Missbrauchsskandal

GB: BBC-Chef nach falschem Bericht zurückgetreten

Ausland
11.11.2012 09:53
Nach falschen Missbrauchs-Anschuldigungen gegen einen früheren britischen Politiker nach einem Fernsehbericht seiner Sendergruppe ist BBC-Chef George Entwistle zurückgetreten. "Ich habe entschieden, dass es die angemessene Reaktion ist zurückzutreten", sagte Entwistle am Samstagabend in London. Zuvor hatte die Ausstrahlung des Berichts Vorwürfe des Kindesmissbrauchs gegen den Ex-Politiker Alistair McAlpine zur Folge, die sich als falsch erwiesen.

Als Generaldirektor sei er "letztlich verantwortlich für den gesamten Inhalt" der BBC-Sendungen, begründete der erst im September ins Amt gekommene Entwistle seinen Rücktritt. Die Ausstrahlung des Berichts der Sendung "Newsnight" sei "grundlegend falsch" gewesen.

"Die ganzen Ereignisse der vergangenen Wochen haben mich zu dem Schluss gebracht, dass die BBC einen neuen Chef haben sollte", erklärte er vor Fernsehkameras. Vorübergehend übernimmt der früherer Pepsi-Manager Tim Davie, Chef des BBC-Weltdienstes, die Stelle des Generaldirektors.

McAlpine bestritt Vorwürfe
"Newsnight" hatte in den vergangenen Tagen über Steve M. berichtet, der in den 70ern in einem Kinderheim in Wales missbraucht worden war. Obwohl der Täter in der Sendung nicht namentlich identifiziert wurde, kursierte kurz darauf im Internet das Gerücht, es handele sich um McAlpine. Der frühere Schatzmeister der Konservativen, der einen Sitz im Oberhaus hat, wandte sich am Freitag an die Öffentlichkeit und bestritt die Vorwürfe. Er versicherte: "Ich war niemals in irgendeinem Kinderheim." Und auch Steve M. selbst teilte mit, dass es sich bei McAlpine nicht um den Täter gehandelt habe.

Die BBC hatte sich bereits am Freitagabend bei McAlpine entschuldigt. "Wir hatten nicht einen Film zeigen sollen, der so grundlegend falsch ist", teilte der Sender mit. "Was hier passiert ist, ist vollkommen inakzeptabel. Ich habe klare und entschiedene Schritte veranlasst, um herauszufinden, was passiert ist, und um die Dinge wieder zurechtzurücken", sagte Entwistle da. Er ordnete an, dass "Newsnight" die Recherchen vorübergehend einstellt, um seine Arbeitsmethoden zu überprüfen.

Die Sendung steht derzeit im Zentrum der Ermittlungen gegen den BBC-Starmoderator Jimmy Savile, der zu Lebzeiten Hunderte Kinder missbraucht haben soll. "Newsnight" wird vorgeworfen, entsprechende Hinweise zurückgehalten zu haben.

Affäre erschüttert seit Wochen GB
Die Affäre Savile erschüttert seit Wochen Großbritannien, immer wieder gibt es neue Enthüllungen. Scotland Yard hat inzwischen wegen des Verdachts auf "Missbrauch in noch nie dagewesenem Ausmaß" durch den Fernsehmoderator Ermittlungen eingeleitet. Den Ermittlern zufolge gibt es Hinweise, dass Savile rund 40 Jahre lang Kinder missbrauchte.

Die Polizei geht von 300 möglichen Opfern aus. Savile war 2011 im Alter von 84 Jahren gestorben. Im Zusammenhang mit dem Skandal wurden bereits mehrere britische Prominente wegen Missbrauchsvorwürfen festgenommen (siehe Infobox).

Respekt und Verständnis für Entwistle-Rücktritt
Der nunmehrige Rücktritt von Entwistle stieß mehrfach auf Respekt und Verständnis. Es sei "schade, aber die richtige Entscheidung", sagte Maria Miller, die Ministerin für Kultur, Medien und Sport, in der Nacht zum Sonntag. Chris Patten, Ombudsmann der BBC, nannte den Samstag "einen der traurigsten Abende in meinem öffentlichen Leben". Er lobte "Ehre und Mut", die Entwistle bewiesen habe.

Auf die Frage nach der Notwendigkeit von Reformen sagte Patten am Sonntag im Gespräch mit Moderator Andrew Marr im Fernsehprogramm BBC 1: "Wenn Sie mich fragen, ob die BBC eine gründliche Überprüfung ihrer Organisation braucht, dann ja, sie braucht sie unbedingt. Und das werden wir tun müssen." Den Rücktritt von Entwistle nannte der Verwaltungsratschef eine "Tragödie", weil er Entwistle just als Reformer bei der BBC eingesetzt habe.

Britische Presse wettert gegen Entwistle
Die britische Presse ging hart mit Entwistle ins Gericht. Die "Mail on Sunday" schrieb, Entwistle sei blind für die BBC-Krise gewesen und habe dafür den "höchsten Preis gezahlt". Im "Independent on Sunday" hieß es lakonisch: "Out of touch, out of depth, out of a job" (etwa: ohne Gespür, ohne Geschick, ohne Job)

John Whittingdale, Vorsitzender des für die BBC zuständigen Parlamentsausschusses für Medien, sagte, "was in den letzten Tagen passiert ist, hat seine (Entwistles) Autorität und Glaubwürdigkeit immens geschmälert". Unter den Umständen wäre es für Entwistle sehr schwer gewesen, weiterzumachen.

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