Armee ist erzürnt

Amtlicher Erlass: Alle Ägypter sind jetzt Polizisten

Ausland
13.03.2013 10:22
Ägyptens Generalstaatsanwalt Talaat Abdullah hat am Wochenende per Erlass alle Staatsbürger zu Polizisten gemacht. Wie die "Zeit" in ihrer Onlineausgabe berichtet, darf künftig jeder jeden festnehmen. Hintergrund sind die auch mehr als zwei Jahre nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Hosni Mubarak immer noch prekäre Sicherheitslage sowie Großstreiks der Polizei. Die Armee sieht mit dem Dekret das "Ende des Rechtsstaats" gekommen und droht mit einem Eingriff.

Abdullahs Erlass besagt, dass jeder Ägypter einen anderen Bürger auf eigene Faust festnehmen kann, wenn dieser "öffentliches oder privates Eigentum beschädigt, den Verkehr blockiert oder andere Menschen terrorisiert" - eine radikale Maßnahme, die heiße Diskussionen entfacht hat.

Die Privat-Polizisten dürften jedenfalls genug zu tun bekommen. Schließlich funktioniert die reguläre Polizeiarbeit längst nicht mehr. Derzeit streiken Zehntausende Polizisten in etwa der Hälfte der 29 ägyptischen Provinzen. Besonders betroffen sind die Halbinsel Sinai an der Grenze zu Israel bzw. dem Gazastreifen sowie Großstädte wie Alexandria oder Ismailia. Die Kriminalität, etwa durch Schmuggler oder Randalierer, ist kaum noch in den Griff zu bekommen.

Muslimbrüder wollen Verhaftungen durch Privatfirmen
Das neue Dekret beflügelt nicht nur die Fantasie von Law-and-Order-bewussten Bürgern, sondern auch politische und religiöse Gruppierungen. So erwägen laut "Zeit" etwa die Muslimbrüder, auch privaten Sicherheitsfirmen Verhaftungen zu erlauben.

In einigen Städte haben sich außerdem bereits sogenannte Bürgerkomitees aus Freiwilligen gebildet, die teils von der militanten Gruppierung Gamaa Islamija unterwandert sind. Die islamistische Organisation wird von der ägyptischen Regierung und den USA als terroristische Vereinigung eingestuft.

Armee sieht "Ende des Rechtsstaats" gekommen
Entsprechend entsetzt reagierten die liberalen Parteien und die demokratische Jugendbewegung auf die Verordnung. Auch die Armee warnte eindringlich: Der Erlass zur Bürgerpolizei sei ein Versuch, private Milizen von Salafisten und Muslimbrüdern zu legalisieren. Das sei das "Ende des Rechtsstaats" und führe Ägypten an den Rand eines Bürgerkrieges.

Die Zeitung "Al-Ahram" ließ einen Offizier zu Wort kommen, der mit einer Militärintervention drohte: Das Dekret "kann die Armeeführung zwingen, einzugreifen", so der nicht namentlich genannte Mann.

Händler könnten knausrige Touristen als Spione festnehmen
Die ägyptischen Reiseveranstalter und Hoteliers befürchten unterdessen Umsatzeinbußen. Ihab Mussa, der Vorsitzende der ägyptischen Koalition für die Unterstützung des Tourismus, sprach von einer "merkwürdigen Entscheidung", die dem Tourismus schaden könnte. "Wenn etwa ein Tourist einem Händler nichts abkaufen will, kann ihn dieser der Spionage bezichtigen und dann festnehmen", sagte er dem Nachrichtenportal "Ahram Online".

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