Kohl über Armstrong

“Dieses Geständnis erschüttert keinen mehr”

Sport
15.01.2013 11:06
Lance Armstrong und Bernhard Kohl haben einiges gemeinsam. Beide haben als Radprofis jahrelang gedopt, beide versuchen, sich mit Geständnissen zu rehabilitieren. Wie für ihn nach seinem positiven Test 2008 sei auch für Armstrong das Auspacken die Bedingung für einen Neuanfang, so Kohl im Interview. Daran, dass man weiterhin dopt, werde auch das Geständnis von Armstrong nicht viel ändern, vermutet der mittlerweile zum Geschäftsmann gewordene 31-jährige Ex-Profi.

Wird das erwartete Geständnis von Armstrong ein Erdbeben im Radsport auslösen?
Bernhard Kohl: Es wird keinen mehr erschüttern, wenn Armstrong alles zugibt. Es wird keinen großen Flash geben. Es weiß ein jeder, dass er es getan hat. Wenn man bedenkt, was in den vergangenen zehn Jahren alles herausgekommen ist, dann weiß man, wie der Sport tickt. Armstrong ist ein Teil davon. Die Vorstellung von den schwarzen Schafen, davon muss man sich verabschieden. Es gibt ein paar weiße, und es reguliert sich natürlich ein bisschen, zum Beispiel mit dem Blutpass, aber man wird es nie ausrotten können.

Welche Motive könnte Lance Armstrong haben, nach langem Schweigen doch noch alles zuzugeben?
Kohl: Das ist schwierig zu sagen, aber zurück in den Sport wird er nicht mehr wollen. Die Faktenlage ist erdrückend, und der mediale Druck ist hoch. Er wird sicherlich gute Anwälte haben, es wird für ihn eine Kosten-Nutzen-Rechnung sein. Es wird sicher Regressforderungen geben, eventuell droht im sogar eine Gefängnisstrafe. Er wird sich fragen: "Wie viel kostet mich das, wenn ich auspacke? Lohnt es sich, so viele Millionen zu zahlen, wie viel Geld habe ich am Konto?" Oder sagt er: "Das Risiko ist zu hoch, ich müsste zu viel zahlen und ich lebe lieber mit dem Geld, das ich derzeit habe, und das Lügengebilde bleibt bestehen."

Macht das kolportierte Geständnis Armstrongs ohne die Nennung von Details Sinn?
Kohl: Nein, entweder du sagst gar nichts oder du sagst alles, sonst hat es keinen Sinn. Ein Mittelweg, wie es auch Jan Ullrich gemacht hat, das geht in die Hose, damit bekommt man wieder keine Akzeptanz, das wird von den Medien und der Bevölkerung nicht honoriert.

Sind seine Situation und Ihre damalige vergleichbar?
Kohl: Ja, damit er in der Öffentlichkeit wieder normal auftreten kann und etwas Neues beginnen kann, muss er mit dem Thema abschließen, damit es respektiert wird. Wenn ich das damals nicht gemacht hätte, hätte ich kein Radsportgeschäft aufmachen können. Bei mir habe ich es auch ganz deutlich gemerkt, solange nicht alles am Tisch war, habe ich nichts Neues beginnen können.

Wäre er bei einem Geständnis welcher Art auch immer noch glaubwürdig?
Kohl: Ich finde schon, dass er dann wieder etwas Neues machen kann. Jeder, der sportinteressiert ist, kann das schon einschätzen und weiß, wie der Sport tickt. Bei mir war es auch so, es wird sicher Leute gegeben haben, die nach meiner Geschäftseröffnung gesagt haben: "Zum Kohl gehen wir nicht, der hat uns betrogen und belogen." Gott sei Dank sind die Leute aber sehr zahlreich gekommen, diese Leute wissen, dass es nicht eine Spritze ist und schon fährt man schnell Rad. Klar wird es aber auch welche geben, die deshalb nicht zu mir kommen.

Sind Sie Armstrong jemals persönlich bei Rennen begegnet?
Kohl: Ich bin ein Jahr gemeinsam mit ihm gefahren, zum Beispiel Paris-Nizza und die Baskenland-Rundfahrt. Er war schon eine Persönlichkeit, als Neo-Profi schaut man da schon hinauf. Er hat schon Charisma gehabt.

Haben Sie Aussagen von ehemaligen Teamkollegen wie Floyd Landis und Tyler Hamilton gegen Armstrong überrascht?
Kohl: Nein, es hat aber gedauert, bis sie ernst genommen wurden. Dann ist in Amerika aber das Interesse entstanden, nachzuforschen. Die haben gute Arbeit geleistet, würden sie so in anderen Sportarten nachschauen, zum Beispiel die Spanier beim Fuentes-Skandal, dann würden viele Sportarten anders dastehen.

Sind Sie jemals von den US-Behörden kontaktiert worden?
Kohl: 2010 war ich in Amerika bei einem Anti-Doping-Kongress, da habe ich mich mit dem USADA-Chef unterhalten. Er hat mich gefragt, ob ich etwas über Doping von US-Sportlern weiß. Das war nicht der Fall, aber meine Erfahrungen, was ich wann genommen habe, wie man positive Tests verhindert - das war für sie interessant. Das hat sicher die Sichtweise, die sie von Hamilton hatten, bestätigt, dass Doping wie das Amen im Gebet dazugehört hat.

Hat sich seit Ihrem Geständnis im Radsport etwas Grundlegendes verändert?
Kohl: Ich denke nicht. Dort, wo der Mensch ist, wo Leistungsdruck ist, wird es immer Doping geben. Der UCI-Pass hat Dopen sicher eingedämmt, aber es wird nach wie vor praktiziert. Es ist sicherlich fairer geworden, man kann sich nicht mehr so austoben.

Was hätte Sie damals vom Dopen abgeschreckt?
Kohl: Die Aussicht, ins Gefängnis zu gehen, wenn man dopt, hätte mich definitiv abgeschreckt. Zwei Jahre Berufsverbot jucken einen nicht. Wenn man sagst, man will den sauberen Sport, dann kann man das nur über Gefängnisstrafen machen. Wenn man es unter Haftstrafe stellt und sagt, du bist positiv, du musst ins Gefängnis, dann wird sich das schnell aufhören. Sonst bleibt kein anderer Weg.

Wäre die Entfernung von Ex-Dopern aus Führungspositionen, wie zum Beispiel Bjarne Riis, ein Lösungsansatz?
Kohl: Die Teamchefs auszutauschen, bringt nichts, Quereinsteiger sind nicht sinnvoll. Das Doping war nur früher teamorganisiert: Festina, T-Mobile und US-Postal, da ging alles vom Team aus. Heute ist das anders, weil die Teams sich das nicht mehr erlauben können. Jeder Sportler sucht seinen eigenen Weg, die Radfahrer kann man nicht austauschen.

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(Bild: KMM)



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