Nach Volksbefragung

Parteien basteln bereits an einer “Wehrpflicht neu”

Österreich
21.01.2013 14:16
Nachdem sich die Mehrheit der Österreicher am Sonntag für die Beibehaltung der Wehrpflicht entschieden hat, liegt es nun an der Politik, die von ihr angekündigte Reform in Angriff zu nehmen. Vizekanzler Michael Spindelegger meinte dazu gleich am Sonntagabend nach Bekanntgabe des Ergebnisses der Volksbefragung: "Morgen ist der erste Tag für die Reform."

Die ÖVP wolle eine Attraktivierung der Wehrpflicht flott angehen, erklärte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner nach einer Sitzung des ÖVP-Vorstands Montagmittag. Details für ihr Reformkonzept blieb die Volkspartei vorerst schuldig. Immerhin skizzierten Spindelegger und Mikl-Leitner aber, was sie sich unter einer reformierten Wehrpflicht in etwa vorstellen. So pochte die Innenministerin neuerlich auf einen "Talente-Check" im Rahmen der Stellung, durch den Präsenzdiener optimal eingesetzt werden sollen. Zudem wird auf die Themenfelder Erste Hilfe, ABC-Grundschulung, Staatsbürgerkunde sowie Gesundheit/Sport/Ernährung gesetzt.

Spindelegger: Wehrpflicht soll "erlebnisorientierter" werden
Die Ausbildung soll jedenfalls "erlebnisorientierter" werden, meinte Spindelegger. Auf die Talente der Rekruten müsse ebenfalls mehr Rücksicht genommen werden. Das gesamte System soll hinterfragt und verbessert werden, erkennt er eine Chance für eine "Wehrpflicht neu". "Es ist ganz entscheidend, dass wir einen Wehrdienst ohne Leerlauf organisieren, das darf nicht passieren. Alle Systemerhalter sind kritisch zu hinterfragen."

Nun gebe es jedenfalls viele Punkte, die mit dem Regierungspartner erörtert und rasch umgesetzt werden müssen. Vorstellbar ist für den Vizekanzler etwa ein Arbeitskreis oder eine Reformgruppe, die sich mit dem Thema beschäftigen soll. Den Frühling will der VP-Chef jedenfalls schon dazu nützen, die Reform fertigzustellen, damit sie bereits im Herbst Wirkung entfalten kann. Für eine entsprechende koalitionäre Arbeitsgruppe hat Spindelegger neben Mikl-Leitner Klubobmann Karlheinz Kopf nominiert.

Darabos für Reform, Regierungsvorlage schon in Arbeit
Verteidigungsminister Darabos hält ebenfalls daran fest, die Wehrpflicht reformieren zu wollen. Schon für den Ministerrat am Dienstag plant er eine Regierungsvorlage. Parallel arbeitet sein Kabinett an einer Weisung zur Bildung einer Reformgruppe im Ressort. Zudem will Darabos die Parlamentsparteien zu Gesprächen einladen. Umgesetzt werden soll die Reform auch nach SPÖ-Plänen bis Ende der Legislaturperiode im Herbst.

Bei einer Pressekonferenz am Sonntagabend betonte der Minister jedoch, dass es dazu zusätzlicher Mittel bedürfe. Dies hatte Finanzministerin Maria Fekter zuvor abgelehnt, auch Spindelegger erteilte Darabos in diesem Punkt am Montag eine Absage. Darabos setzt nun auf weitere Verhandlungen mit seiner Regierungskollegin und der ÖVP. Für den Verteidigungsminister ist jedenfalls klar, dass ein Bundesheer, bei dem Präsenzdiener keine Systemerhalterjobs mehr durchführen sollen, automatisch teurer werden müsse. Es brauche dann zusätzliche Ausbildner, und die Systemerhalterjobs müssten von anderen Beschäftigten durchgeführt werden.

Fischer sieht Notwendigkeit einer Umgestaltung
Auch Bundespräsident Heinz Fischer tritt für rasche Reformen des derzeitigen Modells ein. Diese sollten unter Verteidigungsminister Darabos angegangen werden, sagte er in einer Stellungnahme am Montag in der Hofburg.

Fischer sieht im Votum nun einen "klaren Auftrag" für die Regierung sowie das Parlament, sachlich und zielorientiert Maßnahmen zur Effizienzsteigerung des Bundesheeres zu erarbeiten. Da es sich nicht um eine Partei-, sondern um eine Sachentscheidung handle, sei dies eine günstige Voraussetzung für weitere Schritte. Der Bundespräsident appellierte an alle Parlamentsparteien, an der Umsetzung von Reformen "aktiv und initiativ" mitzuarbeiten. Vorschläge könne man etwa bereits Berichten des Rechnungshofes entnehmen, zudem regte Fischer auch eine Reduzierung der Einberufungstermine an.

"SPÖ und ÖVP unter Zugzwang"
"Nach der Volksbefragung müssen jetzt die taktischen Spielchen von SPÖ und ÖVP um die Zukunft des Heeres beendet werden. SPÖ und ÖVP sind beide gleichermaßen unter Zugzwang", erklärte der freiheitliche Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache am Montag in einer Aussendung. Das Bundesheer müsse jetzt aus dem parteipolitischen Schussfeld kommen, um Reformen umsetzen zu können. Es brauche Kompetenz und Sachlichkeit. Daher müsse Darabos sofort zurücktreten, so Strache.

Doch mit der Rücktrittsforderung steht die FPÖ ziemlich alleine da. Darabos betonte bereits: "Ich bin gerne Verteidigungsminister und habe mir auch nichts zuschulden kommen lassen." Ein Rücktritt komme daher für ihn nicht infrage.

Auch Reformbedarf beim Zivildienst geortet
Doch nicht nur die Umgestaltung der Wehrpflicht und des Bundesheeres ist derzeit Thema. Am Montag haben bereits einige Parteien Änderungswünsche auch beim Zivildienst offenbart - die Regierungsparteien zeigten sich gesprächsbereit.

Die grüne Klubchefin Eva Glawischnig forderte beispielsweise, den Zivildienst - ebenso wie die Wehrdienstzeit - auf sechs Monate zu verkürzen. Auch Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar hielt eine Verkürzung auf ein halbes Jahr für notwendig: "Es ist nicht einzusehen, warum jemand dafür bestraft wird, dass er so einen wertvollen Dienst leistet."

Die FPÖ, die die Dauer des Zivildienstes beibehalten möchte, kann sich wiederum eine Entlohnung der Grundwehrdiener und Zivildiener auf dem Niveau der Mindestsicherung vorstellen. Einzig das BZÖ will zuerst einmal über die Bundesheer-Reform reden. Die Diskussion sei "fehl am Platz", es sei "absolut falsch, das Pferd von hinten aufzuzäumen", so Bündniskoordinator Markus Fauland.

Hilfsorganisationen fordern Änderungen
Eine Reform nicht nur der Wehrpflicht, sondern auch des von der Bevölkerung bestätigten Zivildienstes forderten unterdessen auch die Hilfsorganisationen Caritas, Rotes Kreuz und Arbeiter-Samariter-Bund. "Die Politik darf sich jetzt keine Verschnaufpause gönnen, sondern muss rasch umfassende Reformen angehen, gerade auch beim Zivildienst", verlangte Caritas-Präsident Franz Küberl. Konkret nannte er die Öffnung des Zivildienstes für Frauen, die Wiedereinführung der Verlängerungsmöglichkeit des Zivildienstes und Verbesserungen in der Administration.

Sollte der Wehrdienst verkürzt werden, müsste das auch Konsequenzen für die Länge des Zivildienstes und die Höhe des Taggeldes für Zivildienstleistende haben. Küberl sieht aber auch generell die Notwendigkeit, der Freiwilligkeit eine wesentlich höhere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen: Das bestehende Modell des Freiwilligen Sozialen Jahres müsse besser und höher unterstützt werden.

Abstimmung in der Infobox: Soll der Zivildienst jetzt auf sechs Monate verkürzt werden?

"Die Entscheidung für die Beibehaltung von Wehrpflicht und Zivildienst nimmt die Politik nicht aus der Verantwortung, das bestehende System zu verbessern", sagte auch Werner Kerschbaum, Generalsekretär des Roten Kreuzes. Um den Zivildienst attraktiver zu machen, kann sich Kerschbaum die Anrechnung der erworbenen Qualifikationen für die Aus- und Weiterbildung und die Öffnung des Zivildienstes für Frauen und Männer anderer Altersgruppen vorstellen." Auch das vom Sozialministerium vorgestellte Alternativmodell hat nach Ansicht Kerschbaums "viele gute Ansatzpunkte".

"Zivildienst muss fit für die Zukunft gemacht werden"
Der Arbeiter-Samariter-Bund warnte ebenfalls davor, zur Tagesordnung überzugehen. "Nicht nur das Bundesheer, auch der Zivildienst muss fit für die Zukunft gemacht werden. Ich sehe das Resultat der Volksbefragung als Auftrag der Bürgerinnen und Bürger, das bestehende System zu verbessern", erklärte der Bundesgeschäftsführer Reinhard Hundsmüller. Insbesondere müssten Vorbereitungen für geburtenschwache Jahrgänge getroffen werden.

"Wir können uns nicht darauf verlassen, dass in den nächsten Jahrzehnten immer ausreichend junge Männer für den Zivildienst zur Verfügung stehen werden", warnte Hundsmüller. Der Arbeiter-Samariter-Bund ruft auch alle Blaulichtorganisationen sowie Vertreter von Bund, Länder und Gemeinden dazu auf, ein verbessertes Modell zur Finanzierung des Rettungswesens an einem runden Tisch zu diskutieren.

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