Klage eines Zöglings

Stift Kremsmünster: NS-Kult, “GeStiPo”, Scheinexekutionen

Österreich
07.05.2013 18:29
Ein Missbrauchsopfer erhebt in einer Zivilklage neue, schockierende Vorwürfe gegen frühere Verantwortliche des Stiftes Kremsmünster in Oberösterreich. Darin ist unter anderem von Gruppenvergewaltigungen, Scheinexekutionen durch eine "GeStiPo" (Geheime Stiftspolizei) und Nazi-Relikten die Rede. Im Mittelpunkt steht ein 79-jähriger ehemaliger Pater, der mit einer Anklage rechnen muss, sowie mehrere Lehrer und Erzieher.

Bereits Ende 2012 brachten zwei ehemalige Klosterschüler eine Feststellungsklage gegen das Stift ein, in der es um die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle bzw. ein Eingeständnis der Mitwisserschaft geht. Ein Urteil ist noch ausständig. Nun hat sich ein weiteres Opfer entschlossen, vor Gericht zu ziehen. Am Dienstag ging im Landesgericht Steyr der erste Verhandlungstag über die Bühne.

Der Mann, der unter dem Namen Roland H. auftritt, verlangt vorläufig einen Teilbetrag von 30.000 Euro, behält sich aber eine Ausdehnung der Forderung vor. Der Betroffene habe es nie geschafft, wieder völlig auf die Beine zu kommen, so sein Anwalt Johannes Öhlböck. Er sei nicht mehr arbeitsfähig und lebe heute unter der Armutsgrenze, heißt es in der Klagsschrift. Alleine der Verdienstentgang wird mit 450.000 Euro beziffert.

Pater soll "GeStiPo" eingesetzt haben
Neben zahlreichen sexuellen und anderen gewalttätigen Übergriffen, die teilweise auch Gegenstand des Strafverfahrens sind, enthält das Schriftstück weitere bisher nicht bekannte Vorwürfe gegen das "System Kremsmünster". So soll es eine "GeStiPo" aus älteren Schülern gegeben haben. Diese habe der Ex-Pater eingesetzt und später bewusst geduldet.

Einmal sei dem Kläger beispielsweise von mehreren Kollegen ein Plastiksack über den Kopf gezogen worden. Dann hätten sie ihn zusammengeschlagen, bis er die Besinnung verloren habe. Ein anderes Mal sei ihm ein Skistock mit der Spitze an den Hals gesetzt und erklärt worden: "Jetzt ist es aus mit dir." Der Betroffene habe derartige Aktionen als "Mordversuche" und "Scheinexekutionen" erlebt, ist in der Klagsschrift zu lesen.

SS-Dolch und Hakenkreuz-Teller
Immer wieder werden auch NS-Relikte erwähnt: So soll der angeklagte Ex-Pater seinem Zögling von Geheimbünden und Auserwählten erzählt und ihm dabei einen Dolch mit der Inschrift "Meine Ehre heißt Treue", dem Wahlspruch der SS, gezeigt haben. Außerdem ist die Rede davon, dass noch in den 1980er-Jahren im Stift von Tellern mit Hakenkreuzen auf der Rückseite gegessen worden sei. Diese faschistische Ideologie habe vor allem der Ex-Pater vertreten. Begriffe wie "minderwertiges Leben" seien Teil der Diktion im Internat gewesen - der Kläger denke bis heute, er dürfe sich nicht fortpflanzen, so sein Anwalt.

Zöglinge per Fingerzeig als "vogelfrei" erklärt?
Die Klagsschrift schildert zudem zahlreiche gewalttätige Übergriffe durch Lehrer und Erzieher sowie sexuellen Missbrauch durch den 79-Jährigen. Dieser habe Zöglinge per Fingerzeig als "vogelfrei" erklärt. Die Schüler hätten das in "vögelfrei" umbenannt, denn der Betroffene habe dann von allen "ausgegriffen" werden dürfen. Der Kläger sieht darin eine "befohlene Gruppenvergewaltigung".

Der Mann geht davon aus, dass er wegen familiärer Probleme bereits von vornherein als "Opferkind" ausgesucht worden sei. So habe der Ex-Pater den Vater des Klägers vor Besuchen "scharfgemacht", damit dieser seinem Sohn, der sich angeblich nicht gut benahm, bereits mit Wut gegenübertreten möge. Dem Buben sei es dadurch nicht möglich gewesen, sich ihm anzuvertrauen.

Verhandlung vertagt, Gutachter am Wort
Nach der ersten Tagsatzung wurde die Verhandlung am Dienstagnachmittag auf unbestimmte Zeit vertagt. Nun ist ein Gutachter am Wort, um die Frage der Verjährung zu klären. Weiters soll ein Psychiater den Kläger begutachten und feststellen, ob er an einer Störung leidet, die ihn gehindert hat, die Sache früher anzuzeigen, erklärte Öhlböck. Der Anwalt erinnerte an eine Aussage des heutigen Abtes von Kremsmünster, Ambros Ebhart, wonach es "Verjährung für uns nicht gibt".

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