Heut schon geflucht?

Fluchen gehört in aller Welt zum guten Ton

Wissenschaft
27.09.2005 07:20
Schimpfwörter, Flüche und Beleidigungen sind fester Bestandteil jeder Sprache - und eine Grundvoraussetzung für das friedliche Zusammenleben. Zu dieser Überzeugung jedenfalls kamen Sprachwissenschaftler und Psychologen aus aller Welt, die dem Ursprung, der Bedeutung und der Wirkung von Schimpfwörtern in ihren Sprachen und Dialekten nachgingen.

Fluchen funktioniert wie ein Ventil für unterdrückte Emotionen, erläuterte der amerikanische Psychologieprofessor und Autor des Buches "Warum wir fluchen", Timothy B. Jay, in New York. Kranke brauchten Flüche, um sich kurzfristig von Schmerzen zu befreien, sagt Jay. Lehrer schimpften, um ihrer Frustration und dem aufgestauten Ärger über den Schulalltag Luft zu machen, und Athleten könnten fluchend besser Niederlagen einstecken.

"Schimpfen hilft Menschen, Emotionen auszuleben, ohne dass Unbeteiligte darunter zu leiden haben", sagt Jay. Die Möglichkeit, verbal zu explodieren, verhindere gewalttätige Auseinandersetzungen, wie sie im Tierreich üblich sind. Leider werde der Wert dieser Art von Aggressionsbewältigung noch oft unterschätzt, bedauert Jay.

Männer fluchen öfter
Der Psychologe vom College of Massachusetts fand auch heraus, dass Männer wesentlich häufiger fluchen als Frauen. Kleine Jungs und Mädchen fänden Schimpfwörter noch gleichermaßen chic. Doch mit zunehmenden Alter sehe das weibliche Geschlecht Fluchen als Zeichen des Kontrollverlusts und der Schwäche an, sagt Jay. Außer dem Geschlecht spiele auch die gesellschaftliche oder berufliche Position eine Rolle: Rektoren fluchen eher als andere Angestellte einer Universität, fand der Forscher bei seinen Studien heraus.

Immer mehr Wissenschaftler entdecken das Thema Fluchen als spannendes Untersuchungsobjekt. Einige ihrer Studien wurden in der "New York Times" vorgestellt. So entdeckten Forscher, dass Menschen ein besseres Gedächtnis für derbe Flüche als für neutrale Begriffe haben und dass Fluchen keinesfalls eine Erscheinung der Neuzeit ist.

Schon die frühesten bekannten Schriftstücke, die mehr als 5000 Jahre alt sind, enthalten anrüchige Beschreibungen des menschlichen Körpers und seiner Funktionen, fanden die Sprachexperten. Selbst William Shakespeare spickte seine Theaterstücke mit Ausrufen, die zu seiner Zeit nicht zum guten Ton gehörten und unter anderem einem deutschen "Sapperlot!" entsprachen.

Sprache nicht verschmutzen
Während Schimpfen den Schimpfenden erleichtert, weckt sein verbaler Ausbruch beim Zuhörer eher unangenehme Empfindungen. Mit Gänsehaut, einem beschleunigten Pulsschlag und einer flacheren Atmung reagierten Testpersonen, denen Obszönitäten klar und deutlich vorgelesen wurden. "Menschen können sehr empfindlich sein, wenn es um ihre Sprache geht", sagt Kate Burridge, Linguistikprofessorin an der Monash Universität in Melbourne (Australien). Sprache sei für viele eine Kostbarkeit, deren Beschmutzung sie verletzt.

Trotzdem bereichern Flüche und schlüpfrige Anspielungen eine Sprache eher, als dass sie ihr Schaden antun, glauben die Sprachwissenschaftler. Ein Beispiel ist laut Burridge das Wort "Toilette", ursprünglich nur der französische Begriff für kleines Handtuch, aus dem - höflich umschrieben - das stille Örtchen für die Verrichtung der Notdurft wurde.

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