Neue Währung

Feuerwerk und Skepsis für den Euro in Lettland

Wirtschaft
01.01.2014 12:19
Mit einem Feuerwerk über der Hauptstadt Riga ist in Lettland in der vergangenen Nacht der Euro eingeführt worden. Doch über die Lichterpracht am Nachthimmel haben sich die Letten nicht wirklich gefreut. Sie begegnen ihrer neuen Währung mit großer Skepsis.

Mit der Ankunft Lettlands in der Euro-Zone hat der nach seinem Rücktritt im November nur noch geschäftsführende Ministerpräsident Valdis Dombrovskis eines seiner größten politischen Ziele erreicht. In der Bevölkerung ist einer Umfrage vom Dezember zufolge jedoch nur jeder Fünfte für den Beitritt zur Währungsunion. Das Versprechen, eine Mitgliedschaft erleichtere den Handel in der Euro-Zone und steigere das Vertrauen großer Investoren, beeindruckt viele Landsleute kaum. Die Lebenswirklichkeit vieler Einwohner hat mit dem internationalen Handel nämlich ohnehin kaum etwas zu tun.

In Kirvi beispielsweise, einem Ort nordöstlich von Riga, führt Leonarda Timofejeva noch ein Leben wie aus einer anderen Zeit. Ihr Wasser schöpft sie aus einem Brunnen im Garten. Wenn ein Güterzug - gefüllt mit russischem Öl - vorbeirauscht, wackelt ihr ganzes Haus. Jeden Morgen marschiert die 56-Jährige drei Kilometer über einen schlammigen Weg zu ihrer Arbeitsstelle - einem Friedhof, auf dem sie die Gräber pflegt. 200 Lats verdient sie damit im Monat, umgerechnet etwa 285 Euro. "Jeder geht davon aus, dass die Preise mit dem Euro steigen werden", erzählt Timofejeva. Sie sehe schon jetzt den Preis für einen Liter Milch, den sie bisher noch in Lats zahlte, in Euro auf der Packung prangen, meint sie.

Regierung beteuert: Kaum Preissteigerungen
Die Beteuerungen der Regierung, derartige Befürchtungen seien unbegründet, beeindrucken sie wenig. Dabei hatte Finanzminister Andris Vilks im lettischen Fernsehen auf das nördliche Nachbarland Estland verwiesen, das 2011 den Euro eingeführt hatte und Preissteigerungen "von nur 0,2 bis 0,3 Prozent" erlebt habe.

Anita Dabola kann der neuen Währung mehr abgewinnen als ihre Nachbarin Timofejeva. "Alles, was uns näher in Richtung Westen rückt, ist gut", sagt die 62-Jährige in Anspielung an das die Region lange dominierende Russland. "Die sowjetische Vergangenheit spielt eine Schlüsselrolle für den ungezügelten Euro-Enthusiasmus der baltischen Regierungen", erklärt Witold Orlowski, Analyst bei Price Waterhouse Coopers. "Die baltischen Staaten sind absolut bereit dazu, alles zu tun, um sich so weit weg wie möglich vom Nachfolger der einstigen Sowjetunion und so nah wie möglich am Zentrum der EU zu positionieren", erklärt Orlowski.

Vom Krisenland zum Musterschüler
Um sich für die Aufnahme in die Euro-Zone besser zu positionieren, hat Lettland in den vergangenen Jahren vieles auf sich genommen. Die 2008 entflammte Finanzkrise hatte das Land fest im Griff, das Bruttoinlandsprodukt stürzte binnen zwei Jahren um 25 Prozent ab, so stark wie in keinem anderen EU-Staat. Lettland erhielt eine internationale Finanzspritze, die Regierung um Dombrovskis setzte eine strenge Sparpolitik durch.

Am Ende hatten die Mühen Erfolg: Lettland arbeitete sich nach dem Absturz zum Musterschüler der EU hoch und kam 2011 und 2012 auf Wachstumsraten von fünf Prozent. Für 2013 wird die Wachstumsrate auf vier Prozent geschätzt. Wenn sie sich in der Silvesternacht auch nicht über den Euro freuen konnten, so durften die Letten zumindest auf das erfolgreiche Jahr 2013 anstoßen.

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