"Kunst hat Recht"

Festplattenabgabe: Künstler starten Bürgerinitiative

Web
06.12.2012 10:14
Die Initiative "Kunst hat Recht" will die aus ihrer Sicht häufig polemisch geführte Diskussion rund um das Urheberrecht und die Entlohnung der Künstler in Zeiten des Internets versachlichen und hat zu diesem Zweck ein Weißbuch zur Bedeutung des geistigen Eigentums für Österreich herausgegeben. In ihrem Kampf für die Einführung einer Festplattenabgabe hat die Initiative außerdem eine parlamentarische Bürgerinitiative ins Rollen gebracht.

Die Unterstützerliste soll in den kommenden Tagen von einer Delegation prominenter Künstler an Nationalratspräsidentin Barbara Prammer übergeben werden. Innerhalb weniger Tage haben bereits mehr als 1.500 Sympathisanten die Bürgerinitiative unterzeichnet, allen voran Prominente wie Elfriede Jelinek und Gerhard Haderer. Für Gerhard Ruiss, Autor und Mitinitiator von "Kunst hat Recht", ist dies ein Zeichen dafür, dass die Forderung nach Entlohnung nicht nur ein Problem der weniger bekannten Künstler ist, sondern alle gleichermaßen betrifft, wie er am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien sagte.

Musikerin und Schauspielerin Tini Kainrath gab zu bedenken, dass beinahe 40 Prozent der Künstler an der Armutsgrenze leben würden, dass man allerdings bei der emotionalen Diskussion immer die Prominenten vor Augen habe und weniger jene, die ohne die Festplattenabgabe nicht überleben könnten. Den Künstlern sei es wichtig zu betonen, dass man keinen "Kampf gegen unser Publikum" führe, so Ruiss. Vielmehr gehe es um Gerätehersteller und Plattformbetreiber, die mit aggressivem Lobbying ihre wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen versuchten. "Das sind unsere Gegner."

"Wirtschaftsstandort Österreich bedroht"
Argumente, dass durch die Einführung der Festplattenabgabe etwa der Wirtschaftsstandort Österreich geschädigt werde oder Arbeitsplätze verloren gingen, weist Ruiss zurück. Diese Argumente "kennen wir seit Einführung der Urheberrechtsabgabe in den 1980er-Jahren. Sie haben sich in dreißig Jahren nicht bewahrheitet", so Ruiss. Umgekehrt sei vielmehr der Wirtschaftsstandort in Österreich bedroht, wenn man sich heimische Erfolgsproduktionen nicht mehr leisten könne, warnte Filmproduzent Wolfgang Frey.

So sei etwa Michael Hanekes Film "Amour" in den ersten Tagen nach der Vorstellung in Cannes mehr als 80.000 Mal unerlaubt heruntergeladen worden. Dadurch entstünden schwere Einnahmeverluste, die vor allem kleinere Produzenten nicht langfristig hinnehmen können. "Nur wenn die Festplattenabgabe im Urheberrechtsgesetz verankert wird, werden Kunstschaffende für das private Kopieren künstlerischer Werke entschädigt", ist Schriftsteller und Regisseur Robert Schindel überzeugt.

Festplattenabgabe schafft "falsche Anreize"
Nach Viktor Mayer-Schönberger, Professor am Oxford Internet Institute, hingegen würde eine Abgabe "genau die falschen Anreize" schaffen. Dem gebürtigen Salzburger fehlt es in der aktuellen Urheberrechtsdiskussion vor allem an Rationalität und Sachbezogenheit. "Es wird unglaublich schnell unglaublich emotional und es fehlen die ökonomischen Fakten zur Analyse."

Gerade am Beispiel der Festplattenabgabe lasse sich dies festhalten, denn Konsumenten könnten diese mit einem Freibrief für die Nutzung von illegalen Inhalten verwechseln. Stattdessen sollte man sich im Kreativbusiness die Anreizsysteme genauer ansehen. Wenn im Urheberrechtsbereich "von 100 Cent, die für Content eingenommen werden, etwa zwei bis drei Cent an die Autorinnen und Autoren gehen", müsse die Frage nach Effizienz gestellt werden.

"Aber diese ökonomische Debatte führen wir nicht. Meistens ist es eine ideologische Diskussion und dann wird mit tiefen Argumenten gearbeitet." Anstatt um "Absicherung von Besitzständen" geht es Mayer-Schönberger zufolge um die richtige Balance, "sodass ausreichend viel an intellektuellen Informationen produziert und genutzt wird. Das ist letztendlich ein mathematisch-ökonomisches Problem, aber dort landet die Diskussion in den seltensten Fällen."

Urheberrechtsgesetz schon bei Einführung "veraltet"
Der Professor für Internet Governance, der aktuell auch bei der Novellierung des europäischen Datenschutzes involviert ist, spricht sich für ein proaktives, Freiräume bejahendes Urheberrecht aus. Im Unterschied zum derzeit vorherrschenden reaktiven Urheberrecht könnten dadurch "Nischen und Experimentierräume" geschaffen werden, die "Innovation bevorzugen und Anreize schaffen".

In diesem Zusammenhang sei auch zu bedenken, dass etwa das österreichische Urheberrecht von einer ganz bestimmten Zeit geprägt ist. "Als es in den 1930er-Jahren eingeführt wurde, war der Urheber schon gar nicht mehr so 'Urheber', wie das Gesetz es abgebildet hat. Schon damals, so könnte man argumentieren, war das Gesetz eigentlich veraltet", sieht Mayer-Schönberger diesen "idealistischen Urheberbegriff des 19. Jahrhunderts" in der Wirklichkeit kaum mehr auffindbar. "Fast kein Urheber lebt mehr in einem absoluten Vakuum."

"Problematik löst sich von selbst"
Eine Lösung für das Dilemma rund um ein neues Urheberrecht ist laut Mayer-Schönberger allerdings nicht zwingend notwendig. "Ich glaube, dass sich diese Problematik von selbst lösen wird. Weil die Konsumenten einfach ihr Konsumverhalten verändern." In der Folge würden dann Geschäftsmodelle einfach umgebaut, wie es etwa iTunes für die Musikindustrie vorgezeigt habe. "Dann wird die CD aufgebrochen, werden individuelle Lieder um 99 Cent angeboten und alles in die Cloud verlagert." Eine derartige Veränderung geschehe genau dann, wenn der Druck für die Rechteinhaber hoch genug wird. "Ganz unabhängig vom Recht. Das Recht ist dann einfach irrelevant", folgert Mayer-Schönberger.

Bei derzeitigen Auseinandersetzungen werde oft versucht, "Regeln, die aus einer analogen Wirklichkeit kommen, auf eine digitale Realität zu übertragen." Gelinge das nicht, werden aus der Praxis heraus Lösungen angenommen, "und ob diese Lösungen dann rechtskonform sind oder nicht, ist zunächst einmal zweitrangig", so Mayer-Schönberger. "Zu glauben, dass die Gesellschaft in die Regel gezwungen werden kann - das gilt nur, solange die Mehrheit die Regel nicht bricht."

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