Neues Steuermodell

IV: ‘Mehrwertsteuer anheben und Lohnsteuer senken’

Wirtschaft
23.11.2012 14:37
Die Industriellenvereinigung fordert eine massive Lohnsteuersenkung, die zumindest teilweise durch eine höhere Mehrwertsteuer gegenfinanziert werden soll. Außerdem will IV-Präsident Georg Kapsch (Bild) auch Niedrigverdiener Lohnsteuer bezahlen lassen. Dennoch betonte Kapsch am Freitag, sein Steuermodell sei fair und sozial ausgewogen, weil im Gegenzug die Steuern auf Nahrungsmittel halbiert würden: "Wir wollen, dass allen Menschen netto mehr in der Geldbörse bleibt."

Das Steuermodell der Industriellenvereinigung sieht eine Senkung der Steuern und Abgaben um insgesamt zwölf Milliarden Euro bis 2018 vor. Damit würde die Steuerquote von aktuell 42 Prozent der Wirtschaftsleistung auf den EU-Schnitt von 38 Prozent absinken. Größter Entlastungsposten wäre die Lohn- und Einkommenssteuer, die Kapsch um 8,4 Milliarden Euro senken würde. Die Steuertarife würde er valorisieren, was das "Ende der kalten Progression" bedeuten würde.

Außerdem will die IV die Lohnnebenkosten drücken, indem die Beiträge zum Familienlastenausgleichsfonds, die Kommunalsteuer und die Sozialversicherungsbeiträge gesenkt und der Wohnbauförderungsbeitrag gestrichen werden. Auch die Bankenabgabe soll wieder fallen. Die Wohnbauförderung würde gemäß IV-Modell künftig aus der Umsatzsteuer finanziert, die von 20 auf 22 Prozent angehoben werden soll.

Systemänderung bei der Lohnsteuer
Bei der Lohnsteuer plädiert Kapsch für eine Systemänderung: Die Begünstigung des 13./14. Monatsgehalts würde er in den Steuertarif einrechnen, die Steuersätze kräftig senken und auch Niedrigverdiener einbeziehen. Konkret soll die Steuerfreigrenze von derzeit 11.000 Euro auf 9.280 Euro sinken. Das würde bedeuten, dass jeder, dessen Verdienst über dem Niveau der Mindestsicherung liegt, Steuern zahlen würde.

Den Eingangssteuersatz möchte die IV im Gegenzug von (inklusive 13./14. Monatsgehalt) 32,1 auf 10 Prozent senken. Ab 16.000 Euro Jahresbrutto würden 20 Prozent Steuern fällig, ab 35.000 Euro 30 Prozent und ab 70.000 Euro 40 Prozent. Den realen Spitzensteuersatz von 43,75 Prozent würde die IV zwar beibehalten, die Einkommensgrenze aber von 70.000 Euro Jahresbrutto auf 100.000 Euro anheben. Auch der befristete Solidarbeitrag der Spitzenverdiener soll bis 2016 bleiben.

Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel
Die größte Entlastung würde es somit im Bereich der unteren und mittleren Lohnsteuerzahler geben. Allerdings würden laut IV 160.000 derzeit steuerbefreite Arbeitnehmer mit niedrigem Einkommen künftig Lohnsteuer bezahlen müssen. Soziale Härten will Kapsch vermeiden, indem die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von zehn auf fünf Prozent gesenkt wird, wie er betont.

Ob die Senkung der Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel ausreichen würde, um die (von der IV nicht bezifferte) zusätzliche Steuerbelastung der Niedrigverdiener auszugleichen, ist allerdings unklar. Die IV würde nämlich gleichzeitig die Umsatzsteuer auf Mieten, Medikamente und Krankenanstalten von 10 auf 11 Prozent anheben. Andere Umsatzsteuer-Begünstigungen (z.B. Pflanzen, Tierfutter) würden gestrichen, was allein 1,3 Milliarden Euro bringen würde. Und der normale Mehrwertsteuersatz würde von 20 auf 22 Prozent erhöht (2,2 Milliarden Euro).

Außerdem plädiert die IV zur Gegenfinanzierung der Steuersenkungen für weitere Einsparungen im Gesundheits- und Pensionswesen. Insgesamt glaubt die Vereinigung, dadurch sowie durch eine Verwaltungsreform und durch Subventionskürzungen rund zwölf Milliarden Euro einsparen zu können.

Keine Unterstützung punkto Mehrwertsteuer
Der IV-Vorstoß wird zwar von allen Fraktionen grundsätzlich begrüßt, die Erhöhung der Mehrwertsteuer stößt allerdings nirgends auf Gegenliebe: VP-Finanzsprecher Günter Stummvoll begrüßte das Ziel von IV-Präsident Kapsch, die Steuerquote deutlich zu senken. Auch die Lohnsteuerreform gehe in die richtige Richtung. Bezüglich der Erhöhung der Mehrwertsteuer werde es aber noch "intensive Gespräche" geben müssen. Auch beim Zeitpunkt der Reform (2014 bis 2018) sieht er noch Gesprächsbedarf: "Denn derzeit hat zweifellos die Budgetkonsolidierung Vorrang vor einer Steuersenkung."

Für die SPÖ ist die geforderte Anhebung der Mehrwertsteuer der "größte Schwachpunkt" im Steuerkonzept der IV. "Ein Mehrwertsteuerzuschlag ist nicht nur sozialpolitisch, sondern auch konjunkturpolitisch kontraproduktiv", sagte SP-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter. Er plädiert zur Gegenfinanzierung der Reform für eine Erbschafts- und Vermögenssteuer mit einer Million Euro Freigrenze.

Klar abgelehnt wird eine Mehrwertsteuererhöhung auch von der FPÖ. Finanzsprecher Elmar Podgorschek kritisiert, dass die "breite Masse" über Mehrwert- und Lohnsteuer schon jetzt mehr als die Hälfte der Steuern bezahle. Er befürchtet, dass eine Mehrwertsteuererhöhung die Inflation befeuern und Einkommensschwache besonders belasten würde. Die Valorisierung der Steuertarife würde Podgorschek dagegen begrüßen.

Für Grünen-Budgetsprecher Werner Kogler ist es zwar "prinzipiell begrüßenswert, dass sich überhaupt jemand um gröbere Strukturvorschläge den Kopf zerbricht". Die Vorschläge der IV gehen aus seiner Sicht aber "mehrheitlich in die falsche Richtung". Er plädiert für eine Gegenfinanzierung der Lohnsteuersenkung durch Vermögenssteuern sowie durch die Besteuerung von Ressourcenverbrauch und Schadstoffemissionen.

Auch AK und ÖGB gegen Mehrwertsteuererhöhung

Klar zurückgewiesen wird der Ruf der Industrie nach einer höheren Mehrwertsteuer auch von den Arbeitnehmervertretern. AK-Präsident Herbert Tumpel und ÖGB-Präsident Erich Foglar begrüßten zwar die Forderung der IV nach einer Senkung der Lohnsteuern, aber, so Tumpel: "Im Gegenzug braucht es nicht eine Mehrbelastung der Konsumentinnen durch Massensteuern, sondern einen fairen Beitrag großer Vermögen und die Schließung von Steuerschlupflöchern für Unternehmen." Er plädiert außerdem dafür, den Wohnbauförderungsbeitrag wieder zweckzuwidmen, anstatt ihn zu streichen.

Auch Foglar und der Chef der SP-Gewerkschafter, Wolfgang Katzian, drängen auf zusätzliche Vermögenssteuern, die die IV ablehnt. "Äußerst kritisch" sieht Foglar den IV-Plan, die Lohnsteuer schon ab 9.280 Euro Jahresbrutto einsetzen zu lassen: "Gerade die Menschen mit den niedrigsten Einkommen brauchen dringend eine Entlastung, denn sie können sich ihr Leben kaum mehr leisten." Katzian warnt davor, dass sich die Arbeitnehmer mit der Anhebung der Mehrwertsteuer "ihre eigene Entlastung selbst finanzieren würden".

Leitl steht IV-Vorstoß positiv gegenüber
Ein "kategorisches Nein" zu den von den Gewerkschaftern geforderten "Eigentumssteuern" kommt von Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. Für ihn gehen die Vorschläge der IV daher "in die richtige Richtung". Eine Stärkung des Wirtschaftsstandorts und der Wettbewerbsfähigkeit sei in Zeiten einer sich abschwächenden Konjunktur ein Gebot der Stunde. Auch die geforderten Reformen bei Pensionen und Gesundheit begrüßt Leitl. Die einzelnen Vorschläge im IV-Steuerkonzept und das Tempo ihrer Umsetzung müsse man nun im Detail analysieren.

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