Debatte in den USA

Gangsta-Rap als Beweismittel vor Gericht legal?

Ausland
20.01.2014 14:21
Darf Gangsta-Rap als Beweismittel vor Gericht eingesetzt werden? Diese Frage ist in den USA heftig umstritten. Während die Anklagebehörden Rap-Texte als legales Mittel im Kampf gegen Bandenkriminalität betrachten, halten Bürgerrechtler die Verwendung der Songs für illegal. Nachdem das Urteil gegen einen mutmaßlichen Mörder und Amateurmusiker wegen des Einsatzes seiner von Gewalt strotzenden Lieder im Prozess aufgehoben wurde, sind nun die Höchstrichter am Zug. Ihre Entscheidung könnte wegweisend sein.

Auslöser der juristischen Debatte ist der Fall Vonte Skinner. Der frühere Drogendealer hatte sich nebenbei auch als Hobbymusiker betätigt. Seine Songs handeln von Straßenkriminalität, Gewalt und Drogen - wie im Genre des Gangsta-Rap üblich. "Ich bin der Typ, der dir in den Nacken schießt", singt Skinner beispielsweise in einem seiner Lieder. Berühmt und reich gemacht hat ihn seine Musik nie - dafür brachte sie ihn ins Gefängnis.

Umstrittenes Urteil dank Rap-Texten
Skinner soll 2005 einen anderen Dealer erschossen haben. Ein Gericht verurteilte ihn daraufhin 2008 zu 30 Jahren Haft. Um die Gewaltbereitschaft des Angeklagten zu belegen, verlas die Staatsanwaltschaft damals 13 Seiten Rap-Texte von Skinner – allerdings waren die Songs teilweise lange vor dem Mord entstanden und in den Texten findet sich keinerlei Bezug zum Mordopfer.

Ein Berufungsgericht kippte daraufhin das Urteil wegen des Einsatzes der Liedtexte. Am kommenden Mittwoch entscheidet nun das oberste Gericht des Bundesstaats New Jersey, ob Rap-Texte als Beweismittel vor Gericht eingesetzt werden dürfen. Eine Entscheidung wäre noch nicht endgültig, könnte aber wegweisend sein.

Polizei in NY will künftig bei Rap "noch genauer zuhören"
Der Einsatz von solchen Texten vor Gericht ist in den USA keine Seltenheit. Die New Yorker Polizei beispielsweise verstärkt einem Bericht der "New York Times" zufolge derzeit die Analyse von Rap-Texten. "Wir müssen uns die Songs genau anhören, weil sie darin über laufende Gewalttaten sprechen", sagte der Beamte Frank Vanpelt. Für die Polizei sind vor allem Rapper interessant, die Kontakt zu Gangs haben könnten. So könnten die Beamten Einblicke in Hierarchien und Bandenrivalitäten gewinnen.

Material gibt es viel: Amateur-Rapper warten nicht mehr auf Plattenverträge, sondern laden ihre Songs bei YouTube und anderen Internet-Plattformen hoch. So konnte die New Yorker Polizei im vergangenen Jahr mehrere Rapper und Gangmitglieder aus Brownsville, einem Kriminalitäts-Brennpunkt im Stadtteil Brooklyn, verhaften. Sie sollen an einer Schießerei beteiligt gewesen sein. Hauptbeweismittel war laut Polizei ein Musikvideo auf YouTube.

Diese Praxis von Polizei und Staatsanwaltschaft ist jedoch stark umstritten, denn oft sind die Rap-Texte schlicht fiktiv. Zahlreiche Gangsta-Rapper in den USA und weltweit sind mit brutalen Texten zu Superstars und Multimillionären geworden. 50 Cent beispielsweise rappte, dass er New York mit seiner Maschinenpistole unsicher machen will. Eminem schneidet seiner Ex-Frau in einem Song die Kehle durch.

Forscher warnt: "Gerichte nehmen Rap-Texte allzu wörtlich"
Aber anders als bei anderen Kunstformen würden Gerichte Rap-Texte allzu wörtlich nehmen, sagt Erik Nielson, Forscher an der Universität von Richmond in Virginia, der sich mit dem Thema beschäftigt hat. Gerade im Genre des Gangsta-Raps, der sich hauptsächlich um Gewalt, Drogen und Ghettos drehe, könne sich das für die Angeklagten sehr negativ auswirken.

"Wenn die Geschworenen diese verstörenden Geschichten hören, ohne die Bräuche des Raps oder des Gangsta-Raps zu kennen, werden sie sich eher dem Argument der Staatsanwaltschaft anschließen, dass es sich bei den Texten um gereimte Geständnisse handelt", so Nielson. Der Wissenschaftler geht davon aus, dass der Einsatz von Rap-Texten vor Gericht steigen wird, weil sich das Beweismittel für die Staatsanwaltschaft als sehr effektiv erwiesen habe.

Bürgerrechtler fordern klare Richtlinien
Die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union in New Jersey fordert deshalb von den Höchstrichtern klare Richtlinien, wann Rap-Texte vor Gericht eingesetzt werden dürfen. Das Hauptargument der ACLU: Songtexte fallen unter die künstlerische Freiheit - und diese werde von der US-Verfassung geschützt.

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