Merkel abgehört

Zeitung: Obama weiß seit 2010 von Spähangriff

Ausland
27.10.2013 11:03
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel wird nach übereinstimmenden Medienberichten seit mehr als einem Jahrzehnt vom US-amerikanischen Geheimdienst NSA ausgespäht. Ihr Handy stehe seit 2002 auf einer NSA-Liste mit Aufklärungszielen, berichteten der "Spiegel" und die "New York Times" am Samstag. US-Präsident Barack Obama will davon nichts gewusst haben - was laut einem Bericht der "Bild am Sonntag" aber nicht der Wahrheit entspricht. Seit 2010 sei er sehr wohl informiert. Laut "Spiegel" hat der US-Präsident die Kanzlerin für die Abhörung um Entschuldigung gebeten.

Der Ausspähauftrag sei allem Anschein nach auch wenige Wochen vor Obamas Berlin-Besuch im Juni 2013 noch gültig gewesen, schreibt das Hamburger Magazin. In einem dem Medium vorliegenden Dateiauszug stehe Merkels Nummer unter "GE Chancellor Merkel". Die Art der Überwachung gehe aus dem Eintrag nicht hervor, also ob etwa alle Gespräche mitgeschnitten oder nur Verbindungsdaten ausgewertet wurden.

Das will die "Bild am Sonntag" genauer wissen. Laut dem Blatt habe die NSA nicht nur das Partei-Handy der CDU-Vorsitzenden im Visier gehabt. Auch Merkels vermeintlich abhörsicheres Gerät, das sie im Sommer erhalten habe, sei gehackt worden - was ebenfalls dafür spricht, dass der Lauschangriff bis in die jüngste Vergangenheit lief. Spezialisten des US-Geheimdienstes hätten demnach den Inhalt der SMS-Nachrichten und Telefongespräche Merkels abgefangen. Lediglich den besonders gesicherten Festnetzanschluss in ihrem Büro im Kanzleramt habe die NSA nicht abgehört.

"Bild": Abhöraktion startete mit Nein zu Irak-Krieg
Dem Bericht zufolge habe die NSA bereits Merkels Vorgänger Gerhard Schröder im Visier gehabt - wegen dem das Spähprogramm unter US-Präsident George W. Bush, der bis Anfang 2009 Obamas Vorgänger war, gestartet worden sei. Der Auslöser laut "BamS": das Nein der deutschen Bundesregierung zu einer Beteiligung am Irak-Krieg im Jahr 2002. Dies habe die Frage aufgeworfen, ob Schröder noch vertraut werden könne. Auch dessen Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin habe für Beunruhigung gesorgt. Als Merkel 2005 zur Kanzlerin gewählt wurde, sei dann eben sie ausgespäht worden.

Laut "New York Times" allerdings sei unklar, was die Bush-Regierung zu der Abhöraktion bewogen habe und warum Obama "anscheinend sogar nach fünf Jahren Präsidentschaft nicht wusste, dass es geschah".

Obama will von nichts gewusst haben
Obama räumte nach Bekanntwerden der Vorwürfe einem Zeitungsbericht zufolge indirekt ein, dass die NSA Merkel belauscht haben könnte. Er habe der Kanzlerin in ihrem Telefonat am Mittwoch aber versichert, nichts davon gewusst zu haben, dass ihr Handy von der NSA abgehört worden sei, schreibt die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung". Andernfalls hätte er eine mögliche Abhöraktion sofort gestoppt, zitierte der "Spiegel" Obama aus dem Gespräch.

Laut "Bild am Sonntag" sei Obama aber sehr wohl informiert gewesen – seit 2010. In dem Jahr sei Obama von NSA-Chef Keith Alexander persönlich über die Geheimoperation gegen Merkel in Kenntnis gesetzt worden, berichtete das Blatt unter Berufung auf mit dem Einsatz vertraute US-Geheimdienstkreise. "Obama hat die Aktion damals nicht gestoppt, sondern weiterlaufen lassen", zitierte die Zeitung einen hochrangigen NSA-Mitarbeiter. Später habe das US-Präsidialamt bei der NSA ein umfassendes Dossier über Merkel bestellt. Obama habe Merkel nicht getraut und alles über sie wissen wollen, so der Informant. Die NSA habe daraufhin ihre Aktivitäten ausgeweitet.

"NSA-Erkenntnisse gingen direkt ans Weiße Haus"
Wie die Zeitung weiter berichtete, gingen die NSA-Erkenntnisse direkt ans Weiße Haus - und nicht wie üblich zunächst an die NSA-Zentrale in Fort Meade im US-Bundesstaat Maryland. Als Horchposten diente demnach der vierte Stock der Berliner US-Botschaft.

Doch auch Obamas Sicherheitsberaterin Susan Rice bleibt dabei: Sie habe einem deutschen Kollegen versichert, dass der Präsident nichts gewusst habe. Bestätigen wollte sie die Lauschangriffe jedoch nicht, hieß es am Samstag in der "New York Times".

Bisher hatte das Weiße Haus in einer schriftlichen Stellungnahme nur erklärt: "Der Präsident versicherte der Kanzlerin, dass die Vereinigten Staaten die Kommunikation von Kanzlerin Merkel nicht überwachen und nicht überwachen werden." Ob Merkels Telefon in der Vergangenheit abgehört wurde, ließ ein Sprecher Obamas offen.

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