Faktisch nun Staat

UNO vergibt Beobachterstatus an Palästina

Ausland
30.11.2012 07:40
Gegen den scharfen Widerstand der USA und der israelischen Regierung hat die Weltgemeinschaft Palästina faktisch anerkannt. Die UNO-Vollversammlung stimmte am Donnerstag für eine Aufwertung der Palästinenser zum Beobachterstaat ("Non-member state"). Für den Antrag, mit dem Palästina faktisch als eigener Staat anerkannt wird, stimmten 138 Staaten, neun votierten dagegen, 41 enthielten sich der Stimme.

Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas erzielt damit seinen bisher größten diplomatischen Erfolg - und das nur wenige Tage nach Ende des Gaza-Konflikts, der ihn politisch weiter an den Rand gedrängt hatte.

"Ich rufe die Vollversammlung auf, heute die Geburtsurkunde eines Staates Palästina auszustellen", sagte er vor der UNO. "Wir werden nicht weniger akzeptieren als die Unabhängigkeit eines Staates Palästina mit Ost-Jerusalem als seiner Hauptstadt - auf dem gesamten Territorium, das 1967 besetzt wurde -, um in Frieden und Sicherheit neben Israel zu leben."

Abbas erhob gleichzeitig schwere Vorwürfe gegen Israel. "Wir kommen zu Ihnen mit noch offenen Wunden von der jüngsten israelischen Aggression. Wir begraben noch unsere Märtyrer", sagte er. "Unsere friedlichen politischen und diplomatischen Bemühungen um Anerkennung als Beobachterstaat wurden von Israel mit einer Flut von Bedrohungen beantwortet", sagte Abbas. Einige dieser Drohungen seien "in barbarischer und furchtbarer Weise umgesetzt worden, gerade vor wenigen Tagen in Gaza".

Sprungbrett zur Vollmitgliedschaft
Auch wenn es sich nicht um die bei der Vollversammlung vor einem Jahr noch angestrebte Vollmitgliedschaft handelte, gilt der Status als wichtiges Instrument in der politischen Auseinandersetzung: Die Palästinenser können internationalen Verträgen beitreten und so beispielsweise den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag anrufen. Auch war der Beobachterstatus in der Vergangenheit für viele Länder ein Sprungbrett zur Vollmitgliedschaft.

Die Europäische Union zeigte sich in der Frage gespalten. So signalisierten 14 hauptsächlich westeuropäische Länder, darunter auch Österreich, ein Ja für die Aufwertung Palästinas. Deutschland, Großbritannien und osteuropäische Staaten enthielten sich. Tschechien stimmte als einziger Unionsstaat gegen den Antrag.

Deutschland befürchtet, dass das Votum den Friedensprozess belasten könnte. "Das könnte uns weiter von einer friedlichen Lösung entfernen", sagte Berlins UNO-Botschafter Peter Wittig am Donnerstag nach der Anerkennung. "Wir glauben an zwei Völker in zwei Staaten. Der palästinensische Staat kann aber nur durch direkte Friedensgespräche mit Israel kommen." Die Sicherheitsbedenken Israels müssten berücksichtigt werden, sonst bleibe der Friedensprozess stecken.

"Palästinenser haben Recht auf eigenen Staat"
Für den Erfolg des Palästinenser-Antrags reichte eine einfache Mehrheit in der Vollversammlung. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon rief Israel und die Palästinenser zu verantwortungsbewusstem Handeln auf und appellierte an die internationale Gemeinschaft, neue Verhandlungen voll zu unterstützen. "Ich glaube, dass die Palästinenser das Recht haben, in ihrem eigenen unabhängigen Staat zu leben. Ich glaube, dass Israel das Recht hat, in Frieden und Sicherheit mit seinen Nachbarn zu leben", sagte Ban vor der Vollversammlung.

Auch die USA appellierten an Israelis und Palästinenser, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Die USA werde beide Parteien bei solchen Bemühungen "vehement" unterstützen, sagte die US-Botschafterin bei der UNO, Susan Rice, am Donnerstagabend. US-Außenministerin Hillary Clinton sagte in einer ersten Reaktion, die Abstimmung in der UNO sei "bedauerlich und kontraproduktiv", da einem Friedensschluss damit mehr Steine in den Weg gelegt worden seien.

Jubel und Freudenschüsse bei Palästinensern
Tausende Palästinenser haben im Westjordanland und im Gazastreifen mit Freudenfesten, Hupkonzerten und Schüssen in die Luft ihre Anerkennung als UN-Beobachterstaat begrüßt. Die größte Kundgebung gab es in Ramallah. Im politischen und wirtschaftlichen Zentrum des Westjordanlandes hatten etwa 3.000 Menschen die kämpferische UNO-Rede von Abbas unter großem Beifall auf einer Leinwand verfolgt. Männer, Frauen und Kinder schwenkten zu patriotischer Musik und Tanzaufführungen palästinensische Flaggen. Auch im Gazastreifen füllten sich die Straßen schnell mit begeisterten Menschen.

Netanyahu: Anerkennung ist "bedeutungslos"
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu warnte unterdessen vor iranischem Terror vom Westjordanland aus. "Wir werden es nicht zulassen, dass Judäa und Samaria (Westjordanland) so wie der Libanon und der Gazastreifen zu einem Stützpunkt für iranischen Terror werden", teilte sein Büro am Donnerstagabend mit. Die Anerkennung der Palästinenser als Beobachterstaat sei bedeutungslos und werde vor Ort nichts ändern. Ohne Sicherheitsgarantien für Israel werde es keinen Palästinenserstaat geben.

Abbas regiert im Westjordanland, weigert sich aber seit zwei Jahren, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, und begründet dies mit dem anhaltenden Bau von Wohnungen durch Israel in den besetzten Gebieten. Die radikalislamische Hamas, die im Gazastreifen herrscht, hat sich die Vernichtung Israels auf die Fahnen geschrieben. Trotz der prinzipiellen Ablehnung der diplomatischen Bemühen unterstützte die Hamas aber den Antrag von Abbas.

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