Stronach-Jüngerin

Karin Prokop: “Für viele bin ich eine Landesverräterin”

Österreich
29.12.2012 15:50
Ihre Mutter, die ehemalige Innenministerin Liese Prokop, starb in der Silvesternacht 2006. Im Interview mit Conny Bischofberger erinnert sich Karin Prokop - auch an eine Ära, in der die ÖVP noch ihr Zuhause war.

Annaberg an der Heiligen Straße nach Mariazell: Das Elternhaus von Karin Prokop steht gleich hinter der Wallfahrtskirche, mit einem großen Wintergarten, der den Blick auf den schneebedeckten Ötscher freigibt.

Die Mutter ist allgegenwärtig: Überall stehen Pokale und Auszeichnungen aus Liese Prokops sportlicher und politischer Karriere. Den Herrgottswinkel schmücken Grabkerzen, Rosen und ein gerahmtes Foto der 2006 verstorbenen ÖVP-Ministerin. "Fünf Jahre lang haben wir den Tisch für sie mit gedeckt", erzählt ihre Tochter. Ihr kleiner Papillon "Shine" hat sich mit seinem verletzten Beinchen artig neben sie gesetzt und spitzt seine Schmetterlingsohren.

Im "Krone"-Interview – mit Hundegebell und Kirchenglocken als Hintergrundmusik – spricht die Politikerin über den tragischen Tod ihrer Mutter, ihren Bruch mit der ÖVP und den Pakt mit der Familie, nachdem sie an der Seite von Frank Stronach in den Wahlkampf ziehen wird. Die 46-Jährige könnte Erwin Prölls gefährlichste Gegnerin bei den Landtagswahlen in Niederösterreich am 3. März 2013 werden.

Hier gibt's drei Audio-Mitschnitte vom Interview: Prokop über die Abkehr von der ÖVP, Frank Stronachs Medienauftritte und Silvester.

"Krone": Wie unbeschwert kann man in ein neues Jahr gehen, wenn die Mutter in der Silvesternacht gestorben ist?
Karin Prokop: Früher war bei uns zu Silvester immer "Full House". Ganz Annaberg hat gewusst: Zu uns kann jeder kommen. Jetzt kommt niemand mehr...

"Krone": Bleibt der 31. Dezember ein schwarzer Tag?
Prokop: Für uns ist das kein schöner Tag mehr, eher eine große Belastung. Wir sind Silvester am Friedhof unten, bei der Mutti. Danach sitzen wir ruhig zusammen und denken an sie. Für mich ist das nicht mehr so, wie es früher war: Dass mit dem neuen Jahr etwas Neues beginnt. Das hat sich aufgehört seit dem Tod der Mutti.

"Krone": Ist der Schmerz kleiner geworden oder bleibt er derselbe?
Prokop: Der Schmerz bleibt derselbe, nur die Momente des Schmerzes werden weniger mit den Jahren.

"Krone": Was wird an diesem Silvesterabend sein?
Prokop: Ich versuche, wie jedes Jahr zu Silvester, meiner Mutter besonders nahe zu sein. Ich nutze die Zeit, um Einkehr zu halten, über vieles nachzudenken, Klarheit zu finden. Da hilft sie mir dabei.

"Krone": Wie ist Ihre Erinnerung an den 31. Dezember 2006?
Prokop: Ich weiß alles, als wäre es gestern gewesen. Meine Mutter, meine Tante und ich haben Hühner- und Heringssalat hergerichtet und Beinschinken, unser traditionelles Silvestermenü. Es war total gemütlich. Dann haben wir uns für den Abend angezogen. Der Papa ist früher als sonst von seiner Skitour zurückgekommen, wir alle wissen nicht, warum er nicht mit "häuseln" gegangen ist – das heißt in Annaberg von Wirtshaus zu Wirtshaus ziehen, überall was trinken. (lacht) Plötzlich ist die Mutti ins Wohnzimmer gekommen und hat gesagt: "Ich hab' so große Schmerzen!"

"Krone": Nach dem Tod von Liese Prokop ging eine Diskussion los, ob die Rettung zu lange gebraucht hätte ins Krankenhaus. Zu recht?
Prokop: Absolut nicht. Der Arzt war innerhalb weniger Minuten da, hat ein EKG und einen Blutbefund gemacht. Mein Cousin ist Internist, er ist auch gleich gekommen und hat ihr befohlen, dass sie ins Krankenhaus muss, obwohl es ihr schon besser ging. Die Rettungsgarage befindet sich gleich neben unserem Haus. Die Mutti ist noch selber die Stiegen hinuntergegangen und ins Rettungsauto eingestiegen. "Geh, steck meinen Lockenstab aus!", hat sie mir noch gesagt. Dann fuhr die Rettung dem Notarzt entgegen. In Siebenbründl ist sie noch umgestiegen, da hat sie sich an die Brust gegriffen und ist nach hinten umgefallen. Das war gegen 20 Uhr.

"Krone": War das der Todeszeitpunkt?
Prokop: Ja, sie sind kurz in Lilienfeld stehengeblieben und dann weiter nach St.Pölten gefahren. Die Polizei hatte in der Zwischenzeit alle Straßen, jede Kreuzung, abgesperrt. In St. Pölten haben sie sie zwar noch aufgemacht, aber es gab keine Chance mehr. Unsere Mutter ist an einem Aorta-Riss ganz nahe beim Herzen gestorben.

"Krone": Was denken Sie sich, wenn der Tod Ihrer Mutter als Argument pro Zivildienst herhalten muss? So unter dem Motto: Wenn man gegen die Wehrpflicht stimmt, kommt die Rettung nicht mehr so schnell?
Prokop: Ich ärgere mich sehr darüber. Aber noch mehr über die parlamentarische Anfrage einer FPÖ-Abgeordneten, noch dazu einer Ärztin, die fünf Jahre später mit Mord spekuliert hat, weil der Ermittler in der Causa Kampusch ja auch nicht Selbstmord verübt habe, sondern umgebracht worden sei. Das war ganz schlimm. Wir haben alles noch einmal durchlebt.

"Krone": Sie sind im August aus der ÖVP, die Liese Prokop zur Innenministerin gemacht hat, ausgetreten. Was würde Ihre Mutter dazu sagen?
Prokop: Ich glaube, Mutti wäre stolz auf mich. Sie wollte immer, dass ich Politik mache.

"Krone": Aber doch nicht für Frank Stronach und gegen ihren Gönner Erwin Pröll...
Prokop: Es stimmt, dass meine Mutter und Erwin Pröll sehr enge Vertraute waren. Aber der Mutti ist es nie um die Partei, sondern immer um die Sache gegangen. Zu ihrer Zeit war die ÖVP eben die beste Option. Sie war mit Herzblut ÖVPlerin. Und ich weiß gar nicht, ob es die neue Partei von Frank Stronach heute gäbe, wenn noch Politiker mit dem Format meiner Mutter im Amt wären. Sie war die gute Seele der ÖVP.

"Krone": Fällt Ihnen gar keine andere "gute Seele" ein?
Prokop: Keine wie sie. Sie hatte Anstand und Handschlagqualität, war herzlich und ehrlich.

"Krone": Was ist passiert, dass Sie mit der ÖVP gebrochen haben?
Prokop: Es hat einige Dinge gegeben, vor allem immer wieder Unwahrheiten. Die ÖVP macht heute Politik von oben herab. Es gibt kein Miteinander mehr.

"Krone": Es heißt, Sie wollten Bürgermeisterin in Maria Enzersdorf werden.
Prokop: Das wurde mir versprochen, aber das war nicht der Grund. Mir ging es nicht um die Position. Mir ging es in erster Linie um den Stil.

"Krone": Es heißt auch, dass Erwin Pröll Ihren Vater Gunnar Prokop zum Team Stronach geschickt habe, um zu erreichen, dass Sie nicht in Niederösterreich kandidieren. Stimmt das?
Prokop: Er wurde von verschiedenen Personen aus der ÖVP Niederösterreich kontaktiert, auch von Erwin Pröll. Wenn ein Gerhard Karner jetzt sagt: "Es hat nie Angebote an das Team Stronach gegeben", dann stimmt das einfach nicht.

"Krone": Wie groß ist da Ihr Loyalitätskonflikt, zwischen Frank Stronach und Ihrem Vater zu stehen?
Prokop: Persönlich wäre es dem Papa natürlich lieber gewesen, wenn wir in Niederösterreich nicht kandidieren. Aber ich hatte mit meiner Familie von Anfang einen Pakt. Mein Vater hat mir versichert: "Es ist deine Entscheidung und egal, wie du sie triffst, wir stehen hinter dir."

"Krone": Wird Gunnar Prokop am Ende auch noch überlaufen zu Frank Stronach?
Prokop: Der Papa war nie Parteimitglied der ÖVP. Er wird wahrscheinlich die Unterstützungserklärung unterschreiben, dass wir antreten dürfen. Wir müssen ja in jedem Bezirk 50 solche Erklärungen sammeln. Mein Bruder hingegen ist bei der JVP, dem hat die Ortsgruppenleiterin schon gesagt, dass sie ihn nicht unterstützen kann, wenn ich für Frank Stronach aong> Ihr Vater und Frank Stronach sind einander ja ziemlich ähnlich, oder?
Prokop: In gewissen Dingen ja. Leicht patriarchalisch angehaucht, ein bisschen altersstarrsinnig... Vielleicht komme ich deswegen mit Frank Stronach so gut aus.

"Krone": Ist Frank Stronach auch eine Vaterfigur für Sie?
Prokop: Das ist schwer zu sagen. Ich kenne ihn seit 16 Jahren. Er hat mir tolle berufliche Chancen bei Magna gegeben. Meine Aufgabe war das "Magnatizing", also das Näherbringen der Magnakultur, in ganz vielen Firmen. Deshalb habe ich sein Angebot, zum Team Stronach zu gehen, angenommen.

"Krone": Sofort?
Prokop: Nein, ich habe lange überlegt. Weil ich wusste, was es bedeutet, die ÖVP zu verlassen. Für viele bin ich eine Landesverräterin. Und ich habe nicht nur einmal gehört: "Ihrer Familie wird das aber nicht guttun, wenn Sie antreten." So läuft das eben.

"Krone": Wie läuft das?
Prokop: In Niederösterreich ist es schon so: Wer sich outet, der wird beispielsweise gefragt, ob er dann noch Förderungen haben will. Das sind genau die Dinge, die wir mit Frank Stronach verändern wollen.

"Krone": Haben Sie nie das Gespräch mit Erwin Pröll gesucht?
Prokop: Doch. Ich habe vor zwei, drei Monaten um einen Termin bei ihm angesucht, habe aber leider keine Rückmeldung bekommen. Ich bin mir gar nicht sicher, ob das überhaupt bis zu ihm durchgedrungen ist.

"Krone": Muss sich Erwin Pröll warm anziehen am 3. März?
Prokop: Ich denke schon - vor allem weil Frank Stronach selbst antritt. Ich höre von den Leuten: "Endlich jemand mit Wirtschaftskompetenz!" Allein aus der Wahlarithmetik heraus wird es für Erwin Pröll schwierig werden, die Absolute zu halten. Und das belebt, wie man in Wien sieht, die Politik.

"Krone": Wären Sie nicht gerne selber Spitzenkandidatin in Niederösterreich gewesen?
Prokop: Nein, im Gegenteil. Es war meine Idee, dass Frank Spitzenkandidat sein soll.

"Krone": Wieviele Prozent geben Sie dem Team Stronach bundesweit und in Niederösterreich?
Prokop: Bei den Nationalratswahlen zwölf bis 15 Prozent, in Niederösterreich sechs bis neun.

"Krone": Er selber hat von 30 Prozent gesprochen...
Prokop: Das macht ihn auch aus, dass er eben große Ziele hat. Da sehe ich wieder eine große Parallele zu meinem Vater. Er hat damals auch gesagt: "Ich will Champions-League-Sieger mit Hypo Niederösterreich werden." Alle haben gelacht. Dann wurde er es acht Mal!

"Krone": Frau Prokop, wie halten Sie als Mental Coach eigentlich die TV-Auftritte von Frank Stronach aus?
Prokop: Als Coach tut es mir schon weh. Aber es ist interessant, was für Rückmeldungen wir bekommen. Zum Beispiel: "Endlich einer, der sich traut, dem Armin Wolf zu widersprechen!" Für mich käme dieser Stil aber nicht infrage. Ich habe ihm das auch offen gesagt: Frank, du kannst nicht verlangen, dass man dir zuhört, wenn du die anderen ständig unterbrichst!

"Krone": Würden Sie Frank Stronach ein Medientraining empfehlen?
Prokop: Nein, denn seine große Stärke ist seine Authentizität, und die darf er nicht verlieren. Frank denkt in Englisch und deshalb ist sein Deutsch manchmal holprig und unfreundlicher, als es gemeint ist.

"Krone": Glauben Sie, dass Ihre Mutter uns jetzt zugehört hat, Frau Prokop?
Prokop: Ja, da bin ich mir ganz sicher. Sie hat weiterhin ihre Finger im Spiel.

"Krone": Was haben Sie von ihr mitgenommen?
Prokop: Ihre Umgänglichkeit. Der Papa sagt, dass ich ihr immer ähnlicher werde... Ich maße mir sicher nicht an, in ihre Fußstapfen zu treten. Aber zumindest ein bisschen was von dem, was sie uns vorgelebt hat, möchte ich in der Politik umsetzen.

Steckbrief von Karin Prokop:
Geboren am 11. Februar 1966 als ältestes der drei Kinder von Liese und Gunnar Prokop. Karin spielt Handball in der Nationalmannschaft und nimmt ein Jahr vor der Matura das erste Mal an Olympischen Spielen teil. Von 1996 bis 2002 arbeitet sie für Frank Stronachs Magna-Konzern. Seit 2002 ist sie selbständige Beraterin, 2007 macht sie eine Ausbildung zum Mental-Coach. Ihre Polit-Karriere beginnt sie als ÖVP-Gemeinderätin in Maria Enzersdorf. 2012 tritt sie dem Team Stronach bei und ist seither wilde Mandatarin.

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