Sportler zur Politik

Schönfelder: “Von mir aus kann der Euro crashen”

Sport
04.09.2013 11:43
Kurz wähnt man sich fast in einer Wirtschaftsvorlesung, so fesselnd vermag der Mann mit dem stylish drapierten Wuschelkopf über Investmentfonds, die Millionärssteuer und Mietpreise zu referieren. Tatsächlich aber handelt es sich um ein Interview mit Ski-Star Rainer Schönfelder, der sich angesichts der nahenden Nationalratswahl den Kopf über (Wirtschafts-)Politik zerbricht.

krone.at: Als wir in der Redaktion überlegten, welche Sportler für ein Interview über Politik infrage kommen, ist der Name Rainer Schönfelder ziemlich bald gefallen. Fühlst du dich als "Intellektueller" unter den Spitzensportlern einsam?
Rainer Schönfelder: Habe ich denn das Image eines Intellektuellen?
krone.at:
Ich werfe es dir hiermit an den Kopf.
Schönfelder: Dann nehme ich es als Kompliment. Denn grundsätzlich ist das Image des Sportlers auf intellektueller Basis ja eher bescheiden. Offenbar glaubt man, der Sportler tut den ganzen Tag nichts anders als essen, schlafen, trainieren und hat nicht einmal Zeit zum Zeitunglesen.

krone.at: Vielfach wird das ja von den Sportlern selbst so dargestellt.
Schönfelder: Ich kann ja nicht 14 Stunden am Tag trainieren. Das macht kein Mensch. Das heißt, ich habe genug Zeit, um auch das Hirn zu trainieren. Beim körperlichen Training wird ja alles bis ins letzte Detail geplant. Und das Hirn hat keine Berechtigung, trainiert zu werden? Für mich gehört das genauso dazu.

krone.at: Aber wie viel Platz bleibt denn einem Spitzensportler überhaupt, um eigenständig zu denken? Wird einem rundherum nicht alles abgenommen?
Schönfelder: Das liegt am Sportler. Natürlich kann ich mich so verhalten, dass mir alles abgenommen wird und ich komplett abstumpfe. Aber will ich das? Ich habe mich immer um viele Dinge selbst gekümmert und war mein eigener Chef, habe mir die Wege so geebnet, wie ich mir das vorstelle. Ich gebe zu: Das war ein sehr mühsamer Weg, aber ich werde ihn immer wieder so gehen. Denn ich glaube, dass ich mir dadurch Fähigkeiten angeeignet habe, die andere bei Weitem nicht haben. Ich bin also, um auf die Einstiegsfrage zurückzukommen, nicht einsam, aber ein Einzelgänger.

krone.at: Um den Bogen zur Politik zu spannen - muss man als Spitzensportler auch politisches Geschick, etwa im Umgang mit Sponsoren und Medien, an den Tag legen?
Schönfelder: Wenn man politisches Geschick als taktisch kluges und diplomatisches Handeln versteht, dann absolut ja. Das ist im Sport ein Riesenmetier. Meiner Meinung nach ist das fast noch wichtiger als der Sport selber.

krone.at: Haben das alle Spitzensportler im Land begriffen?
Schönfelder: Nein. Es herrscht ja auch im Skiverband das Motto vor: "Fahr schnell Ski, dann kommt alles andere von alleine." Mit dem Spruch kann ich gar nix anfangen, denn das stimmt dezidiert nicht. Ich muss mich präsentieren können. Die Welt mit ihren vielen Medien blickt heute viel mehr hinter die Kulissen. Man ist also transparenter und durchleuchteter. Daher kann man die Leute daheim vorm Fernseher auch nicht für dumm verkaufen.

krone.at: Ist der Sport deiner Meinung nach in der Politik angemessen repräsentiert? Vielfach wird ja kritisiert, dass er quasi das Anhängsel des Verteidigungsministeriums ist.
Schönfelder: Eine interessante Betrachtungsweise! Die Frage ist: Wie wichtig ist der Nation Österreich der Sport? Ich glaube, dass der Sport der Gesellschaft viel mehr Werte vermittelt als nur das Ergebnis eines Rennens. Dem Sport ein eigenes Ministerium zu geben, wäre sicher kein Fehler. Andererseits glaube ich nicht, dass er derzeit unterrepräsentiert ist. Man muss ja fairerweise sagen, dass das Bundesheer viele Sportler fördert.

krone.at: Neben Sport ist Wirtschaft dein Spezialgebiet. Du bist Gründer der Investmentgesellschaft "You will like it". Welchen Stellenwert hat deiner Meinung nach der Wirtschaftsstandort Österreich am globalen Markt?
Schönfelder: Einen vernachlässigbaren. Die Weltkugel würde sich auch ohne uns weiterdrehen. Manchmal kommt mir aber vor, wir haben Scheuklappen auf und tun so, als wäre Österreich die Welt, und es ist total wichtig, was hier entschieden wird. Dabei sollten wir aber auch einmal über den Tellerrand blicken, ob es bessere Lösungen gibt. Es gilt, die österreichische Mentalität - und daraus resultiert ja dann die Politik - zu diskutieren. Und dabei stehen wir uns selbst im Weg.

krone.at: Woran liegt das?
Schönfelder: Das hat sicher auch historische Gründe. Es hat knapp nach 1900 zwei sehr prägende Ereignisse gegeben, die uns immer noch im Genick sitzen. Unser Image als Raunzer ist ja nicht unbegründet. Ich vermisse in Österreich ein wenig das Positive, das Visionäre, auch in der Wirtschaft. Wenn man in Österreich eine Idee hat, dann wird einem das Leben sehr schwer gemacht. Ich bin Opfer dieser Mentalität, weil ich ein Visionär bin und zuerst das Positive sehe. Aber für Visionäre ist hier nicht viel Platz. Warum kommen denn viele gute Ideen oft aus Amerika? Weil es dort heißt, wenn man eine Idee hat: "Go for it!" In der österreichischen Politik aber scheint es eher darum zu gehen, den anderen schlecht zu machen, als gemeinsam an einer Sache zu arbeiten.

krone.at: Im Wahlkampf wird derzeit das leistbare Wohnen stark zum Thema gemacht. Welche Entwicklung prophezeist du als Investment-Affiner bei den Miet- und Kaufpreisen für Wohnungen?
Schönfelder: In Wien werden die Preise weiter moderat steigen, wenn auch nicht so stark wie bisher. Ich glaube aber nicht, dass wir eine Blase haben. Verglichen mit Paris oder London sind wir bei den Immobilienpreisen ja noch spottbillig. Ich glaube aber, dass das Wohnen im Stadtzentrum und am Stadtrand für viele österreichische Familien in Zukunft nicht mehr leistbar sein wird. Nehmen wir eine mittelständische Familie mit zwei Kindern im Speckgürtel von Wien - die Stadt wächst ja immer mehr nach außen, weil es Regeln dafür gibt, dass sie nicht nach oben wachsen kann. Sagen wir, diese Familie bringt inklusive Förderungen und Darlehen 250.000 Euro zusammen. Was kann sich diese Familie für dieses Geld am Speckgürtel kaufen? Nichts. In Deutsch-Wagram kostet der Quadratmeter 180 Euro, im Tullnerfeld 160 Euro. Jetzt willst du dir ein 1.000-Quadratmeter-Grundstück kaufen, dann sind wir schon auf 160.000 Euro. Und um 100.000 willst du dir jetzt noch ein Häusl hinstellen? Da geht sich nicht mehr viel aus. Da ist die Politik gefordert. Das Thema Wohnpreise aufzugreifen, finde ich also gut - es soll nur kein Spielball werden.

krone.at: Ein anderes umstrittenes Thema im Wahlkampf ist die Millionärssteuer. Könnte diese einen messbaren Teil zur Budgetsanierung beitragen?
Schönfelder: Das wage ich zu bezweifeln. Ob da wirklich so viel reinkommt, dass es sich auszahlt?

krone.at: Wärst du ein Betroffener von der Millionärssteuer?
Schönfelder: Ja, sicher.

krone.at: Aber es gibt doch die steuerliche Begünstigung für Spitzensportler, den sogenannten Sportler-Erlass.
Schönfelder: Schon, aber die Frage ist, wie lange ich davon noch profitiere. Ich weiß ja nicht, wie lange ich noch fahren werde.

krone.at: Wie viele aktuelle ÖSV-Asse wären von der Millionärssteuer betroffen? Wie viele haben eine Million am Konto?
Schönfelder: So viele sind das gar nicht. Vielleicht eine Handvoll, dann sind wir schon fertig. Keine zehn Leute. Um auf den Sportler-Erlass zurückzukommen: Es wäre nicht einmal ein Tropfen auf dem heißen Stein, die paar Sportler komplett zu besteuern, die davon profitieren. Das brächte für das Gesamtbudget überhaupt nichts. Anders gesagt: Der Sportler geht dann halt weg, zum Beispiel nach Andorra oder Monte Carlo. Ist es nicht schöner, wenn der Sportler auch in dem Land wohnt, für das er fährt? Die Skifahrer haben ja auch einen starken internationalen Werbewert für Österreich. Ähnlich ist das auch bei der Vermögensbesteuerung. Auch hier hätte der Vermögende die Möglichkeit, diese Regelung zu umgehen. Ist es jetzt wirklich klug, ihn dazu zu provozieren? Oder will ich als Staat den Vermögenden nicht lieber : Fürchtest du dich vor dem großen Finanzcrash?
Schönfelder: Nein. Ich habe in meinem Portfolio Werte geschaffen, die einigermaßen halten werden - egal ob wir mit Euro zahlen oder mit Schweinen, Bierdeckeln oder Tannen.

krone.at: Welche Werte? Immobilien?
Schönfelder: Gehören dazu, absolut. Das können aber auch Wertpapiere oder Beteiligungen sein, genauso wie Gold, Silber oder Diamanten.

krone.at: Wie viel Bargeld liegt auf deinem Konto?
Schönfelder: Nicht viel. Weil wenn die Bank Pleite geht, ist das Geld auch weg, außer vielleicht die 100.000 Euro Einlagen. Aber ich weiß auch nicht, ob sie mir dann der Staat geben kann. Ich bin nervös, wenn am Konto viel Geld liegt. Ich bin relativ schnell beim Transferieren in eine andere Werthaltigkeit, und zwar in solche, die in der Geschichte der Menschheit immer einen Wert gehabt haben.

krone.at: Breit aufgestellt zu sein, zahlt sich also aus?
Schönfelder: Das ist ein Muss. Und es zahlt sich schon ab dem ersten Cent aus. Es ist ja ein Irrtum zu glauben, Anlage ist nur etwas für Vermögende. Es geht ja darum, dass man sich wohlfühlt und man ruhig schläft, auch wenn Systeme zusammenbrechen. Von mir aus kann der Euro crashen. Ich glaube zwar nicht, dass das passieren wird, und es wäre mir sicher auch nicht wurscht, aber ich habe vorsorglich in andere Werte investiert.

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(Bild: KMM)



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