Sportler zur Politik

Gottwald: “Muss man immer das Gesetz vorreihen?”

Sport
25.09.2013 11:13
Er ist Österreichs erfolgreichster Olympionike, Laureus-Botschafter, Keynote-Speaker und gibt in Seminaren seine Erfolgsprinzipien weiter - Felix Gottwald hat viel gesehen und erlebt. Im Gespräch mit krone.at, in dem er anlässlich der Nationalratswahl über Politik sinniert, ist sein reichhaltiger Erfahrungsschatz in jeder Sekunde zu spüren.

krone.at: Auf deiner Homepage findet sich ein Zitat von Nelson Mandela, demzufolge der Sport die Kraft hat, die Welt zu verändern sowie Verzweiflung durch Hoffnungen zu ersetzen. Warum schafft der Sport, was Politikern auf der ganzen Welt oft nicht gelingt?
Felix Gottwald: Im Sport zeigt sich, dass man ohne Herz und ohne Authentizität nicht reüssieren kann. Jedenfalls nicht dauerhaft. Ich war gerade für Laureus in München, da sind an einem Wochenende 3,8 Millionen Euro gesammelt worden, damit benachteiligten Kindern Sport ermöglicht werden kann. Wo sich Menschen mit Herz und Authentizität für eine Sache begeistern, geht auch was weiter.

krone.at: Ist Nelson Mandela ein politisches Vorbild für dich?
Gottwald: Sicher! Was der Mensch durchgemacht hat und was er bewegt hat, ohne verbittert zu sein - von solchen Integritäten gibt's in der Weltpolitik nur ganz, ganz wenige.

krone.at: Fällt dir ein österreichischer Politiker ein, der ihm von der Aura her zumindest ein bisschen nahe kommt?
Gottwald: Aktuell? Ich fürchte, das ist so, wie wenn man in einer Dorf-Disco nach Shakira sucht. Auch in ganz Europa fällt mir kein Politiker ein, der vom Charisma her mit Nelson Mandela vergleichbar wäre.

krone.at: Das heißt, die richtig guten Leute gehen nicht in die Politik?
Gottwald: Es gibt den Spruch, dass die G'scheiteren nachgeben, bis die Dummen die Welt regieren (lacht). So möchte ich es nicht formulieren! Ich will auch nicht auf "die Politiker" schimpfen. Sie sind ja nur der Spiegel unserer Gesellschaft, nur Spieler in Systemen. Die politischen Systeme filtern Idealisten und Individualisten aus. Für Kapazitäten, Querdenker und Visionäre ist in der Politik kein Platz. Deshalb gibt es auch so wenige dort. Und wenn es keine Menschen gibt, die mitreißend sind, interessiert's halt auch keinen. Politiker sind Zwängen ihrer "Ermöglicher" ausgeliefert. Und verlieren das Wesentliche, den Menschen, der Gesellschaft zu dienen, irgendwann aus den Augen. Im Sport ist Mut zum eigenen Weg – wenigstens vereinzelt – ein Erfolgskonzept. In der Politik ein Karrierekiller.

krone.at: Aber Frank Stronach spricht doch ständig davon, dem Land und den Menschen dienen zu wollen. Glaubst du ihm nicht?
Gottwald:
Stimmt, sagt er ständig. Fast zu oft, oder? Er hätte sich selbst zurücknehmen und politischen Raum für jene klugen Köpfe öffnen können, die nicht in Polit-Spurrillen sind. Stattdessen hat er eine Bühne gebaut, auf der er jetzt selbst als Hauptact auftritt.

krone.at: Seit Kurzem bist du Laureus-Botschafter. Du setzt dich also für sozial benachteiligte Kinder im Sport ein. Ein Zeichen der Dankbarkeit für das, was dir der Sport gegeben hat?
Gottwald: Du brauchst ein paar Erfolge, damit du überhaupt gefragt wirst. Das macht einen natürlich stolz. Aber: Damit ist auch ganz klar ein Auftrag verknüpft! Ob bei den Projekten von Laureus oder von Jane Goodall in Uganda, wo ich heuer war: Wenn man das ganzen pathetische Zeugs weglässt, erkennt man: Die "Hilfe" hilft einem immer auch selber weiter. Wenn du in die leuchtenden Augen von Kindern schaust, wenn sie gemeinsam Sport machen, weißt du genau, wofür du das tust.

krone.at: Im Zuge deiner Ernennung zum Botschafter meintest du, "Erfolg wird mehr, wenn man ihn teilt". Wie passt das zu einem Einzelsportler? Musstest du als Aktiver nicht egoistisch sein?
Gottwald:
Es gibt keine Einzelsportler! Vielleicht bist du für ein paar Sekunden Einzelsportler, wenn du am Bakken sitzt und losfährst. Aber selbst dabei brauchst du einen, der die Schanze freigibt, und einen, der auf den Wind achtet. Was gute Sportler brauchen und haben, ist eine gute Beziehung zu sich selbst, zu den eigenen Bedürfnissen. Das hat nix mit Egoismus zu tun. Das ist die Basis, um Werte wie Toleranz, Respekt und Fairness leben zu können. Unsere Politiker nehmen diese Werte ja alle für sich in Anspruch – und dann erlebt sie ganz Österreich live in den Wahl-Konfrontationen als das genaue Gegenteil. Und dann wundern wir uns, warum es am Sonntag viele nicht richtig freut, wählen zu gehen?

krone.at: Hast du ein Gegenrezept parat?
Gottwald: Die Gegenbewegung ist schon im Gange. Wenn wir von Politik reden, reden wir gleichzeitig von Gesellschaft. Also auch von uns selbst. Insofern haben wir auch die Politik, die wir verdienen. Die Frage ist: Wollen wir diese Politik? In der katholischen Kirche hat Festkrallen an alten Machtstrukturen auch lange funktioniert. Irgendwann dann plötzlich gar nicht mehr: Weil die Menschen einfach nicht mehr mitgetan haben...

krone.at: Du unterstützt auch die Initiative "Gegen Unmenschlichkeit", die "eine Asylpolitik mit Herz und Hirn" fordert. Was stört dich an der Asylpolitik in Österreich?
Gottwald: Die Engstirnigkeit, mit der teilweise agiert wird. Flüchtlingspolitik ist eine sensible Materie, keine Frage. Aber wenn weltfremde Paragrafen teilweise menschlichen Einzelschicksalen vorgereiht werden, wenn etwa Familien zerrissen werden mit blechernen juristischen Begründungen, setzt das aus, wofür wir gerne geschätzt werden wollen: Herz und Hirn. Da steht uns ein bissl mehr Sensibilität sicher gut zu Gesicht. Muss man denn immer das Gesetz vorreihen?

krone.at: Im Sport funktioniert die Integration offenbar gut. Im Fußball-Nationalteam gibt es viele Kicker mit Migrationshintergrund.
Gottwald: Ja, das ist auch das Natürlichste. Im Sport ist kein Platz für persönliche Eitelkeiten. David Alaba etwa ist ja nicht nur als Spieler eine Bereicherung, sondern weit über den Fußball hinaus. Ganz egal wer: Jeder hat Talente, die irgendwem irgendwie nützlich sein können.

krone.at: Wie gefällt dir der neue Sportminister Gerald Klug?
Gottwald:
Ich habe in meiner langen Karriere viele Sportminister miterlebt. Manchmal habe ich mich gefragt, welches Anforderungsprofil man dafür haben muss. Meteorologe? Um zu wissen, wie man sich nach dem Wind richtet? Im Ernst: Ich kenne Herrn Klug nicht gut genug, um mir ein Urteil bilden zu können. Generell ist mein Eindruck, den Sport betreut politisch, "wer halt grad Zeit hat".

krone.at: Ein Plädoyer für ein eigenes Sportministerium also?
Gottwald:
Wenn wir uns einig sind, dass der Sport die Welt verändern kann, dann stellt sich diese Frage nicht.

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(Bild: KMM)



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