"Krone"-Interview

Sebastian Kurz: “Ich war schon vorher kein Depp”

Österreich
12.10.2013 17:00
Er ist Vorzugsstimmen-Kaiser und wird als möglicher Zukunftsminister der ÖVP gehandelt: Im Interview mit Conny Bischofberger spricht der 27-jährige Sebastian Kurz über seinen Stand in der Altherrenpartei, die Lehren aus der Wahlschlappe und sein Leben abseits der Politik.

Im "Orlando di Castello", dem Szenelokal des jungen Karl Philipp Wlaschek auf der Wiener Freyung, ist an diesem Morgen viel los. Für den Integrationsstaatssekretär hat man eines der roten Sofas reserviert. "Ich bin in einer Minute vom Büro da und treffe nicht allzu viele Politiker hier", erklärt Sebastian Kurz (der 1,86 Meter lang ist) die Vorzüge der Location und hängt seinen Mantel auf. Wie fast immer trägt er einen dunkelblauen Anzug mit weißem Hemd (keine Krawatte) und passt so irgendwie zum mondänen Chic rundherum - weißes Leder, Blümchentapete, beautiful people.

Seit er bei der Nationalratswahl mit 35.700 Vorzugsstimmen mehr als alle Parteichefs bekommen hat, muss Kurz aufpassen, dass ihm die Granden der ÖVP seinen Erfolg nicht übel nehmen. Im Interview vor der am Montag stattfindenden Parteivorstandssitzung denkt das jüngste Regierungsmitglied laut über den "Intrigantenstadl" Politik nach und skizziert einen neuen Stil der Zusammenarbeit.

Hier gibt's drei Hörproben vom Interview: Kurz über die Zukunft, über Schwarz-Blau und über sein Privatleben.

"Krone": Herr Kurz, ist Ihr klarer Sieg beim Vorzugsstimmen-Wahlkampf ein Gutschein für ein Ministeramt in der nächsten Regierung?
Sebastian Kurz: Überhaupt nicht. Ich sehe dieses Abschneiden als Auftrag, meine Art der Politik fortzusetzen. Wir haben in den letzten zwei Jahren im Integrationsstaatssekretariat bewiesen, dass man Politik auch anders machen kann, dass man auch Ideen von anderen Parteien wertschätzen, über Partei- und NGO-Grenzen hinweg zusammenarbeiten kann. Das wurde geschätzt und belohnt.

"Krone": Vom "Jungspund", wie man Sie am Anfang bezeichnet hat, zur Zukunftshoffnung der ÖVP: Haben Sie schon realisiert, welche Wandlung Sie da durchgemacht haben?
Kurz: Ich halte vom Schwarz-Weiß-Denken nichts. Ich bin genau derselbe wie vor zwei Jahren. Ich war schon vorher kein allzu großer Depp und ich bin auch jetzt kein Superstar (lacht).

"Krone": Die ÖVP gilt ja als Altherrenpartei. Wie ist da Ihr Stand?
Kurz: Ich glaube, wir Junge haben im Wahlkampf unseren Zugang deutlich gemacht. Weniger Obrigkeitsdenken, mehr Bürgerbeteiligung, und Denken über Legislaturperioden hinweg. Und mittlerweile gibt es drei unter 30-Jährige in der ÖVP im Parlament, so viele wie in keiner anderen Partei.

"Krone": Könnte es sein, dass Sie besser sind als Ihre Partei?
Kurz: Nein, ich bin ja ein Teil der ÖVP. Was ich einbringen kann, ist ein anderer Zugang, auch aus dem Blickwinkel eines jungen Menschen.

"Krone": Der ÖVP-Chef hat Sie in einem "Kanzler-Interview" – also vor den Wahlen, denn aus dem Kanzler wird wohl nichts – als Zukunftsminister ins Spiel gebracht. Wie klingt das für Sie?
Kurz: Der Titel ist nicht entscheidend für den Beitrag, den man leisten kann. Die Frage ist vielmehr: Wie lautet die Aufgabe? Und welche Gestaltungsmöglichkeiten gibt es für uns Junge?

"Krone": Wären Sie nicht lieber ein Minister im Hier und Jetzt?
Kurz:(Denkt kurz nach) Prinzipiell bin ich schon jemand, der langfristig denkt, und um Zukunftsfragen geht es in ganz vielen Bereichen. Europapolitik, Bildungspolitik, Investment in Forschung und Innovation, all das hat Auswirkungen auf die nächsten Jahrzehnte.

"Krone": Bundeskanzler Faymann hat vom Bundespräsidenten diese Woche den Auftrag zur Regierungsbildung bekommen. Droht uns jetzt wieder eine rot-schwarze Koalition?
Kurz: Wichtig ist der Stil in der Zusammenarbeit und dass wir zügig eine neue Regierung haben, die die Arbeit unverzüglich aufnimmt und hoffentlich bereit ist, über Parteigrenzen hinweg auch mit anderen Parteien gemeinsame Projekte durchzuziehen. Jede Partei – ich hab' mir in den letzten Tagen nochmals alle Parteiprogramme genau durchgelesen – hat sinnvolle Ideen. Manchmal kommen sie von den Grünen, manchmal kommen sie von den Blauen oder den Roten, manchmal kommen sie von uns.

"Krone": Denken Sie an eine Konzentrationsregierung?
Kurz: Ich denke an einen neuen Stil, den Rot-Schwarz – viele Alternativen zur großen Koalition sehe ich nicht – pflegen muss. Etwa indem sie große Projekte, sei es die Demokratiereform, ein Schuldenverbot in der Verfassung oder das Bekenntnis zur Frühförderung mit den anderen Parteien gemeinsam verabschieden. Diese drei Themen haben fast alle Parteien in ihrem Programm. Also los! Die Bevölkerung hat das ewige Hickhack satt, die will, dass man das Verbindende vor das Trennende stellt.

"Krone": Sie selbst haben die Politik einmal als "totalen Intrigantenstadl" bezeichnet. Sind Sie noch immer dieser Ansicht?
Kurz: Sicher! Weil viele eine unbändige Lust am Konflikt haben und so die Sacharbeit in den Hintergrund tritt.

"Krone": Würden Sie es begrüßen, wenn Rot-Schwarz die überraschend erfolgreichen NEOS in die Regierung holen würde?
Kurz: Ich bin nicht für eine Dreierkoalition. Ich bin für eine Öffnung und eine Zusammenarbeit aller Parteien.

"Krone": Ist das dann der viel zitierte "koalitionsfreie Raum"?
Kurz: Das ist so ein Kunstwort, unter dem ich mir nichts vorstellen kann. Ich würde es einfach eine ordentliche Zusammenarbeit von allen Parteien in Sachfragen nennen. Ein Sechs-Parteien-Abkommen. Wir haben jetzt viereinhalb Jahre Zeit dafür.

"Krone": Also ist Schwarz-Blau-Stronach vom Tisch?
Kurz: Ich glaube nicht, dass man in so einer Koalition zum Beispiel in europapolitischen Fragen Einigkeit herstellen könnte. Da geht es gar nicht so sehr um die Tatsache, dass dann zwei europakritische Parteien in der Regierung wären. Kritisch sein ist ja nichts Schlechtes. Aber wenn es um die Frage des Euro-Austrittes geht, wüsste ich nicht, was es da zu verhandeln gäbe.

"Krone": Trotzdem ziert sich die ÖVP und beruft am Montag erst einmal den Parteivorstand ein. Was gibt es da zu beraten?
Kurz: In einer Partei entscheidet nun einmal nicht einer allein, sondern viele. Da gehört es schon zum guten Ton, einmal mit allen zu sprechen, bevor man in Verhandlungen geht.

"Krone": Herr Kurz, Sie sind jetzt 27 und schon Berufspolitiker. Haben Sie nicht manchmal das Gefühl, dass das Leben an Ihnen vorbeigeht?
Kurz: Es ist ja nicht so, dass alle 27-Jährigen nichts zu tun haben, bis Mittag schlafen und darüber nachdenken, wie sie den Abend verbringen. Viele junge Menschen haben einen fordernden Job und sind gerade deshalb sehr zufrieden. Das hab' ich auch, und darüber hinaus ein gutes Team und ein glückliches Privatleben. Und Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, auch ich komm' ab und zu zum Sport, Mountainbiken und zum Fortgehen ins U4.

"Krone": Werden Sie in zehn Jahren weichgekocht und flachgeklopft sein von den Partei-Apparatschiks?
Kurz: Nein.

"Krone": Was macht Sie so sicher?
Kurz: Ich gehe davon aus, dass ich in zehn Jahren nicht mehr in der Politik sein werde.

"Krone": Da könnten Sie rein theoretisch sogar Kanzler sein.
Kurz: Rein theoretisch könnte ich mit 37 auch in der Privatwirtschaft sein oder für eine NGO arbeiten. Es gibt ganz viele schöne Dinge im Leben. Die Politik ist nur eines davon.

Seine Karriere
Geboren am 27. August 1986 in Wien-Meidling. Die Mutter ist Lehrerin, der Vater Techniker. Nach Matura mit Auszeichnes Regierungsmitglied in der Geschichte übernimmt er im April 2011 das Staatssekretariat für Integration. Kurz tritt 2003 der Jungen ÖVP bei, wird 2007 Landes-, 2009 Bundesobmann. Aufmerksamkeit erregt er 2010 mit dem Wahlkampfmotto "Schwarz ist geil". Bei den Nationalratswahlen 2013 erreicht der 27-Jährige 35.700 Vorzugsstimmen – mehr als jeder andere Politiker. Privat lebt er mit der Wirtschaftspädagogin Susanne zusammen.

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