Strompreis-Randale

Regierung in Bulgarien tritt nach Protestwelle zurück

Ausland
20.02.2013 22:08
Die seit Wochen schwelenden Proteste gegen die hohen Strompreise haben Mittwoch früh in Bulgarien zu einem politischen Erdbeben geführt: Premier Bojko Borissow und die gesamte Regierung sind zurückgetreten. "Es möge das Volk entscheiden", sagte Borissow im Parlament. Noch tags zuvor hatte er einen Rückzug ausgeschlossen. Zielscheibe der Proteste, die auch nach dem Rücktritt weitergingen, ist neben der bulgarischen Politik auch der österreichische Stromanbieter EVN.

Er werde nicht Teil einer Regierung sein, unter der die Polizei die Bevölkerung schlägt, so Borissow am Mittwoch. Jeder Tropfen Blut sei ein Fleck auf seiner persönlichen Ehre und jener seiner Partei. Borissow sprach damit die teils gewaltsam verlaufenen Proteste der bulgarischen Bevölkerung gegen die Sparpolitik der bürgerlichen Regierung an. Insbesondere die hohen Strompreise hatten die Tumulte angeheizt.

Zielscheibe EVN
Die Protestwelle läuft seit Wochen durch das Land und richtet sich unter anderem gegen das Monopol von ausländischen Stromanbietern. Damit ist auch die niederösterreichische EVN im Schussfeld, die in Bulgarien in großem Stil tätig ist. Autos des Stromanbieters wurden zuletzt Ziele von Brandanschlägen (siehe Infobox).

Auch nach dem Rücktritt der Regierung gingen Tausende Demonstranten am Mittwoch den dritten Abend in Folge wieder auf die Straße. In der Hauptstadt Sofia blockierten sie am Abend die wichtigste Kreuzung. Erst am Dienstag war es in Sofia zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Dabei wurden zehn Menschen verletzt und 25 festgenommen, wie die Polizei berichtete. Vier Polizeifahrzeuge gingen in Flammen auf.

Fernsehbilder zeigten turbulente Szenen: Maskierte Jugendliche griffen Polizisten mit Steinen, Schlagstöcken und Knallkörpern an, die Sicherheitsbeamten setzten Schlagstöcke ein. Randalierer schlugen die Fensterscheiben von Nobelgeschäften in der Fußgängerzone des Boulevard Witoscha in der Innenstadt ein. Vor dem Rathaus in Warna im Osten Bulgariens zündete sich Mittwoch früh ein Mann selbst an. Er konnte von der Polizei gerettet und ins Krankenhaus gebracht werden.

Erstes Todesopfer in der Nacht auf Dienstag
Im zentralbulgarischen Weliko Tarnowo hatten die Proteste zuvor ein erstes Todesopfer gefordert: In der Nacht auf Dienstag übergoss sich ein 26-Jähriger angeblich aus Protest mit Benzin und steckte sich in Brand. Er starb im Krankenhaus.

Bereits am Montag war Finanzminister Simeon Djankow aufgrund der Proteste zurückgetreten. Etwas mehr als 24 Stunden später folgte ihm die gesamte Regierung. Die nächsten regulären Parlamentswahlen im ärmsten Land der EU hätten in wenigen Monaten stattgefunden.

Opposition will rasche Neuwahlen
Die bulgarische Opposition forderte nach dem Totalrückzug des Kabinetts eine Übergangsregierung sowie rasche Neuwahlen. Da die Vorbereitungsphase für Wahlen 80 Tage dauert, ist nach Meinung von Experten jedoch fraglich, ob eine Wahl vor dem ursprünglich geplanten Termin möglich ist. Borissow lehnte eine Beteiligung seiner Partei GERB an einer Übergangsregierung ab.

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