"Schmerzlicher Akt"

Giftmordverdacht: Proben aus Arafats Grab entnommen

Ausland
27.11.2012 14:56
Acht Jahre nach seinem Tod wird der Leichnam des früheren Palästinenser-Präsidenten Yasser Arafat auf Giftspuren untersucht. Ausländische Experten entnahmen am Dienstag Proben aus seinem Grab in Ramallah. Arafats Witwe Suha, die die Untersuchung angestoßen hatte, blieb ihr aber fern. Sie bezeichnte den Akt als "sehr schmerzlich, aber nötig für die Wahrheitsfindung". Erste Ergebnisse sollen erst in mehreren Monaten vorliegen.

Die Exhumierung in der Mukataa - dem Hauptsitz der palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah, wo sich das Mausoleum Arafats befindet - begann in den frühen Morgenstunden und war binnen kürzester Zeit abgeschlossen. Anwesend waren auch der Mufti von Jerusalem, Mohammed Hussein, und ein französischer Untersuchungsrichter.

Anders als geplant, verblieben Arafats Gebeine in dem Grab. Laut Taufik Tirawi, Chef der palästinensischen Kommission zur Untersuchung von Arafats Tod, entschieden die Experten gemeinsam, die Proben direkt aus der Grabstätte zu entnehmen. Das Grab wurde wieder verschlossen - eine für den Nachmittag geplante neue Beisetzung fand nicht statt, wohl aber eine Militärzeremonie.

Todesursache Arafats wurde nie festgestellt

Der schwer erkrankte Arafat war am 11. November 2004 in einem Militärkrankenhaus im Süden von Paris gestorben. Die genaue Todesursache wurde nie festgestellt. Die Palästinenser verdächtigen Israel seit Jahren, Arafat vergiftet zu haben, was Israel zurückweist.

Anfang Juli sorgte eine Reportage des arabischsprachigen Senders Al-Jazeera zusätzlich für Aufregung: Schweizer Experten gaben in dem Bericht an, sie hätten an persönlichen Gegenständen Arafats eine erhebliche Konzentration des radioaktiven und hochgiftigen Stoffs Polonium-210 nachgewiesen.

Arafats Witwe Suha erstattete nach dem TV-Bericht in Frankreich Anzeige gegen unbekannt. Ende August leitete die französische Justiz Ermittlungen wegen Mordverdachts ein.

Exhumierung unter Palästinensern umstritten

Exhumierungen sind unter den Palästinensern umstritten. Suha Arafat spricht zwar von einem "sehr schmerzlichen" Akt, der aber nötig sei, um die Wahrheit ans Licht zu bringen.

Ein Neffe Arafats und Präsident der Yasser-Arafat-Stiftung, Nasser al-Qudwa, nannte die Aktion dagegen "Leichenschändung". In seinen Augen sei längst klar, dass sein Onkel ermordet wurde - weitere Beweise seien nicht nötig.

Ergebnisse nicht vor März oder April 2013 zu erwarten
Nun sollen allerdings die entnommenen Proben zur Aufklärung beitragen. Sie werden in Labors in Frankreich, Russland und der Schweiz auf mögliche Giftrückstände untersucht. "Die Untersuchungen werden mehrere Monate dauern, um alles zu prüfen, gegenzuprüfen und nochmals gegenzuprüfen, und deshalb glaube ich nicht, dass wir etwas Konkretes vor März oder April nächsten Jahres haben", sagte der Sprecher der Universitätsklinik in Lausanne, Darcy Christen.

Das Krankenhaus hatte auch die ersten Untersuchungen von Arafats Kleidern geleitet und im August den Sinn einer Untersuchung infrage gestellt, falls der Zugang zu Arafats Leichnam bis in den Oktober oder November verschoben würde. Weil das radioaktive Material schnell zerfällt, gelten acht Jahre als Grenze für den Nachweis von Polonium-Spuren.

Polonium-Vergiftung nur schwer nachweisbar
Der Nuklearforscher Jean-Rene Jourdain vom französischen Strahlenschutzamt IRSN meinte, dass der Nachweis einer Vergiftung mit Polonium-210 nicht einfach sei. Alle 138,4 Tage werde der Stoff um die Hälfte abgebaut, weshalb im Fall einer Vergiftung acht Jahre nach Arafats Tod rund zwei Millionen Mal weniger Gift festgestellt werden könnte als zum Todeszeitpunkt.

Selbst wenn aber Polonium-210 in Arafats Gebeinen nachgewiesen werde, sei nicht sicher, ob er vergiftet worden sei, weil der Stoff auch direkt unter der Erdoberfläche in der Natur vorkomme, sagte Jourdain. Problematisch sei auch, dass Arafats innere Organe vermutlich weitgehend verwest seien, weshalb nur Knochenproben untersucht werden könnten.

Mehrere Experten hatten im Vorfeld die Möglichkeit einer radioaktiven Vergiftung bezweifelt, da sich Arafats Gesundheitszustand kurzfristig wieder gebessert und er nicht alle Haare verloren hatte.

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