Taktik Tabubruch

Bushido pflegt mit neuem Song sein Brutalo-Image

Musik
15.07.2013 16:26
Mit seinem neuen Song "Stress ohne Grund" polarisiert der deutsche Rüpel-Rapper Bushido die Musiklandschaft. Schwulenfeindliche Aussagen und Tötungsfantasien gegenüber deutschen Politikern und Prominenten entfachten heftige Diskussionen. Doch die Medienpräsenz ist dem 34-Jährigen mit seinen jüngsten Ausritten sicher.
(Bild: kmm)

Gezielte Beleidigung oder ausgeklügeltes Marketing? Mit seinen neuesten Ausfällen hat der Rapper Bushido wohl eine rote Linie überschritten. Seine schwulenfeindlichen Tiraden gegen Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und die Tötungsfantasien gegen Oliver Pocher oder Claudia Roth haben den Rapper wieder in die Schlagzeilen gebracht. Wowereit hat bereits Anzeige gegen Bushido erstattet. Der 34-Jährige hat es wieder geschafft, dass über ihn gesprochen wird. Damit ist seine Rechnung wohl aufgegangen.

Stammgast in den Medien
Dabei war Bushido, der an sich Anis Mohamed Youssef Ferchichi heißt, schon seit Wochen immer wieder in den Medien - allerdings nicht wegen seiner Kunst. Im Mai hatten Fahnder Wohn- und Geschäftsräume des Musikers in Berlin und im Umland wegen des Verdachts einer Steuerstraftat durchsucht. Als Deutschlands wohl bekanntester Rapper gehört die Provokation zum Markenzeichen Bushidos. Ob "Bitches" oder "Schwuchteln" - in Sprachbildern voller Gewalt und Rachegelüsten wandelt Bushido immer wieder zwischen Gossen-Lyrik und Ganoven-Sound.

Zu diesem Bild des bösen Buben passt es aber wohl kaum, dass der Plattenmillionär längst nicht mehr dort lebt, wo seine Songs vermeintlich spielen - statt im Hinterhof in Neukölln hält er sich in einer Villa im Grünen auf. Als "Frank Sinatra in Jogginghosen" ("Stern") wird Bushido auch immer wieder hofiert: 2011 wurde er mit dem Integrations-Bambi ausgezeichnet. Davor ließ er sich 2010 mit Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer beim Deutschen Filmpreis in München fotografieren und wurde im gleichen Jahr vom Magazin "GQ" zu einem "Mann des Jahres" gekürt. Im Sommer des vergangenen Jahres machte Bushido ein Praktikum im Büro des CDU-Bundestagsabgeordneten Christian von Stetten.

Provokation als Kalkül
"Bushido muss sich immer wieder seiner Fan-Basis versichern", erklärt der Kultursoziologe Marc Dietrich (Universität Mannheim) den jüngsten Tabubruch des Musikers. "Sein Publikum muss bedient werden." Grenzüberschreitungen verschaffen Aufmerksamkeit. Mit seinem Kollegen Sido und dem Berliner Label Aggro verpasste Bushido der deutschen Rapper-Szene einen herben Ton. Bald kamen Titel auf den Index, was den Musikern zu noch größerer Öffentlichkeit verhalf.

"Stress ohne Grund", eine Zusammenarbeit mit seinem Kollegen Shindy, wurde bereits von YouTube gelöscht, aber das Video lässt sich im Netz leicht auftreiben. Dass sich Schlagersänger Heino für ein Verbot des Songs stark macht, dürfte Bushido-Fans kaum beeindrucken. Anders als in den USA, wo sich Rapper wie 50 Cent und Jay-Z längst mit Pelz, teuren Autos und viel Blingbling als steinreiche Aufsteiger inszenieren, bestehe in Deutschland bei Fans noch immer der Anspruch, dass zu den "Gangsta-Lyrics" auch ein "Gangsta-Lifestyle" passen müsse, erklärt Dietrich.

"Insiderwissen" von Bedeutung
"Wer über das Straßenleben rappt, der muss eine biografische Fundierung im Milieu haben oder zumindest als glaubwürdiger Augenzeuge bestechen", schrieb Dietrich, der sich seit Jahren mit der deutschen Rap-Szene beschäftigt, 2012 im Magazin "Spex". Bushidos aggressive Texte spiegelten eine "Zerrissenheit" zwischen realem Leben und marktträchtiger Inszenierung wider. Was im US-Rap der "Nigga" sei, trete in Deutschland als Gangsta-Rapper mit Migrationshintergrund auf. Mittlerweile zeigt sich aber auch Bushido in Anzug und Krawatte, statt in abgewetzter Streetwear.

Zwar findet auch Marc Dietrich Bushidos Texte zum Teil indiskutabel. Doch der Sozialwissenschaftler zweifelt, dass die Texte auch eins zu eins von Bushido-Zuhörern so verstanden werden. "Bestimmte Wendungen werden anders aufgenommen - das macht sie allerdings nicht besser", sagt Dietrich. Vielen Fans traue er zu, die radikalen Wortspiele einzuordnen, bei anderen sei er sich nicht so sicher. "Es ist wohl eine Bildungsfrage, wie die Texte ankommen."

Bushido ist übrigens am 2. Oktober live im Wiener Gasometer zu Gast und wird seine ursprünglich für den 17. April geplante, aber abgesagte Show nachholen. Karten erhalten Sie unter 01/960 96 999 oder im "Krone"-Ticketshop.

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