Freispruch möglich?

So wurde der Fall Strasser zur Justiz-Groteske

Österreich
26.11.2013 23:08
Muss Ex-ÖVP-Innenminister Ernst Strasser wegen der "Lobbyisten-Affäre" ins Gefängnis - oder wird er gar freigesprochen? Diese Frage beschäftigt derzeit wohl ganz Österreich, nachdem der Oberste Gerichtshof am Dienstag das Urteil erster Instanz - vier Jahre unbedingt - völlig überraschend aufhob und die Causa an das Erstgericht zurückverwies. Grund dafür ist eine formalrechtliche Feinheit, an der das Höchstgericht Kritik übt. Das Protokoll einer Justiz-Groteske.

Eines steht fest: Am Obersten Gerichtshof geschah am Dienstag etwas, womit niemand - auch nicht Strasser und sein Anwalt Thomas Kralik - gerechnet hat. Was OGH-Präsident Eckart Ratz in der Begründung für die Entscheidung anführt, war weder dem Verteidiger noch der Generalprokuratur, also der höchsten Staatsanwaltschaft Österreichs, und zwei von Strasser als Experten beauftragten Professoren an der juridischen Fakultät aufgefallen.

Neuer Prozess wegen früherer Gesetzeslücke
Vereinfacht gesagt, stellte der OGH-Präsident fest: Als Strasser mit den Undercover-Journalisten der "Sunday Times" sprach, tat er dies in Ausübung seines Amtes, und es war obendrein pflichtwidrig. Auch dass Strasser 100.000 Euro gefordert hat, steht für den Senat eindeutig fest. Die Tatfrage habe das Erstgericht "mängelfrei" geklärt, erläuterte Ratz.

Und jetzt kommt das große Aber: Vor drei Jahren, zur Zeit der Gespräche in Brüssel und London, war "Anfüttern" von Politikern noch nicht strafbar. Eine Lücke im Korruptionsstrafrecht also, die erst Anfang 2013 - die Causa Strasser hatte den Anstoß dafür gegeben - geschlossen wurde. Damals, also zum Zeitpunkt der Gespräche zwischen Strasser und den "Lobbyisten", waren nur Zahlungen an Politiker mit einem ganz konkreten Ziel (Änderung einer bestimmten Verordnung) unter Sanktion gestellt.

Laut Ratz sei aber eben dieser genaue Zweck im Ersturteil nicht definiert. Zwar sei es im zweiten Gespräch um eine EU-Richtlinie gegangen - aber dass Strasser (der Versuche unternahm, diese zu verändern) den "Vorteil" - also die 100.000 Euro - genau dafür verlangte, geht aus dem Urteil erster Instanz nicht hervor, so Ratz. Das Urteil sei deshalb laut OGH aufzuheben, weil "der Sachverhalt nicht zum rechtlichen Schluss" passe.

OGH entscheidet nicht, ob Straftat begangen wurde
Das Urteil kann jetzt nur bei einem neuen Prozess "repariert" werden, denn der OGH ist keine "Tatsacheninstanz": Er hat zu entscheiden, ob Urteile rechtmäßig zustande kamen, nicht aber, ob eine Straftat begangen wurde. Ein neuer Richter muss also die gewünschten Details klären und ein neues Urteil fällen. Dass es milder als vier Jahre unbedingt ausfallen wird, gilt als wahrscheinlich. Auch ein Freispruch für Strasser ist nicht mehr ausgeschlossen.

Im Straflandesgericht muss man zunächst warten, bis der Akt - samt Urteil - vom OGH zurückkommt. Dann wird über das elektronische Aktenverteilungssystem der Wirtschaftsrichter bestimmt, der für die Neuauflage zuständig ist. Dieser muss sich einlesen, dann wird die Verhandlung ausgeschrieben, erläuterte Präsident Friedrich Forsthuber am Dienstag - ohne irgendwelche zeitlichen Prognosen für den Start der Prozessneuauflage abgeben zu können.

Kann sich Strasser über OGH-Entscheidung freuen?
Ob Strasser nach seinem tiefen Fall vom ÖVP-Politstar zum Dauergast in Gerichtssälen Freude an dem Pingpong der Justiz inklusive möglichem Freispruch hat, kann unterdessen nur er selbst beantworten. Vorerst zieht es der Ex-Innenminister vor zu schweigen. Wortlos verließ er nach der OGH-Entscheidung den Gerichtssaal und bahnte sich einen Weg durch die Journalisten-Schar.

Verteidiger: "Im neuen Prozess ist alles offen"
Strassers Anwalt meinte im "ZiB 2"-Interview, er erwarte einen völlig offenen Ausgang des neuen Verfahrens - inklusive Freispruch. Im Falle einer erneuten Verurteilung rechne er aber auf jeden Fall mit einer Herabsetzung der Strafe, betonte Kralik.

Angenehm können Strasser die Schlagzeilen, die sein Fall weiter liefern wird, sicher nicht sein. Strasser sei bereits "politisch und gesellschaftlich tot" wegen all der "Negativ-Publizität", hatte sein Verteidiger vor den Höchstrichtern zu Protokoll gegeben.

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