Schuld an Freitod?

Israel entschädigt Angehörige von “Gefangenem X”

Ausland
15.02.2013 16:35
Wer ist schuld am mysteriösen Tod des australisch-israelischen Häftlings Ben Zygier im Dezember 2010? Darüber ranken sich in Israel weiter wilde Spekulationen. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft, berichtete die Zeitung "Yediot Achronot" am Freitag. Laut dem Blatt "Haaretz" wiederum zahlt der Staat eine Entschädigung in Millionenhöhe an Zygiers Angehörige. Überhaupt mehren sich die Hinweise auf ein staatliches Verschulden am Selbstmord des möglichen Mossad-Agenten.

"Wenn die Richterin nichts Verdächtiges herausgefunden hätte, hätte sie den Fall nicht an uns abgegeben", sagte ein Mitarbeiter des Justizministeriums gegenüber "Yediot Achronot". Die Regierung erwäge eine Klage, so die nicht namentlich genannte Quelle weiter. Die Richterin, die mit dem Fall befasst war, habe ihren Abschlussbericht für weitere Ermittlungen wegen "möglicher Fahrlässigkeit" des Gefängnispersonals an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, berichtete die Zeitung.

Mehrere Millionen Schekel Entschädigung
Laut "Haaretz" soll die Entschädigungszahlung bereits vor etwa sechs Wochen vereinbart worden sein. Vertreter des Staates Israel und Angehörige Zygiers hätten die Vereinbarung nach Abschluss der internen Untersuchung zum mysteriösen Todesfall unterzeichnet. Die Höhe bezifferte die Zeitung unter Berufung auf einen Insider auf mehrere Millionen Schekel (1 Schekel = 20 Eurocent).

Die Untersuchung habe ergeben, dass sich Zygier im Badezimmer seiner Gefängniszelle erhängt hat. Der Nebenraum von Israels sicherster Zelle im Ajalon-Gefängnis im zentralisraelischen Ramla sei zum Schutz der Privatsphäre nicht kameraüberwacht gewesen. Dafür sei ein System installiert gewesen, das Alarm schlägt, wenn es einige Sekunden lang keine Atmung oder Bewegungen registriert. Geschehen war der Vorfall am 15. Dezember 2010, acht Monate nachdem Zygier in Isolierhaft genommen worden war (siehe Infobox).

"Hör zu, er hat sich erhängt"
Das israelische Fernsehen veröffentlichte am Freitag die Abschrift eines Notrufs aus dem Gefängnis, datiert auf den Todestag Zygiers, der sich im Alter von 34 Jahren das Leben nahm: "Hier ist das Ajalon-Gefängnis, ich brauche sofort einen Rettungswagen", habe eine der Wachen gesagt und nervös hinzugefügt: "Hör zu, er hat sich erhängt." Eine Obduktion habe später als Todesursache Ersticken durch Erhängen ergeben.

Wie sich Zygier angesichts der Sicherheitsvorkehrungen umbringen konnte, ist weiterhin ebenso unklar wie der Grund seiner Inhaftierung. Die Behörden schweigen eisern, Medien spekulieren über Geheimnisverrat. Der angebliche Mossad-Agent Zygier könnte Informationen über die Verwendung australischer Pässe bei israelischen Geheimoperationen verraten haben oder kurz davor gestanden sein, das zu tun.

Debatte über Geheimdienstpraktiken auch in Australien
Unterdessen ist eine Debatte darüber entbrannt, wie der israelische Geheimdienst Mossad bei Operationen im Ausland Reisepässe von Drittstaaten verwendet. Zygier soll als israelischer Agent unmittelbar vor seiner Inhaftierung an der Ermordung eines hochrangigen Hamas-Mitglieds in Dubai beteiligt gewesen sein. Für diese Operation soll der Mossad laut einer Untersuchung im Emirat mehr als ein Dutzend ausländische Pässe verwendet haben – darunter vier australische und einen deutschen.

"Es ist gut möglich, dass Zygier Bereitschaft signalisiert hatte, in der Sache auszusagen, was so aber verhindert wurde", zitiert der "Sydney Morning Herald" den früheren australischen Staatsschützer Warren Reed. "Australien ist ein sauberes Land, das wie nur wenige andere Staaten in diesen Ländern (gemeint sind etwa der Libanon, Syrien oder der Iran, die Inhaber eines israelischen Passes nicht einreisen lassen) einen guten Ruf genießt. Deshalb kann unsere Nationalität für Geheimdienste sehr interessant sein", sagte Reed. "Das macht nicht nur Israel, aber der Mossad ist auf diese Praktiken sicherlich weitaus mehr angewiesen als andere Dienste."

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