Wirbel in Ägypten

Machtrausch von “Pharao” Mursi sorgt für Empörung

Ausland
23.11.2012 17:16
Mit der drastischen Ausweitung seiner Befugnisse bringt Mohammed Mursi viele seiner Landsleute auf die Barrikaden. Angetreten mit dem Versprechen, "Präsident aller Ägypter" sein und die Ideale der Revolte gegen Langzeitmachthaber Hosni Mubarak verteidigen zu wollen, verfügte der 61-Jährige am Donnerstag, dass seine Entscheidungen rechtlich nicht mehr angefochten werden können. Damit riss der nun von seinen Kritikern als "neuer Pharao" bezeichnete Muslimbruder praktisch alle politische Macht an sich. Eine Welle der Empörung geht durch das Land.

Mursi hatte am Donnerstagabend von seinem Sprecher im staatlichen Fernsehen kurzerhand eine Erklärung verlesen lassen, der zufolge die Justiz nicht das Recht habe, die Umsetzung der von ihm "zum Schutz der Revolution getroffenen Entscheidungen" zu verhindern.

Unliebsamen Generalstaatsanwalt abgesetzt
Zudem verbot er den Richtern, die von Islamisten dominierte Verfassungsgebende Versammlung, die eine neue Reglementierung des Staates ausarbeiten soll, aufzulösen. Schließlich entledigte er sich auch noch des Generalstaatsanwalts, der ihm immer wieder Paroli geboten hatte, indem er ihn in den Ruhestand schickte. Mit diesem Vorgehen baute Mursi seine Macht mit einem Handstreich weiter massiv aus. Bereits im Sommer hatte er den Obersten Militärrat unter seinem damaligen Chef Hussein Tantawi entmachtet.

"Unverantwortlicher Angriff auf das Gesetz"
Nun wächst in Ägypten die Empörung über den Regierungsstil der Islamisten. Vom Oppositionsführer Mohamed ElBaradei, Ex-Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO mit Sitz in Wien, handelte sich der Präsident den Vorwurf ein, er gebärde sich als Ägyptens "neuer Pharao". Der Vorsitzende der Berufsgenossenschaft der Richter, Ahmed al-Sind, bezeichnete die neue Verfassungserklärung als "unverantwortlichen Angriff auf das Gesetz und die Unabhängigkeit der Justizbehörden". Die ägyptische Tageszeitung "Al-Masri Al-Jum" titelte am Freitag: "Mursi, Übergangs-Diktator".

"Mursi reißt alle Machtbefugnisse an sich"
Gamal al-Ghitani, einer der bekanntesten und populärsten Schriftsteller des Landes, kritisierte gegenüber ägyptischen Medien: "Zum ersten Mal in der Geschichte Ägyptens, und dabei schließe ich die Zeit der ausländischen Besatzung mit ein, hat man unserem Land seine Justizbehörden genommen, damit wir jetzt in einem Dschungel leben, der von einem Mann regiert wird, der alle Machtbefugnisse an sich reißt, damit sie in der Hand einer einzigen Bewegung sind."

"Das Volk will den Sturz des Regimes!"
Am Freitag demonstrierten auf dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo Tausende Revolutionsaktivisten gegen den "Staatsstreich". Dabei riefen die Demonstranten denselben Slogan, der im vergangenen Jahr bei den Kundgebungen gegen Mubarak zu hören gewesen war: "Das Volk will den Sturz des Regimes!". Es kam auch zu Ausschreitungen, die Polizei ging mit Tränengas gegen die Protestierenden vor.

Mursi: "Ich habe einen klaren Plan"
Mursi erklärte vor Journalisten, Ägypten werde auf seinem Weg weitergehen und lasse sich dabei nicht aufhalten. Er erfülle seine Pflichten im Sinne Gottes und der Nation. Ohne einen klaren Plan könne es keinen Sieg geben - "und ich habe diesen Plan". Die Proteste bezeichnete er als Ergebnis einer Verschwörung von "Gegnern im Ausland und einigen Überbleibseln des alten Regimes, die nicht wollen, dass Ägypten auf die Beine kommt".

Keine Verfassung, keine Wahlen
Auch knapp zwei Jahre nach dem Sturz Mubaraks hat Ägypten noch immer keine neue Verfassung, die eine Voraussetzung für neue Parlamentswahlen ist. Das erste Parlament, das die Muslimbrüder beherrschten, wurde von einem Gericht aufgelöst. Die Verfassungsgebende Versammlung hat ihre Arbeit noch nicht beendet, weil sich viele Liberale und Christen nicht mehr daran beteiligen wollen. Sie streiten mit den Islamisten, die eine Verfassung fordern, die sich an der Scharia orientiert und den Religionsgelehrten mehr Macht im Gesetzgebungsprozess gibt.

"Neuer Pharao" folgt altem
Nach seiner Wahl im Juni hatte Mursi einen zivilen Staat versprochen, der alle politischen Strömungen einbeziehe. Außerdem wollte er Diskriminierung aufgrund von Religion, ethnischer Zugehörigkeit oder Geschlecht beenden. Mit diesen Versprechen trachtete der Muslimbruder danach, sich von seinem Vorgänger Mubarak abzusetzen, der Jahrzehnte weit entrückt vom Volk als "alter Pharao" geherrscht hatte. Nun ist Mursi der "neue Pharao".

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