüber Reinhold Lopatka würdigte die Aufarbeitung, welche an der Sache und nicht an Emotionen orientiert sei. Auf die Aussagen des niederösterreichischen Landesparteichefs der SPÖ ging man nicht ein.

Dollfuß-Porträt im Parlamentsklub weiterin umstritten
Ein inhaltlicher Streitpunkt wurde allerdings angesprochen: Die Tatsache, dass nach wie vor das Porträt des ehemaligen Bundeskanzlers und Begründers des austrofaschistischen Ständestaats, Engelbert Dollfuß, im Parlamentsklub der ÖVP hängt. Spindelegger plädierte für eine differenzierte Sichtweise, sei Dollfuß doch auch eines der "ersten Opfer" der Nationalsozialisten gewesen. "Man muss ihn als das sehen, was er ist. Das alles gehört mit einem nüchternen Blick aufgearbeitet, ohne dass man irgendetwas beschönigt."

Spindelegger: "Bild ändert nicht die Geschichte"
Spindelegger kann sich, wie vom Parlamentsklub schon angekündigt, auch persönlich vorstellen, das umstrittene Porträt etwa mit einem von Historikern erarbeiteten Text zu versehen, denn: "Mit dem Abhängen eines Bildes ändert man die Geschichte nicht." Lopatka wiederum erinnerte daran, dass man die Person Dollfuß nicht völlig von der Parteigeschichte trennen könne. Die ÖVP sei zwar nach dieser Zeit neu gegründet worden, die handelnden Personen seien aber in vielen Bereichen die selben geblieben, meinte er.

SPÖ-Klubobmann Schieder begrüßte die von der ÖVP angekündigte Neubewertung des Themas als "ersten Schritt". Dennoch sei es "schwer zu akzeptieren, dass ein solches Porträt in den Klubräumen hängt". Ob dieser erste Schritt genug sei, "wird man sehen".

Bisher erst ein gemeinsames Februar-Gedenken
Die Gedenkfeiern zum 12. Februar sind ein wichtiger Teil der Erinnerungskultur der Sozialdemokraten. Ein gemeinsames Erinnern ehemals verfeindeten Lager hat es erst einmal gegeben: 1964 haben der damalige ÖVP-Bundeskanzler Alfons Gorbach und SPÖ-Parteichef Bruno Pittermann einen Kranz niedergelegt.

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