Am Südpol entdeckt

Eisrückgang sorgt für “Babyboom” am Meeresgrund

Wissenschaft
12.07.2013 08:55
Eine Art "Babyboom" haben Forscher des Alfred-Wegener-Institutes (AWI) in Bremen auf dem Meeresboden nahe der Antarktis beobachten können. Seit dem Zerfall einer 2.000 Quadratkilometer großen Schelfeisfläche im westlichen Weddellmeer vermehren sich Antarktische Glasschwämme rasant, berichten AWI-Biologen. Die Meeresbewohner reagieren damit deutlich schneller und umfassender auf klimabedingte Veränderungen als bisher angenommen.

Ohne den dicken Eispanzer des "Larsen-A" genannten Schelfeises, der bis 1995 Teile der Wasseroberfläche bedeckte, konnten die Tiere erstaunlich schnell wachsen und sogar Nahrungskonkurrenten verdrängen, schreiben die Wissenschaftler im Fachmagazin "Current Biology".

Glasschwämme gehören zu den ältesten mehrzelligen Lebewesen. Es gibt sie seit ungefähr 600 Millionen Jahren. Sie leben hauptsächlich auf dem Meeresgrund rund um die Antarktis und ernähren sich von kleinstem Plankton. Mit ihren bis zu zwei Meter großen, vasenähnlichen Körpern bieten sie gute Rückzugsmöglichkeiten für kleine Fische (Bild 2) und andere Meeresbewohner (Bild 3).

Zahl der Schwämme hat sich verdreifacht
Nach den Beobachtungen der AWI-Biologen hat sich die Zahl der Schwämme im westlichen Weddell-Meer zwischen 2007 und 2011 verdreifacht - trotz Wassertemperaturen von minus zwei Grad. Nach dem Verschwinden des Hunderte Meter dicken Schelfeis-Deckels spielt dabei wohl vor allem Licht eine Rolle. Wo zuvor Kälte, Dunkelheit und Futterknappheit herrschten, wächst nun Plankton in den oberen Wasserschichten und rieselt später als Nahrung zum Meeresboden herab.

"Es passiert einiges. Und sehr viel schneller, als wir gedacht haben", sagte Forscher Claudio Richter, der 2011 mit Kollegen eine Expedition in die schwer zugängliche Region unternahm. Ein Unterwasserroboter untersuchte damals den Boden in 140 Metern Tiefe - wie zuvor schon im Jahr 2007.

"Starke Veränderungen" in wenigen Jahren
Wo früher viele Seescheiden und nur vereinzelte Glasschwämme zu sehen waren, fanden die Wissenschaftler nun eine Art explodierte Glasschwamm-Besiedlung - und überhaupt keine Seescheiden mehr. "Die Antarktis wird produktiver, wir werden mehr Leben am Meeresboden haben", so Richter, der aber offen lässt, ob diese Entwicklung positiv ist.

Als Schelfeis wird der Fortsatz eines Gletschers bezeichnet, der auf dem Meer schwimmt. Das "Larsen-A" genannte Schelfeis war während eines Sturms im Jänner 1995 in unzählige Eisberge zerfallen, was weltweit für Schlagzeilen sorgte, denn nie zuvor hatten Wissenschaftler – viele sahen darin eine Folge des Klimawandels - ein Schelfeis so schnell auseinanderbrechen sehen.

Glasschwämme als Klimawandel-Gewinner?
Bisher gingen die Forscher davon aus, dass Lebensgemeinschaften auf dem Meeresgrund der Antarktis nur sehr langsam auf klimabedingte Veränderungen reagieren. Manche dachten auch, dass große Glasschwämme mindestens 10.000 Jahre alt sein müssen. Jetzt ist klar, dass die Tiere schnell wachsen können. "Es gibt starke Veränderungen und wir müssen das in den nächsten Jahren beobachten", sagte Richter.

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