BAWAG-Prozess II

Der Justiz reicht es: Elsners Reisepass wird eingezogen

Österreich
14.12.2012 16:47
Die Justiz macht Ernst: Der Richter im BAWAG-Prozess, Christian Böhm, teilte am Freitagvormittag mit, dass dem angeklagten Helmut Elsner der Reisepass abgenommen werden soll. Der Ex-BAWAG-Chef war im zweiten Strafprozess bisher keiner Ladung nachgekommen, seine Verteidigung plädiert auf Verhandlungsunfähigkeit. Der Gerichtsgutachter und Kardiologe attestiert dem 77-Jährigen hingegen Transport- und Verhandlungsfähigkeit.

"Helmut Elsner ist nicht da", hatte Richter Böhm am Freitag zu Beginn der Verhandlung im Wiener Straflandesgericht festgestellt. Die Passbehörde habe auf Antrag des Gerichts ein Verfahren zur Entziehung von Elsners Reisepass und Personalausweis eingeleitet, weil sich der Ex-BAWAG-Chef mithilfe dieser Dokumente der Justiz entzogen habe, so Böhm.

Elsners Anwalt Stephan Mertens beantragte zum wiederholten Male, das Verfahren gegen den 77-Jährigen "aufgrund permanenter Verhandlungsunfähigkeit" einzustellen. Der mentale Stress und Ärger, dem Elsner bei einer Verhandlung ausgesetzt wäre, könnte bei ihm einen Herzinfarkt auslösen. "Es ändert sich nichts, es verbessert sich nichts", schilderte Elsners Verteidiger dessen Gesundheitszustand. Der herzkranke Elsner hält sich nach Angaben seiner Verteidigung in Bayern auf.

Der gerichtliche Sachverständige Günter Steurer sagte, er habe die ihm vorgelegten Gutachten der Verteidigung studiert, aber er sehe keinen Anlass, sein Gutachten zu ändern. "Es ist eine chronische Erkrankung, die Lungensituation hat sich etwas gebessert, die Herzsituation ist gleich geblieben", sagte Steurer.

Elsner-Verfahren ausgeschieden
Richter Böhm schied das Verfahren gegen Elsner aus. Wenn er ein Urteil über die anderen Angeklagten fällt, kann das Verfahren gegen Elsner getrennt fortgeführt werden. Der 77-Jährige, der bereits im ersten BAWAG-Prozess rechtskräftig zur Höchststrafe von zehn Jahren verurteilt worden war, wurde wegen einer sogenannten Subsidiarklage der Bank erneut angeklagt. Mit der Privatanklage will die Bank auf Elsners Pensionsabfindung zugreifen und erhofft sich bessere Chancen im Zivilverfahren. Strafrechtlich hat Elsner aber keine zusätzliche Haftstrafe zu befürchten. Viereinhalb Jahre saß der frühere Banker in der Justizanstalt Wien-Josefstadt ab. Aus gesundheitlichen Gründen wurde er im Juli 2011 für vollzugsunfähig erklärt und entlassen.

Staatsanwältin fordert Schuldsprüche für alle Angeklagten
Die Urteile über den Spekulanten Wolfgang Flöttl, die früheren BAWAG-Vorstände Christian Büttner, Josef Schwarzecker und Hubert Kreuch, den ehemaligen BAWAG-Aufsichtsratspräsidenten Günter Weninger, den Wirtschaftsprüfer Robert Reiter und Ex-BAWAG-Generalsekretär und späteren Vorstand Peter Nakowitz werden für Dienstag erwartet.

Staatsanwältin Sonja Herbst forderte am Freitag in ihrem Schlussplädoyer Schuldsprüche für alle Angeklagten. Sie begleite das Verfahren schon seit 2007, "viel Neues hat sich im zweiten Verfahren nicht ergeben". Sie hatte schon im ersten Verfahren gemeinsam mit Georg Krakow die Anklage vertreten. Im Kern der Anklage stehe Untreue gegenüber der Bank, so Herbst.

"Sie setzten auf Rot, die Kugel rollte auf Schwarz"
Die Anklägerin zog einen Vergleich der verlustreichen Spekulationen der BAWAG Ende der 90er-Jahre mit einem Casino-Besuch: Der damalige Bank-Chef Helmut Elsner sei "mit einer Tasche Geld" mit dem Management ins Casino gegangen, dort sei der Spekulant Wolfgang Flöttl als Croupier gesessen. Auch Flöttl habe gewusst, dass das Geld der Bank nicht eingesetzt hätte werden dürfen. "Sie setzten auf Rot, die Kugel rollte auf Schwarz."

Schuldsprüche für die Angeklagten seien auch wegen der Generalprävention erforderlich, argumentierte die Staatsanwältin: Der Bankvorstand habe "bewusst weggeschaut" und das Geld verspekuliert. "Man muss ein Zeichen setzen", forderte Herbst.

BAWAG-Vertreter: "Der Elsner war's" ist zu wenig
Gregor Schet, Vertreter der BAWAG, die sich mit einer Subsidiarklage dem Strafverfahren angeschlossen hat, ging in seiner Schlussansprache auf den großen Abwesenden des zweiten Strafprozesses ein. Die übrigen Angeklagten hätten sich in ihrer Verteidigung darauf konzentriert, den früheren Generaldirektor als den Schuldigen darzustellen, nach dem Motto: "Der Elsner war's." Doch Elsners Schuld enthebe die anderen nicht von ihrer Verantwortung als Vorstandsmitglieder, als Aufsichtsratspräsident, als Wirtschaftsprüfer und auch als Investor mit Bankgeldern, der gewusst habe, dass die Bank nicht spekulieren durfte.

Flöttls Anwälte, Christian Hausmaninger und Herbert Eichenseder, forderten einen Freispruch für ihren Mandanten. Flöttl habe nicht gewusst, dass Elsner ihm das Geld für die Geschäfte nicht geben hätte dürfen. Als Flöttl der BAWAG im Herbst 1998 nach den ersten großen Verlusten sein Vermögen überließ, habe er niemanden über die Höhe seines Vermögens - das mit rund 90 Millionen Dollar wesentlich geringer war als der Verlust - getäuscht. "Es ist absurd, einen Schädigungsvorsatz Flöttls anzunehmen", sagte Hausmaninger.

Weninger: "Ich hab's nicht gewusst, glauben Sie mir"
Der frühere BAWAG-Aufsichtsratspräsident und ÖGB-Finanzchef Günter Weninger gab als Einziger selbst eine längere emotionale Erklärung ab. "Ich bin tief betroffen, dass das so gelaufen ist - ich hätte anders gehandelt, wenn ich gewusst hätte, was damals passiert ist. Ich hab's nicht gewusst, glauben Sie mir", appellierte er an das Schöffengericht.

Der Anwalt des Ex-BAWAG-Wirtschaftsprüfers Robert Reiter, Thomas Kralik, forderte für seinen Mandanten einen Freispruch. Reiter sei erst dazugekommen, als das frische Geld nach den hohen Verlusten schon an Flöttl überwiesen gewesen sei. Auch die übrigen Angeklagten plädierten für Freisprüche.

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