Urteil in Den Haag

Kroatische Generäle Gotovina und Markac kommen frei

Ausland
16.11.2012 14:00
Der Internationale Gerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) in Den Haag hat die kroatischen Ex-Generäle Ante Gotovina (re. im Bild) und Mladen Markac (li.) am Freitag freigesprochen und die sofortige Freilassung angeordnet. Erstinstanzlich waren Gotovina und Markac 2011 wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 24 bzw. 18 Jahren Haft verurteilt worden.

Das Gericht sah es nicht als erwiesen an, dass die Angeklagten die Vertreibung von über 200.000 Serben im August 1995 bei der Rückeroberung kroatischen Territoriums geplant hatten. Die Ex-Generäle waren Teil der "Operation Sturm" im serbisch-kroatischen Krieg (1991 bis 1995), im Zuge dessen kroatische Armee-Einheiten im August 1995 die damals serbisch kontrollierte Region Krajina zurückeroberten. Die Richter entschieden, dass es sich bei dieser Operation um die legitime Verteidigung des Landes gehandelt habe.

Kroaten freuen sich über "gerechtes Urteil"
In kroatischen Medien und bei Politikern herrschte nach dem Freispruch Genugtuung: Präsident Ivo Josipovic sagte, dass das Tribunal ein "gerechtes Urteil" gebracht habe und Kroatien bestätigt habe, dass man einen gerechten Verteidigungskrieg geführt habe. "Die Generäle haben acht Jahre unschuldig im Gefängnis verbracht", sagte Josipovic. Als Oberbefehlshaber des Heeres bedankte er sich "für das Opfer, das die Generäle gebracht haben."

Premier Zoran Milanovic kommentierte das Urteil ohne große Emotionen. "Es handelt sich offenbar um zwei unschuldige Leute. Das heißt aber nicht, dass es keine Fehler in diesem Krieg gegeben hat, wofür der Staat Kroatien schuldig ist, aber nicht Gotovina und Markac", so Milanovic. "Kroatien muss die Schuld der Gerechtigkeit begleichen. Das darf man in diesem Augenblick nicht vergessen."

In zahlreichen kroatischen Städten, wo Tausende Menschen die Verlesung des Urteils des ICTY auf Videowänden verfolgten, brach am Freitag großer Jubel aus, die Menschen reagierten erleichtert. Versammelt hatten sich großteils Veteranen des Kriegs, die in ihren Uniformen gekommen waren. Schon am Vorabend hatten landesweit Prozessionen, Messen und Andachten in Kirchen stattgefunden. Kinder hatten in vielen Teilen des Landes schulfrei.

Serbien nach Freispruch entsetzt
In Serbien reagierte man dagegen mit Empörung auf die Entscheidung des Haager Tribunals: Präsident Tomislav Nikolic sprach von "einem politischen, aber keinem rechtlichen Urteil" und bemerkte, er habe keinerlei Veranlassung mehr daran zu glauben, dass das Haager Tribunal "neutral, gerecht und etwas Höheres als Gerichte in Serbien" sei.

Auch der serbische Vizeregierungschef und Außenhandelsminister Rasim Ljajic meinte, dass das Haager Kriegsverbrechertribunal "jede Glaubwürdigkeit" verloren habe. Wie solle man den Menschen in den Serbien nun erklären, dass die Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrechertribunal fortgesetzt werden müsse, um bei der Aufarbeitung und Aufklärung von Verbrechen im ehemaligen Jugoslawien beizutragen, fragte sich Ljajic.

Der Präsident der serbischen Entität in Bosnien-Herzegowina, Milorad Dodik, meldete sich am Freitag ebenfalls zu Wort: Er bezeichnete die Freisprüche der kroatischen Generäle als "unglaublich und schändlich".

"Freispruch könnte Schlusspunkt des Krieges sein"
Kroatische Politikexperten befürchten, dass mit dem Freispruch die Auseinandersetzung mit dem Krieg enden wird: "Kurzfristig bedeutet der Freispruch Euphorie, doch langfristig die Meinung, dass das der Schlusspunkt des Krieges ist, und dass man über diese Dinge nicht mehr zu reden braucht", sagte Politikwissenschafter und Philosoph Zarko Puhovski.

"Das Urteil heißt jedoch nicht, dass Kroatien nun aufhören darf, die Verbrechen, die sich nach der Operation "Sturm" ereignet haben, zu verfolgen," mahnte auch Politikexperte Davor Gjenero. "Es hat sich allerdings gezeigt, dass es keine globale Verschwörung gab, dass das internationale Strafgericht seine Arbeit macht und dass es keine ernsthafte politische Beeinflussung des Tribunals gibt", so Gjenero.

Gotovina hatte die Gesellschaft und die Innenpolitik Koatiens bereits zuvor weit über den Krieg hinaus beschäftigt. Monatelang blockierte der General wegen seiner Flucht den Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen mit Kroatien. Während die EU die Auslieferung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Gotovina an das Haager UNO-Tribunal forderte, hieß es damals in Zagreb beharrlich, man kenne seinen Aufenthaltsort nicht. Gefasst wurde er schließlich Anfang Dezember 2005 nach Angaben der damaligen Tribunals-Chefanklägerin Carla del Ponte auf den Kanarischen Inseln. Markac ergab sich 2004 freiwillig dem Haager Tribunal.

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