29.000 Tonnen Stahl

Job in “Todeszone”: Neue Schutzhülle für Tschernobyl

Ausland
28.11.2012 16:58
Neben dem havarierten AKW Tschernobyl drücken 40 Hydraulikkräne 5.000 Tonnen Stahl auf 22 Meter Höhe. Als die Konstruktion am Dienstag auf zehn Gerüsten zum Stehen kommt, jubeln die Arbeiter auf der berühmtesten Baustelle der Ukraine. "Das war der technische Durchbruch", sagt Vince Novak von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Unter ihrer Leitung entsteht hier bis Ende 2015 eine neue Schutzhülle um den 1986 explodierten Reaktor. "Es ist ein Wettlauf mit der Zeit, wir dürfen uns keine Fehler erlauben", so Novak.

Düster und grau ragt das stillgelegte AKW rund 75 Meter hoch in den Himmel. Weit und breit ist nur schmutziger Beton zu sehen, die ersten Bäume stehen sehr weit entfernt und wirken kränklich. Die Explosion am 26. April 1986 wirbelte über Tage radioaktive Teilchen in die Luft, von der damaligen Sowjetrepublik breitete sich die abgeschwächte Wolke dann über weite Teile Europas aus.

Verstrahlte Erde musste acht Meter tief abgetragen werden
Für die Baustelle in der "Todeszone" sei eine nicht so stark belastete Stelle gewählt worden, sagt der englische Sicherheitschef der Anlage, David Jackson. Damit hier aber Menschen ohne Schutzkleidung jahrelang arbeiten können, musste die verstrahlte Erde acht Meter tief abgetragen werden. Wie jeder der rund 1.500 Arbeiter aus 22 Ländern trägt er ein Strahlenmessgerät über der grauen Arbeitsweste. "Sicher ist sicher", betont Jackson.

29.000 Tonnen Stahl, rund 1,5 Milliarden Euro Kosten
Mehr als 40 Staaten beteiligen sich an den rund 1,5 Milliarden Euro Kosten für den dringend benötigten neuen Schutzmantel. Am Ende sollen etwa 29.000 Tonnen Stahl 110 Meter hoch über den radioaktiv strahlenden Betonklotz gedrückt werden. "Allein dieses technisch anspruchsvolle Manöver wird drei Tage dauern", sagt Nicolas Caille von dem französischen Konsortium Novarka.

Bald ein Touristenmagnet wie der Eiffelturm?
Ein Jahrhundert lang soll der neue "Sarkophag" halten. Tschernobyl bleibe somit eine Baustelle für Generationen, sagt der Chef der Anlage, Igor Gramotkin. Den künftigen Schutzmantel preist Gramotkin als "technische Meisterleistung" vom Range des Eiffelturms. "Der sollte auch nicht so lange stehen bleiben, aber noch heute reisen Leute nach Paris und staunen." Tschernobyl werde ein ähnlicher Touristenmagnet, meint er. Schon jetzt können Besucher unter Auflagen die atomar verseuchte Zone besichtigen (siehe Infobox). In Abstimmung mit der ukrainischen Regierung bieten private Veranstalter Reisen von der etwa 110 Kilometer entfernten Hauptstadt Kiew aus an.

Ukraine setzt weiter auf die Atomkraft
Dass nach der Fukushima-Katastrophe in Japan mehrere Länder laut über einen Atomausstieg nachdenken, sei "deren Sache", sagt Anlagendirektor Gramotkin. "Das ist absolut zu respektieren. Aber die Ukraine ist arm und kann sich das derzeit nicht leisten", meint er. Damit betreibt der zweitgrößte Flächenstaat Europas derzeit weiterhin 15 Reaktoren. Bis 2030 soll sich deren Zahl verdreifachen.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Kostenlose Spiele