Flüchtlingsdrama

Lampedusa: Behörden befürchten über 300 Todesopfer

Ausland
04.10.2013 16:22
Nach der Flüchtlingstragödie vor der Mittelmeerinsel Lampedusa haben die Tauchermannschaften am Freitag wegen der rauen See ihre Suche nach den Leichen des am Donnerstag gesunkenen Bootes unterbrechen müssen. 114 Tote wurden bisher geborgen, 155 Menschen konnten in Sicherheit gebracht werden. Viele Leichen befinden sich noch im Wrack. Die Behörden vermuten, dass die Zahl der Todesopfer auf mehr als 300 anwachsen wird.

Die Überlebenden befinden sich derzeit im Auffanglager von Lampedusa, in dem sich nun über 1.050 Migranten aufhalten, obwohl es lediglich 250 Plätze hat. Laut den Behörden sollen deshalb Hunderte Flüchtlinge aufs italienische Festland gebracht werden. Indes wurden bereits rund 140 Särge mit einer Fähre aus Sizilien in den Hafen von Lampedusa gebracht. Ein Arzt vor Ort erklärte: "In vielen Jahren der Arbeit hier habe ich noch nie etwas Vergleichbares gesehen. Leider brauchen wir keine Krankenwagen mehr, nur mehr Särge."

Feuer an Deck entfacht, um auf sich aufmerksam zu machen
Die Flüchtlinge waren größtenteils aus Eritrea und Somalia gekommen und in Libyen Richtung Lampedusa aufgebrochen. Einige Überlebende berichteten, sie hätten ein Feuer an Deck entfacht, in der Hoffnung, vorbeifahrende Schiffe auf sich aufmerksam zu machen. Dabei merkten sie nicht, dass sich Benzin auf dem Deck befand. Das Boot geriet in Flammen, in Panik geratene Migranten sprangen ins Wasser. Dabei kippte das ganze Boot um und sank.

Vito Fiorino, der Inhaber eines Cafés auf Lampedusa, berichtete gegenüber italienischen Medien, er habe mit Freunden die Nacht auf Donnerstag auf seinem Segelboot verbracht, als er gegen 6.30 Uhr von Geschrei wach gerüttelt wurde. "Anfangs dachten wir, es seien Möwenschreie. Erst dann haben wir in der Morgendämmerung Hunderte von Händen erblickt, die uns verzweifelt zuwinkten. Wir haben sofort die Hafenbehörden alarmiert."

"Es war wie im Film 'Titanic', horrende Szenen spielten sich ab"
Er und einige Freunde hätten 47 Migranten retten können. "Sie waren ölverschmiert, und es war extrem schwierig, sie ins Boot zu hieven. Wir mussten kontrollieren, wer tot war, um nur noch die Lebenden ins Boot zu ziehen und zu retten. Es war wie im Film 'Titanic'. Horrende Szenen spielten sich ab, während wir auf Hilfe warteten. Die Zeit schien uns ewig, bis endlich ein Schiff der Küstenwache auftauchte", so Fiorino.

In Italien wurden am Freitag die Flaggen landesweit auf Halbmast gesetzt, in den Schulen wurde eine Schweigeminute abgehalten. Als Zeichen der Trauer waren alle Geschäfte und Lokale auf Lampedusa, auf der sich noch zahlreiche Touristen aufhalten, geschlossen. "Lampedusa ist eine Insel voller Schmerz, die die Last der Gleichgültigkeit der Welt auf ihren Schultern trägt", war auf einem Transparent vor dem Hafen zu lesen.

Scharfe Kritik an Europas "unmenschlicher" Migrationspolitik
Die Bürgermeisterin Lampedusas, Giusi Nicolini, bezeichnete Europas Migrationspolitik als "unmenschlich". "Die gestrige Flüchtlingstragödie ist nicht ein Unfall, sondern das Resultat einer Migrationswelle, die seit 15 Jahren nicht nachlässt. Lampedusa wird seine Situation nicht ändern können, wenn sich sein Schicksal als Grenzinsel nicht ändert. Dieses Schicksal ist nicht von der Geografie, sondern von der internationalen Politik bestimmt", sagte die Bürgermeisterin.

Nach dem Drama will nun EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso die Mittelmeerinsel besuchen. "Barroso muss klar sein, dass Lampedusa die südlichste Grenze Europas ist. Italien wird beim Treffen zwischen Barroso und den europäischen Innenministern mit stärkstem Nachdruck das Thema Migration ansprechen", sagte der italienische Innenminister Angelino Alfano. Alfano bezeichnete die Insel als "Checkpoint Charlie in der Mitte des Meeres".

"Europa muss die eigene Südgrenze schützen. Wenn man verhindern will, dass nationalistische Strömungen zunehmen, muss sich Europa für seine Grenze einsetzen", meinte Alfano. Er rief Brüssel dazu auf, der EU-Grenzschutzeinheit Frontex mehr Mittel zur Verfügung zu stellen. Die Gefahr, dass es im Mittelmeer bald zu neuen Flüchtlingstragödien komme, sei groß.

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