"Wadlbeißerin"

Spira wird 70: Ein Publikumsliebling wider Willen

Adabei
08.12.2012 09:00
Am Heiligen Abend feiert ORF-Quotenmeisterin Elizabeth T. Spira eine Mischung aus Weihnachten, dem jüdischen Lichterfest Hanukka und ihrem 70. Geburtstag. Ein Gespräch mit einer bekennenden "Wadlbeißerin" und Alltagssoziologin.

Ein kalter, aber sonniger Samstagvormittag in Wien. Im Kaffeehaus "Prückel" an der Wiener Ringstraße fragt der Ober seinen prominenten Stammgast, ob es ein "Menü" sein soll. Kurz darauf serviert er einen Kleinen Braunen und Sodawasser. Die Jahre scheinen an Elizabeth T. Spira, von Freunden auch "Toni" genannt, nahezu spurlos vorbeizuziehen.

"Was soll es denn werden?", möchte sie den Anlass für unsere am Tag zuvor erfolgte Verabredung wissen. Menschen, die jeden Sommer mit "Liebesg'schichten und Heiratssachen" ein Millionenpublikum vor den Bildschirm locken, müssten eigentlich damit rechnen, dass ihr bevorstehender 70. Geburtstag nicht unbemerkt bleibt. "O Jessas, na!", seufzt die Chronistin der österreichischen Seele auf. Das Tonband läuft.

"Krone": Frau Spira, in gut zwei Wochen steht ein runder Geburtstag ins Haus. Werden Sie ihn feiern oder bedeutet er für Sie nur eine Zahl zum Abhaken?
Elizabeth T. Spira: Natürlich feiere ich! Auch wenn ich darüber staune, dass ich schon so alt werde. Der 24. Dezember ist bei uns ein Tag, an dem uns von früh bis spät Familie, Freunde und Bekannte besuchen. Da ich nicht christlich, sondern jüdisch, aber wiederum nicht religiös bin, war es immer ein ungezwungenes Zusammenkommen mit viel Essen und Quatschen. Für meinen kleinen Enkelsohn, er ist jetzt fünf Jahre alt, lassen wir es aber nun ein bisschen weihnachtlicher zugehen.

"Krone": Sie wurden vor 70 Jahren in der Emigration in Schottland geboren. Was haben Ihnen Ihre Eltern vom 24. Dezember 1942 erzählt?
Spira: Die Mutter hat nur gemeint, am einzigen Tag, an dem es wegen Weihnachten auch im Krieg etwas Gutes zum Essen gegeben hätte, bin ich gekommen! Viel mehr weiß ich nicht. An meine ersten vier Lebensjahre in Großbritannien kann ich mich kaum erinnern, obwohl meine Kindergartentante in London noch lebt und sie mir einige Geschichten von mir erzählt hat. Es hat sich um eine Einrichtung von Sigmund Freuds Tochter Anna gehandelt. So bekamen wir eine sehr gute und altersgerechte Erziehung, während die Kinder in Österreich stramm den Hitlergruß machen mussten.

"Krone": Kurz nach Kriegsende kehrten Sie mit Ihrer Familie nach Wien zurück. Konnten Sie sich gleich wieder zu Hause fühlen?
Spira: Um so etwas bewusst zu empfinden, war ich noch nicht alt genug. Das Thema Heimat, Identität von Minderheiten und die Suche nach dem Grund, warum meine Eltern als Einzige der ganzen vertriebenen Verwandtschaft wieder nach Österreich gezogen sind, haben mich mein ganzes Leben beschäftigt und meine Arbeit geprägt. Als kleiner Mensch bin ich eine gute Wadlbeißerin. Ich tue immer ein bisschen zwicken und bin neugierig darauf, ob sich die Dinge verändern.

"Krone": Haben Sie das Gefühl, dass Sie mit Ihrer Arbeit etwas in Österreich bewirken konnten?
Spira: Als Journalist oder Fernsehredakteur kann man Diskussionen anregen, aber nichts Großartiges verändern. Ich glaube, dass Meinungen sehr festgefahren sind. In den Sechzigerjahren war ich überzeugt, dass Religion als gesellschaftlicher Konfliktstoff überwunden ist. Das Gegenteil ist der Fall. Die Zeiten werden wieder bleiern. Der Grund liegt wahrscheinlich darin, dass in Krisenzeiten die Ängste zunehmen und Blöcke gebildet werden. Ich solidarisiere mich eher mit denen, die eine kalte Heimat erleben mussten, als mit jenen, die glauben, die echten Österreicher zu sein. Die Gefühlswelten von Menschen, die einmal ausgegrenzt waren, sind anders als bei der Mehrheit. Daher bringe ich mit meinen Geschichten auch nie die Masse dort zum Weinen, wo ich weine, sondern eher zum Lachen.

"Krone": Dabei sind Sie die Quotenbringerin schlechthin im österreichischen Fernsehen. Sie wissen doch genau, wie Sie das Publikum in den Bann ziehen?
Spira: Dass ich so beliebt bin, macht mich ja ein bisschen misstrauisch!

"Krone": Können Sie einschätzen, ob ein Kandidat bei den "Liebesg'schichten und Heiratssachen" mehr oder weniger Zuschriften bekommen wird?
Spira: Meist ist es so, dass Menschen, die bei mir und dem Team einen gewinnenden Eindruck hinterlassen, auch bei den Zusehern so ankommen. Es kommt auch auf die Erwartungshaltung an. Wenn sich ein älterer, in ärmlichen Verhältnissen lebender Mann eine junge, fesche Frau wünscht, die den ganzen Tag für ihn da zu sein hat, wird er wenig Erfolg haben.

"Krone": Sie selber sind seit 32 Jahren glücklich verheiratet. Woran liegt es, dass manche Menschen ihr ganzes Leben nach dem oder der Richtigen suchen?
Spira: Es gibt mehr und weniger beziehungsbegabte Menschen. Man staunt ja immer wieder, warum sich zum Beispiel eine gescheite, erfolgreiche Frau keinen findet? Dann liegt es meist daran, dass sie durch frühere Erfahrungen bewusst oder vielfach unbewusst eine Abwehrhaltung einnimmt. Andere Leute haben nie ein Problem, sich einen "aufzuzwicken" und sind nie alleine oder einsam. Mit Sympathie oder Schönheit hat das nichts zu tun.

"Krone": Haben sich die Anforderungen an eine Beziehung im Laufe der Jahre verändert?
Spira: Heute kommt es kaum vor, dass ein Mann eine Frau sucht, die vor allem den Haushalt erledigt. Der Wunsch nach einer Partnerin auf Augenhöhe steht im Vordergrund. Das war vor zehn, fünfzehn Jahren noch ganz anders. Fast bin ich den Generationen nach mir neidisch, dass für sie die gleichberechtigte Stellung der Frau zur Normalität geworden ist.

Lebensgeschichte
Elizabeth T. Spira wurde am 24. Dezember 1942 in Glasgow, Großbritannien, als Tochter der jüdischen Emigranten Leopold und Eva Spira geboren. 1946 kehrte die Familie nach Wien zurück. Spira absolvierte hier ein Publizistikstudium und arbeitete unter anderem beim Magazin "profil", bis sie zum ORF wechselte und dort unter anderem mit Robert Dornhelm Beiträge für die Sendung "Teleobjektiv" gestaltete. Ihre "Alltagsgeschichten" sowie "Liebesg'schichten und Heiratssachen" haben längst Kultstatus erreicht. Spira ist seit 32 Jahren mit dem Schauspieler Hermann Schmid verheiratet. Das Paar hat eine Tochter, Hannah (31), und einen Enkelsohn.

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(Bild: kmm)



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