Offizierstauglich?

Die “Krone” undercover beim Berufssoldaten-Test

Österreich
05.10.2013 17:00
Undercover bei der Aufnahmeprüfung zur Berufssoldatin in der Kaserne Linz-Ebelsberg. Laufen, Liegestütz, Aufgaben lösen im vernebelten Bunker, Gespräche mit Psychologen, rechtsum. "Krone"-Redakteurin Ulli Kittelberger (Bilder unten) war dabei.

Dienstag, null sechshundert: Aus dem Lautsprecher über der Zimmertür ertönt eine knarzende, aber freundliche Stimme. "Alle Teilnehmer der Eignungsprüfung finden sich in 30 Minuten auf dem Gang im zweiten Stock ein." In einheitliche Trainingsanzüge gekleidet, erwarten wir 28 Minuten später den Unteroffizier vom Tag. Wir, das sind zwölf Burschen um die 18 Jahre, drei ebenso junge Frauen - und ich: 31 Jahre alt, Redakteurin und gekommen, um sicher nicht zu bleiben, aber auch, um diesen Test zu bestehen.

In zwei Kleinbussen werden wir zum medizinischen Test auf Herz, Nieren und sonstige Organe gebracht. Die Oberösterreicherin Claudia (18) muss die Gruppe verlassen. Auf dem Ergometer zeigt sie nicht die geforderte Fitness: "Jetzt schreib ich halt Bewerbungsschreiben. Irgendeinen Job werde ich schon finden." Ich darf hingegen weitermachen.

Körper und Geist werden getestet
Mittwoch, null sechshundert: Heute beginnt die körperliche und psychologische Prüfung. Der Fitnesstest besteht aus Liegestütz, 2.400-Meter-Laufen, Aus-dem-Stand-Hochspringen und Klimmzügen im Schräghang. Wir beginnen mit Liegestütz im Morgennebel. Das unterste Limit für Frauen liegt bei neun, für Männer bei 17 Stück. Ich stemme mich elfmal nach Vorschrift hoch. Passt.

Kurz darauf fällt der Startpfiff zum 2.400-Meter-Lauf. Mindestanforderung für Frauen: 13:30 Minuten. Rasch ziehen die Burschen an mir vorbei. Einer wird wenig später aufgeben. Auch von Fußballerin Kathi (17) sehe ich bald nur noch die Hinteransicht. Sandra (18), die dritte Frau, fällt zurück. Nach 12:55 Minuten überquere ich die Ziellinie.

Eine halbe Stunde später weist uns ein Psychologe im Lehrsaal in die ersten Tests ein: Gesetzmäßigkeiten erkennen, Formen, Namen und Zahlen merken, "n" nach "u" streichen. Es nimmt scheinbar kein Ende. Am Nachmittag muss jede und jeder ein kurzes Referat über sich selbst halten. Ich erfinde meine Lebensgeschichte neu, erzähle von Arbeitslosigkeit und dass mich die abwechslungsreiche Ausbildung sowie das attraktive Gehalt zum Bundesheer gelockt haben. Auf einige meiner Mitbewerber trifft das tatsächlich zu.

Die junge Fußballerin Kathi möchte beispielsweise zur Kaderpräsenzeinheit und vor allem Sport machen - so wie 78 von derzeit 396 Soldatinnen beim Bundesheer, die als Leistungssportlerinnen angeführt sind. Der schüchterne Bernhard will das Heer nach einem Jahr als "gemachter Mann verlassen". Ich möchte vor allem ein Mittagsschläfchen halten. Doch die nächste Möglichkeit zu schlafen ist 20 Stunden entfernt.

Prüfungsleiter erzählt, warum es "so lässig ist"
Am frühen Abend zieht das Heerespersonalamt seine beste Marketing-Waffe: Oberstleutnant Christof Fehrer, Leiter der Aufnahmeprüfung, erzählt, warum es "beim Bundesheer so lässig und sein Job so super ist". Einige Burschen haben Blut geleckt. Sie können es nicht erwarten, in die Uniform schlüpfen zu dürfen.

20.45 Uhr: "15 Minuten schwimmen in einem erkennbaren Brust- oder Kraulstil". Zwei 18-Jährige geben nach fünf Minuten auf. Für den Rest ist das eine leichte Übung. Mehr Ächzen und Stöhnen ruft die Überprüfung der Grundrechenarten hervor. Um Mitternacht tritt die Gruppe zum Jump-and-Reach-Test an. Frauen benötigen mindestens 32 Zentimeter. Ich springe 37 Zentimeter hoch.

Mir fehlt nur noch ein Punkt für eine Offizierslaufbahn. Und diesen Punkt muss ich mir bei den Klimmzügen holen. Sieben Stück sind gefordert. Ein Zentimeter trennt meine Brust von der Eisenstange und einer Karriere beim Bundesheer. Der letzte Klimmzug wird nicht gewertet. Sechs Stück. Damit ist die gesamte Sportprüfung nicht bestanden. Doch ich kann sie zweimal wiederholen.

Zermürbende Schlafentzugsphase
Für Enttäuschung ist keine Zeit. Jetzt beginnt der wichtigste Abschnitt des Psychotests: die Schlafentzugsphase. Um 2.45 Uhr Früh fühlt sich mein Hirn an wie ein nasser Tafelschwamm. Dreimal setzen wir 50 Schrauben, Beilagscheiben und Muttern unterschiedlicher Größe zusammen, legen sie auf Schablonen, nehmen sie wieder auseinander, um sie erneut auf Schablonen zu legen. Die Zeit läuft. Dazwischen sind andere Aufgaben zu lösen. Es ist zermürbend.

Um 4.50 Uhr lege ich die Hand auf die Schulter meines Vordermannes. Wir tappen in einen völlig vernebelten Kellerraum. Es ist ein Bunker. Jemand drückt uns einen Stapel Arbeitsblätter und einen Bleistift in die Hand. Noch mehr Aufgaben. Mein Nachbar sitzt resignierend neben mir, auch meine Konzentration lässt deutlich nach, aber es geht noch.

Um sechs Uhr geht es zurück in den Lehrsaal. Maschinengewehrsalven, Bomben und Granaten ertönen aus einem Lautsprecher. Die letzten Testaufgaben liegen vor uns. Um sieben Uhr Früh dürfen wir endlich drei Stunden schlafen. Weit entfernt von ausgeruht, werde ich zum Einzelgespräch mit einer Psychologin gerufen. Sie fragt nach persönlichem Verlust, Drogen und Alkohol. Schließlich gratuliert sie mir: Wenn ich die Klimmzüge wiederhole, bin ich geeignet für eine Offizierslaufbahn. Dann lächelt sie mich fragend an: "Was tun Sie hier eigentlich?" Ich bin enttarnt.

"Wäre für Frauen leichter, wenn sie mehr wären"
Während ich erleichtert die Heimreise antrete, wissend, dass das Kasernenleben nichts für mich ist, ist Kathi (17) am Boden zerstört. Auch sie hat Offizierstauglichkeit erreicht. Doch die Psychologen sind sich einig: Das Mädchen ist noch nicht so weit. In 18 Monaten kann sie wiederkommen. "Hoffentlich tut sie das", seufzt Christof Fehrer. "Für Frauen wäre es beim Bundesheer leichter, wenn sie mehr wären."

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