Beste Zeiten vorbei

Der Fotokopierer feiert seinen 75. Geburtstag

Elektronik
21.10.2013 10:06
Am 22. Oktober 1938 glückte dem amerikanischen Physiker und Patentanwalt Chester Carlson (1906-1968) die Elektrofotografie - ein Verfahren, mit dem sich weltweit erstmals Schriftzeichen auf elektrostatischem Weg kopieren ließen. Am Dienstag feiert der Fotokopierer seinen 75. Geburtstag, doch sein Siegeszug scheint beendet: In den Industrieländern sind die Umsätze im "Bürodruck"-Segment inzwischen rückläufig. Fotokopierer werden kaum noch hergestellt. Doch ihre Technologie lebt in den modernen Digitaldruckern weiter.

Carlson nannte sein Verfahren Xerographie, aus den griechischen Wörtern "xeros" für trocken und "graphein" für schreiben. Mittels Xerographie sind inzwischen hochgerechnet weit über vier Trillionen Seiten fotokopiert worden. Carlson legte so den Grundstein für einen Markt mit einem Volumen von mittlerweile 600 Milliarden Dollar (rund 438,5 Milliarden Euro).

Laut einer Studie wurden allein im Jahr 2011 auf xerografierenden digitalen Druckern mehr als drei Billionen Seiten ausgedruckt. In Europa und Nordamerika sank das Druckvolumen 2011 jedoch um fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Beim US-Unternehmen Xerox, das vor 64 Jahren den ersten Fotokopierer der Welt auf den Markt brachte (damals noch unter dem Namen Haloid), hat man den reinen Kopierer inzwischen nicht mehr im Angebot, wie eine Sprecherin erklärte. Ausgemustert.

Digitalisierung größter Feind des Fotokopierers
Der größte Feind des Fotokopierers ist die Digitalisierung, genauer: das transportable Dokumentenformat - kurz PDF - und die digitale Archivierung. Die mobilen Endgeräte sorgen zusätzlich dafür, dass vieles nicht mehr ausgedruckt wird. Papierlos, binnen Sekunden in die ganze Welt verschickt und nebenbei vervielfältigt - so weit hatte Carlson noch nicht gedacht, als er der Welt einen großen Dienst erwies.

Erfinder wollte nicht länger abschreiben
Der Kopierer-Erfinder hatte in den 1930er-Jahren vor allem seine eigenen Mühen im Blick: Er war es leid, jedes seiner Dokumente wie ein Mönch im Mittelalter mühsam abzuschreiben, wenn er ein Duplikat brauchte. Er träumte von einer Maschine, die auf Knopfdruck die Kopie eines Originals ausspuckt.

Seine Idee: Zeichen sollten sich doch mithilfe von elektrischen Ladungsunterschieden vervielfältigen lassen. Der Physiker experimentierte mit Schwefel und umgab sich damit zur Empörung seiner Nachbarn in der eigenen Küche mit dem Geruch von faulen Eiern.

Mit Tusche hatte Carlsons deutscher Assistent Otto Kornei den ersten kopierten Schriftzug auf einen Objektträger aus Glas geschrieben und diesen auf eine Zinkplatte gelegt, die mit einer Schicht Schwefel überzogen war. Die Oberfläche hatte Kornei kräftig mit einem Tuch abgerieben und so elektrostatische Ladung erzeugt.

Durchbruch ließ lange auf sich warten
Der kommerzielle weltweite Durchbruch sollte aber noch dauern. Während des Zweiten Weltkriegs wollte niemand den Kopierer bis zur Marktreife entwickeln. Erst 1949 kam das erste Gerät auf den Markt. Für eine Kopie benötigte man damals noch 39 Schritte und mehrere Minuten.

Nach Jahren des Desinteresses wurde Carlsons "Xerographie" nun aber als größte Erfindung seit der Fotografie gefeiert. Zehn Jahre später begann der Siegeszug des weitgehend automatisierten Xerox-914. Er schaffte sieben Kopien pro Minute. "Ich dachte", schrieb Carlson später, "wenn ich eine Erfindung machen würde, könnte ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Der Welt etwas Gutes tun und mir selbst auch."

Fotokopierer von Diktatoren gefürchtet
Diktatoren witterten Gefahr, wussten sie doch, was einige Jahrhunderte zuvor der Buchdruck angerichtet hatte. Copy-Shops blieben daher im Ostblock verboten: Die Kopierer sollten nicht zur "Druckpresse des kleinen Mannes" und zum Instrument der Opposition werden. Als Werkzeug der Revolution hat der Fotokopierer inzwischen jedoch weitgehend ausgedient: Er wurde von sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter in den Ruhestand geschickt.

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