Kleiner Stalker

“In ihrem Haus”: Gefährliches Spiel mit Begierden

Kino
28.11.2012 16:21
Alles beginnt harmlos und gewohnt: Eine Schule, der frustrierter Französischlehrer Germain (Fabrice Luchini), den nicht nur seine uninspirierten Schüler ("Die schlimmste Klasse meines Lebens!"), sondern auch die neuerdings wieder eingeführte Uniformpflicht nerven. Ein realistisches Szenario, das Regisseur Francois Ozon zu Beginn seines neuen Films "In ihrem Haus" (Kinostart: 30. November) zeichnet.

Doch das Leben von Germain beginnt aus den Fugen zu geraten, als er die Hausübung seines Schülers Claude (Ernst Umhauer) liest - mit viel Talent und einigem Voyeurismus schildert der, wie er sich das Vertrauen eines Klassenkollegen erschleicht, um in sein Haus eindringen zu können.

"Fortsetzung folgt" steht unter dem Aufsatz - und sowohl Germain als auch seine Ehefrau (Kristin Scott Thomas) lassen sich von dieser Ankündigung in die Vorstellungswelt des Sechzehnjährigen hineinziehen. Ozons realistisches Schulporträt entwickelt sich rasch zum exakt durchkomponierten, voyeuristischen Thriller, der auf mehreren Ebenen nicht nur mit seinen Protagonisten, sondern auch mit dem Zuseher spielt. Vom Talent des jungen Claude beeindruckt, beginnt Germain, seinen sonst ruhigen und unauffälligen Schüler zu fördern und ermutigt ihn, weiterzuschreiben. Vor dem Hintergrund seiner eigenen, gescheiterten Schriftstellerkarriere möchte er nun zumindest Claude helfen.

Und tatsächlich gelingt es Claude, mittels Mathematiknachhilfe immer weiter in das Leben seines Klassenkollegen und das der "normalen", der "heiligen Familie" einzudringen, er trifft die Mutter, eine "Frau der Mittelklasse", von der er sich immer mehr angezogen fühlt. Er seziert das Leben der Familie, macht aus Menschen Charaktere - und tatsächlich erfährt man vom Geschehen im Haus nur durch seine Erzählungen, die Ozon als normale Szenen mit Voice-Over montiert.

Schnell stellt sich dem Zuseher die Frage, was Wirklichkeit und was Fiktion ist, die Grenzen verschwimmen. Je mehr Zeit Claude in dem Haus verbringt, desto mehr Faszination üben seine Schilderungen auf Germain aus. Dessen eigenes Leben kommt nicht nur plötzlich in den literarischen Versuchen seines Schülers vor, sondern wird auch maßgeblich von der intensiven Schüler-Lehrer-Beziehung beeinflusst, die sich zunehmend auch zum Machtkampf entwickelt.

Das sagt "Krone"-Kinoexpertin Christina Krisch zum Film: Francois Ozon ("Swimming Pool") ist ein Genre-Jongleur - und in allem gleichermaßen brillant. So auch in dem psychologisch-facettenreichen Drama über einen frustrierten Lehrer, der sukzessive in den verführerischen Teufelskreis lustvollen Voyeurismus gerät, der seine bourgeoise Existenz zerrüttet. Frei basierend auf dem Theaterstück "Der Junge aus der letzten Reihe" von Juan Mayorga weiß Ozon meisterlich-elegant mit Moralvorstellungen - und den Erwartungen des Kinopublikums zu spielen. Ein Kabinettstückchen bissiger Bösartigkeit, in dem Kristin Scott Thomas als unterkühlte Galeristin und Emmanuelle Seigner als Hausfrau im sexuellen Fokus des Pennälers überzeugen.

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