Rechtsbruch droht

90-Tage-Frist: Völliges Chaos um Rückzug vom Golan

Österreich
19.06.2013 07:14
Politisches Chaos um den Abzug der österreichischen Blauhelme von den Golanhöhen. Zwölf Tage nachdem die Regierungsspitze in seltener Einigkeit das Ende des UNO-Einsatzes in der Pufferzone zwischen Israel und Syrien beschlossen hat, steht die Koalition jetzt vor unerwarteten Schwierigkeiten. Es wirkt, als hätte die Regierung das Kleingedruckte nicht gelesen (siehe Kommentar unten).

In einem Vertrag der Republik mit den Vereinten Nationen steht nämlich, dass ein blitzartiger Abzug von den Golanhöhen nicht möglich ist. Für einen Rückzug hätten die österreichischen Blauhelme demnach eine Frist von 90 Tagen einzuhalten.

Gegenseitige Schuldzuschiebung
Dieser Absatz ist offenbar bei der Abzugsankündigung übersehen worden. Innerhalb der Regierung schiebt man sich nun gegenseitig die Schuld für dieses Versäumnis zu. Das Außenministerium macht das Verteidigungsministerium verantwortlich, das Verteidigungsministerium ortet die Zuständigkeit wiederum im Ressort von Außenminister Michael Spindelegger.

Tatsächlich ist die Sachlage nicht ganz einfach. Der Urvertrag mit der UNO reicht in das Jahr 1974 unter Bundeskanzler Bruno Kreisky zurück. Im Jahr 2002 war es unter Kanzler Wolfgang Schüssel zu Verhandlungen über Vertragsänderungen gekommen, die schließlich im Juni 2008 beschlossen worden sind. Zuständig war damals das Außenministerium unter Ursula Plassnik.

Muss Österreich Fidschi die Ausrüstung überlassen?
Experten in New York weisen nun zwar darauf hin, dass ein vorzeitiger Abzug möglich sei. "Aber wie immer, wenn man aus einem Vertrag vorzeitig aussteigen will, wird die Angelegenheit dann teuer", sagt ein Diplomat, der namentlich nicht genannt werden will. Die Kosten könnten im konkreten Fall bedeuten, dass das Verteidigungsministerium sämtliche militärischen Ausrüstungsgegenstände den Soldaten von den Fidschi-Inseln überlassen muss, die Österreichs Blauhelme ersetzen sollen.

Am Dienstagabend bestätigten die Fidschi-Inseln, mit mehr als 500 Blauhelmsoldaten auf den Golanhöhen einspringen zu wollen. Der kleine Inselstaat im Südpazifik werde im Juni 170 Soldaten in das bergige Gebiet schicken, teilten UNO-Diplomaten in New York mit. Diese sollen die Blauhelme aus Japan und Kroatien ersetzen, die bereits abgezogen wurden, sowie die rund 380 Soldaten, die Österreich abzieht.

UNO hält an Golan-Mission fest
Kommende Woche entscheidet der UNO-Sicherheitsrat über eine Verlängerung der Mission UNDOF um sechs Monate. Alle 15 Mitglieder des mächtigsten UN-Gremiums hätten bereits übereingestimmt, dass die Mission fortgesetzt und verstärkt werden müsse, sagte der britische UNO-Botschafter und derzeitige Ratsvorsitzende Mark Lyall Grant.

Kommentar:Das Kleingedruckte nicht gelesen?
Jeder durchschnittlich aufmerksame Konsument weiß, dass er bei einer Vertragsunterzeichnung auch das Kleingedruckte lesen sollte. Eine kleine Nachlässigkeit könnte einen sonst spätestens bei der Vertragsauflösung teuer zu stehen kommen.

Das sind Binsenweisheiten, die man in vielen Broschüren etwa der Arbeiterkammer finden kann. Von Regierungsmitgliedern darf daher mit Fug und Recht erwartet werden, dass sie zumindest über die Grundkenntnisse allgemeinen Geschäftsgebarens verfügen. Tun sie offenbar nicht.

Anders ist es nicht zu erklären, dass die Spitzen der Republik erst jetzt merken, wie schwer es ist, aus dem Golan-Vertrag mit der UNO herauszukommen. Man hatte schlicht und einfach auf das Kleingedruckte vergessen. In einem im Juni 2008 zwischen dem österreichischen Außenministerium und den Vereinten Nationen unterzeichneten Vertrag steht nämlich, dass für den Truppenabzug von den Golanhöhen eine Frist von 90 Tagen nach Vertragskündigung einzuhalten ist.

Wenn jetzt das Außenministerium so tut, als hätte es von alldem nichts gewusst, und die alleinige Verantwortung dem neuen Verteidigungsminister Gerald Klug zuschiebt, ist das ein schäbiges Wahlkampfmanöver.

Klar ist nur, dass hier alle zusammen ziemlichen Mist gebaut haben. Der erste Fehler ist allerdings schon passiert, als sich Österreich vor Jahren so einen Knebelvertrag mit der UNO überhaupt hat aufschwatzen lassen.

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