Wahlentscheidend?

Lautstarkes Anti-Euro-Geschrei ist in Deutschland Trumpf

Ausland
15.04.2013 11:53
Während in Deutschland die SPD unter Kanzlerkandidat Peer Streinbrück mit sozialer Gerechtigkeit um die Gunst der Wähler buhlt - und damit zu scheitern droht -, brilliert die neue Anti-Euro-Partei "Alternative für Deutschland" mit steilen Thesen zur Abschaffung des Euro. "Wie ist das möglich?", fragten sich deutsche Medien und Experten am Montag. Die Regierungsparteien, die Stimmenverluste an die Neo-Partei bei der kommenden Bundestagswahl fürchten müssen, schossen sich indessen auf die Forderungen der AfD ein und sprachen von "gefährlicher Nostalgie".

"Das Originellste an der neuen Partei ist der Name. 'Alternative für Deutschland': Das ist die Antwort darauf, dass Angela Merkel ihre Politik immer wieder als 'alternativlos' bezeichnet hat", schreibt der renommierte Rechtswissenschaftler Heribert Prantl in einem Kommentar in der "Süddeutschen Zeitung" über die Neo-Partei. Das politische Alternativangebot sei demnach zwar eher dürftig - die AfD fordert vor allem das Ende des Euro (siehe Infobox) - aber für den Anfang kann das reichen, ist Prantl überzeugt.

Neo-Partei könnte Ausgang der Wahl entscheiden
Es kann reichen, um die regierende CDU unter Merkel das Fürchten zu lehren, heißt es in dem Kommentar weiter. "Weil die Euro-Kritik dieser Partei auf eine große Euro-Skepsis im Lande trifft und weil die Partei nicht von Spinnern, sondern von ehrengeachteten Leuten verkörpert wird, kann es sein, dass sie als Professorenpartei vorübergehend Erfolg hat", so der Rechtswissenschaftler. Sollte es der neuen Partei gelingen, auf Kurs zu bleiben - dann wird die AfD laut Prantl den Ausgang der Bundestagswahl im Herbst entscheiden.

Als "historischen Tag" bezeichnet indessen das "Handelsblatt" den vergangenen Sonntag in einer Analyse. Nicht etwa, weil die Sozialdemokraten versuchten, "endlich ihren Pannen-Wahlkampf hinter sich zu lassen und mit ihrem Spitzenkandidaten Peer Steinbrück zum wiederholten Mal durchzustarten. Es ist eine kleine Partei, die heute Geschichte schreibt, eine Partei, die sich 'Alternative für Deutschland' nennt und die sich anschickt, die deutsche Parteienlandschaft gehörig aufzumischen", schreibt die Wirtschaftszeitung.

Wie gewaltig die Welle sei, die die erste Anti-Euro-Partei jetzt schon ausgelöst habe, zeige der Zeitung zufolge der Umstand, dass die "Tagesschau" um 12 Uhr bereits in der zweiten Meldung über den Gründungsparteitag der AfD berichtete - gleich hinter der Meldung über den SPD-Parteitag.

Wutbürger wollen Politik der Euro-Retter stoppen
Für die AfD gehe es, neben dem Ersteinzug in den deutschen Bundestag, in erster Linie darum, die derzeitige Politik der Euro-Retter zu stoppen, so das "Handelsblatt" weiter. Parteichef Bernd Lucke sagte bei der offiziellen Parteigründung am Sonntag, seine Partei wolle den Euro abschaffen und die "Demontage rechtsstaatlicher Grundsätze stoppen".

Auch die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" bewertet den Start der Neo-Partei am Montag durchaus als Erfolg. Was Wirtschaftsprofessor Lucke, der 33 Jahre lang Mitglied der CDU war, den rund 1.500 Teilnehmern des Gründungskongresses gesagt hatte, war, "dass die AfD eine Partei aus der Mitte der Gesellschaft sei, getragen von einer Woge des Enthusiasmus, aber auch getrieben von Zorn über die 'heillose Euro-Rettungspolitik'", so die "FAZ". Die AfD gleiche nach den Worten des Partei-Mitbegründers dem Vormärz, als das Volk die Macht der Herrschenden infrage stellte.

Partei will sich nicht auf andere Themen einlassen
Die Partei werde die etablierten Kräfte da angreifen, wo sie schwach seien, bei den Themen Euro, Europa, Rechtsstaat, Demokratie, machte Lucke laut dem Zeitungsbericht die Positionen der AfD klar. Man wolle sich nicht auf andere Themen einlassen, sondern auf diesem Feld attackieren und attackiert werden. Das Schimpfen kam der "FAZ" zufolge bei der Parteigründung auch nicht zu kurz: auf den "degenerierten Bundestag, den Brüsseler Wasserkopf, die dumme Idee, eine gescheiterte Rettungspolitik weiterzutreiben, den falschen Stolz, den politischen Riesenfehler Euro nicht eingestehen zu können".

Das Ziel, die Politik der Euro-Retter zu stoppen, werden die Polit-Newcomer allerdings laut "Handelsblatt" kaum erreichen. Dennoch sind sie nicht zu unterschätzen. Sie haben das Potenzial, den Regierungsparteien bei einem knappen Wahlausgang im Herbst zu schaden. Dessen sind sich auch die Koalitionspolitiker bewusst. Sie kritisierten die neue Partei wegen deren Ablehnung des Euro am Montag aufs Schärfste.

CDU warnt vor "gefährlicher Nostalgie"
"Die Forderung nach einem Zurück zur D-Mark ist gefährliche Nostalgie", gab etwa der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU), der "Rheinischen Post" zu bedenken. Trotz aller Schwierigkeiten könne Deutschland sein Potenzial nur in einem geeinten Europa voll entfalten. "Dies werden wir im Wahlkampf den Bürgern deutlich machen", so Grosse-Brömer.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte der "Bild"-Zeitung, die neue Partei biete "keine echten Lösungsvorschläge" an. "Es reicht nicht, nur Rundumschläge gegen Europa auszuteilen, ohne zu sagen, wie man es besser machen soll." Der hessische CDU-Fraktionschef Christean Wagner sagte der Zeitung, der Ausstieg aus dem Euro "wäre ein Sprung zurück ins vergangene Jahrtausend". Bei der "Alternative für Deutschland" seien "Leute von gestern" aktiv.

AfD als Anlaufstelle für enttäuschte CDU-Anhänger
Wenn man ehemalige CDU-Anhänger als "Leute von gestern" bezeichnen will, mag diese Aussage durchaus zutreffen - denn besonders viele der AfD-Mitstreiter stammen aus den Reihen der Union, wie die "FAZ" schreibt. Laut Selbstauskunft in den Antragsformularen zur Parteiaufnahme kommen aber auch knapp 400 Neumitglieder aus dem kleinen Koalitionspartner FDP, rund 350 aus der SPD, 90 von den Piraten und 70 von den Grünen.

In gerade einmal zwei Monaten haben sich jedenfalls bereits 7.000 Menschen der AfD angeschlossen - darunter namhafte Wirtschaftswissenschaftler wie Joachim Starbatty und Wirtschaftsvertreter wie der frühere Präsident des Bundesverbands der deutschen Industrie, Hans-Olaf Henkel, der allerdings nur als Unterstützer auftritt. Bei einer Umfrage hatten zuletzt 24 Prozent der Wahlberechtigten erklärt, sie könnten sich vorstellen, bei der Bundestagswahl im September für die neue Partei zu stimmen.

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